Welche Rechte hat ein Vorerbe nach dem Erbfall?
Ein Missverständnis im Erbrecht ist, dass man durch Schenkungen den Nachlass verringern oder beeinträchtigen kann, um dann als Erblasser den Erben oder als Vorerbe dem Nacherben weniger zu vererben. Ein Vorererbe hat in der Regel das Recht, über das ihm zugewiesene Vermögen zu verfügen. Das schließt auch Schenkungen ein. Allerdings gibt es Einschränkungen, um sicherzustellen, dass die Rechte des Nacherben geschützt werden. Aus solchen Gründen hat der Gesetzgeber Normen wie § 2113 BGB oder auch § 2287 BGB eingeführt.
Was ist geschehen?
Die Erblasserin und ihr Ehemann hinterlassen drei Töchter. Die Klägerin ist eines der Töchter und der Beklagte ist der Sohn eines der Schwestern aus erster Ehe und somit das Enkelkind der Erblasserin und des Vorerben.
Die Erblasserin schließt im Jahre 1973 einen Erbvertrag mit ihrem Ehemann, in dem sie sich beide als befreite Vorerben einsetzen mit der Ausnahme der Verfügung über Grundstücke. Zu Nacherben wurden die drei Töchter bestimmt. Es wurde im Erbvertrag festgehalten, dass die drei Töchter Erben des Längstlebenden sind. Zu Ersatzerben der Töchter bestimmten die Erblasser deren Abkömmlinge.
Die Erblasserin verstarb 1974 und eines der Schwestern machte ihren Pflichtteil geltend und verzichtete somit auf die im Erbvertrag geregelte Erbenstellung, also sowohl aus der Nacherbschaft als auch aus der Schlusserbschaft.
1997 traten die beiden Schwestern 1/3 ihres Anteils ihrer Anwartschaft auf die Nacherbschaft an ihren Vater ab.
2005 haben die drei Töchter noch einen notariell beurkundeten Vertrag mit dem Vater als Vorerben geschlossen mit dem Inhalt, dass die Töchter auf die Nacherbenstellung aus dem Erbvertrag verzichten. Die Töchter sollen nach dem Tod des Vaters als Schlusserben verbleiben.
2012 schenkte nun der Vorerbe dem beklagten Enkel einen Barbetrag in Höhe von 300.000€. Der Vorerbe verstarb im Jahre 2017. Nun klagt eines der Schwestern und behauptet als Erbin zu ½ einen Anspruch auf Rückzahlung der Hälfte des im Jahre 2012 bezahlten Betrages aus § 2287 und § 2113 BGB zu haben.
Kann ein Vorerbe solche Rechtsgeschäfte durchführen?
Die Anspruchsgrundlage gemäß §§ 2113, 812 ff. BGB wurde verworfen, denn die Klägerin hat ihr Nacherbenanwartschaftsrecht formwirksam an den Vater als Vorerben übertragen, so dass eine Beeinträchtigung ihres Nacherbenrechts ausgeschlossen war. Da der Ersatznacherbenfall zum Zeitpunkt der Schenkung nicht eingetreten war, hatte der Vater als Vorerbe das Recht über die Gegenstände der Vorerbschaft frei zu verfügen.
Weitere bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen sind mangels der Stellung des Vaters als Berechtigte auch ausgeschlossen.
Ein Anspruch aus §§ 2287, 812 ff. BGB scheidet auch aus. Erstmalig ist festzustellen, dass nach § 2286 BGB durch den Erbvertrag der Längerlebende in seinen Verfügungen nicht eingeschränkt wird. Folglich wäre diese Anspruchsgrundlage nur einschlägig, wenn das Vermögen ohne anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse verschenkt werden würde.
Wie ist das Verhältnis zwischen diesen Normen?
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass mit beiden Normen verschiedene Vermögensmassen geschützt werden. Der Nacherbe, der zugleich Vertragserbe des Vorerben ist, dürfte sich auf § 2113 Abs. 2 BGB berufen, wenn es das Vermögen des Erstversterbenden beträfe. § 2287 BGB wäre für unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über sein eigenes sonstiges Vermögen einschlägig. Gestützt wird es auf den Wortlaut des § 2287 Abs. 1 BGB der den „Vertragserben“ als Anspruchsberechtigten nennt. Es entspreche auch dem Sinn und Zweck, denn für zwei Vorschriften, die beide Vermögensmassen umfassen, bestehe kein Schutzbedürfnis.
Folgen der Abtretung des Nacherbenanwartschaftsrechts für den Vorerben
Durch diese Abtretung sind die Rechte und Pflichten des Vorerben und der Nacherben lediglich, solange die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist, „in einer Person vereinigt“ mit der Folge, dass der Vorerbe bis dahin über die Gegenstände der „Vorerbschaft“ frei verfügen kann. Jedoch gab es neben den Nacherben auch Ersatzerben und solange diese ihre Anwartschaft nicht an den Vorerben übertragen haben, wird der Vorerbe nicht zum Vollerben.
Fazit
Es würde zu einem unbilligen Wertungswiderspruch führen, wenn man einerseits davon ausgeht, dass der Vorerbe durch die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts über Gegenstände der Vorerbschaft frei verfügen und damit auch beliebige Schenkungen vornehmen könne, und anderseits diese Freiheit durch eine Anwendung des § 2287 BGB auf das der Vorerbschaft unterliegende Vermögen sogleich wieder einschränken würde. Es ist zwischen dem Vermögen des Erblassers und dem Vermögen des Vorerben zu unterscheiden. Das Urteil des Gerichts entspricht somit der gesetzgeberischen Wertung.
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