Ins Visier der Finanzämter geraten nur allzu oft die Umsätze von Online-Händler – gerade die schnelle Aufklärung eines Sachverhalts lässt sich durch das Auskunftsersuchen an den Betreiber des entsprechenden Marktplatzes verfolgen, über den der Online-Händler seine Verkäufe abwickelt. Häufig sind dies die Unternehmen eBay und PayPal.
Überblick: Ablauf einer Datenauskunft
Als Ermittlungsmaßnahme wird ein Auskunftsersuchen an den Betreiber der Online-Plattform durch die Strafverfolgungsbehörde gestellt. Dieses stützt auf § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO iVm. §§ 399, 404 AO iVm. §§ 161, 161a StPO; im Rahmen von Vorfeldmaßnahmen bietet Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO iVm. § 93 AO.
Am Beispiel von eBay ist jenes Ersuchen in der Vergangenheit an die luxemburgische Tochtergesellschaft gestellt worden, die darüber, zumindest bis vor kurzem noch, als verantwortliche Stelle für EU-Nutzerdaten nach luxemburgischem Recht über die Herausgabe der Datensätze entschied. Seit 2018 obliegt dies der eBay GmbH in Deutschland. Wird zugunsten der Behörde entschieden, so stellt das sog. „Global Asset Protection Team“ die ersuchenden Daten über einen Link zur Verfügung, der nach genau 45 Tagen erlischt. Dem Ermittlungsbeamten wird durch E-Mail die Datenbereitstellung mitgeteilt. Innerhalb der gesetzten 45-Tage-Frist ruft der Ermittlungsbeamte die Daten ab und konvertiert diese in geeignete Formate zur eigenen Prüfung. Es empfiehlt sich, bereits vor Konvertierung, die Originaldatei (unbearbeitet) abzuspeichern und alle Ermittlungsmaßnahmen (darunter auch die eigens durchgeführte Prüfung) anhand einer Kopie durchzuführen.
Nach Abschluss der Überprüfung werden die konkreten Ergebnisse der Ermittlungsarbeit in einer Excel-Datei zusammengefasst, die Auskunft darüber gibt, welche Umsätze in welchen Währungen vom Beschuldigten auf seinen eBay-Konten getätigt worden sind. Zusätzlich zur Papierzusammenfassung der Überprüfung sollten auch noch die elektronischen Daten durch die Strafverteidigung verlangt werden, um eine sinnhaltige eigene Aufarbeitung zu ermöglichen. Dem Beschuldigten selbst ist die Auskunft durch das Global Asset Protection Team nicht möglich, da dieses ausschließlich mit staatlichen Behörden korrespondieren – was bleibt, ist zumindest die Möglichkeit über den eigenen Accountmanager bei eBay Informationen zum Verlauf des ebay-Kontos einzuholen. Problematisch dabei ist jedoch, dass zumeist nur zeitlich kurz zurückliegende Daten zur Verfügung gestellt werden können – länger zurückliegende Daten können zwar durch Auskunftsklage gerichtlich erstritten werden, doch ist damit stets ein zeitintensives Zivilverfahren verbunden, während das Strafverfahren nicht ruht. Folglich besteht damit auch keine realistische Alternative zur Akteneinsicht im Strafverfahren. Zu beachten ist jedoch, dass bei Akteneinsicht häufig nicht die Originaldateien zu Verfügung gestellt werden, sondern lediglich das bereits konvertierte Excel-Format.
Stellt die Datenauskunft ein geeignetes Beweismittel dar?
Die Datenauskunft lässt sich nicht unter die traditionellen Kategorien der Beweismittel der StPO fassen – diese sind weder Schriftstücke noch Zeugenaussagen, sie sind auch nicht in Form von Bildern oder sonstigen Objekten im Wege der Inaugenscheinnahme zugänglich. Selbst die Datenauskunft durch den Datensteller (zB. Global Asset Protection Team) ist ausgeschlossen, da dieser in den meisten Fällen anonym bleibt und damit als Zeuge vor Gericht nicht in Betracht kommt.
Für Strafverfolgungsbehörden, Gerichte und Verteidigungen ist zudem nicht ersichtlich, welche Daten herangezogen worden sind, von welcher Person mit welcher Qualifikation die Auskunft erstellt und verantwortet worden ist oder ob die Datenauskunft innerhalb des Geltungsbereichs der StPO oder im Ausland gefertigt worden ist.
Fehlerquellen bei der Auskunft
Einer der Gründe, weshalb Auskunftsinhalt und tatsächliche Umsätze des Online Händlers auseinanderfallen können, sind Programmier- oder Anwendungsfehler. Dies allein stellt schon einen wesentlichen Unterschied zu den herkömmlichen Beweismitteln dar, die aufgrund fehlender Verarbeitungsprozesse solch einer intensiven Fehleranfälligkeit nicht unterliegen.
Darüber hinaus werden in Datenauskünften regelmäßig keine Währungen ausgewiesen, so dass den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten keine andere Möglichkeit bleibt als den Ausweis in der Auskunft in Bezug auf den US-Dollar zu untersuchen, der laut Accountmanager Hauptwährung ist. Eine Befragung des Global Asset Protection Teams kommt aus den bereits genannten Gründen nicht in Betracht. Hinzu tritt die Ungewissheit über die Datenverarbeitung im Unternehmen selbst, wodurch es intern bereits zu mehrfachen Konvertierungen gekommen sein könnte. Gerade bei Online-Händler, die über die Landesgrenze hinweg Erlöse erwirtschaften, stellt sich zudem die Frage, welcher Wechselkurs zugrunde gelegt worden ist – dies ist insbesondere durch die in den letzten Jahren hochvolatilen Währungen von großer Wichtigkeit, da es sonst zu erheblichen Unterschieden bei der Höhe der Steuerverkürzung kommen kann.
Beliebte Fehleranfälligkeiten lassen sich unter anderem auch im Rahmen von Retouren verorten. Hier fallen häufig aufgrund hoher Retourenquoten die getätigten und tatsächlich realisierten Umsätze auseinander. Grund: der Händler unterlässt die Rückabwicklung der bereits bei Bestellung anfallenden Umsatzprovision des Marktplatzes (Online-Plattform), da die Höhe der Provision relativ gering ist und insbesondere nachteilige Auswirkungen der Rückabwicklung der Provision auf die Bewertung befürchtet wird. Insofern beinhalten die vermeldeten Umsätze in der Auskunft einen erheblichen Anteil an Rückabwicklungen, die aber nicht eingerechnet werden dürfen – die Retourenabwicklungen finden aber in vielen Fällen außerhalb des Marktplatzes statt, weshalb dies vom Marktplatz-Anbieter vollständig unbemerkt bleibt. Der Marktplatz-Anbieter kann daher nur die Daten für die Auskunft berücksichtigen, die ihm selbst vorliegen. Laut Forschungsergebnissen betragen Retouren zB. in der Warengruppe Kleidung bis über 40 % des Gesamtumsatzes.
Probleme können auch aus Summenbildungen und Umwandlungen von Dateiformaten resultieren, wodurch verschiedene Währungen in Excel-Dateien schlicht aufaddiert werden.
Letztlich lässt sich sagen, dass Excel-Dateien nicht GoBD konform sind („Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“): Zu viele Schnittstellen, bei denen Daten verloren oder unkontrolliert und ungewollt, unbemerkt verändert werden können. Die danach entstandene Excel Datei ist nach der AO sicherlich zu verwerfen. Dass die Datei auch noch einer Drittauskunft entstammt, wobei der Dritte kein unmittelbares eigenes Interesse an der Richtig- und Vollständigkeit der Auskunft hat, lässt dem Ganzen stets einen faden Beigeschmack entstehen – dieses Argument wird jedoch in zukünftigen Steuerstrafverfahren weitgehend entwertet sein, da ab dem 01.10.2019 Betreiber von Online-Marktplätzen für die USt der Online-Händler haften, ein Interesse an der Richtig- und Vollständigkeit wird damit als gegeben betrachtet werden können.
Anwendung des § 32a StPO analog
Dadurch, dass Datenauskünfte namenlos erfolgen, sind etwaige strafrechtliche Verurteilungen unhaltbar, die auf ausschließlich auf den Datenauskünften beruhen. Dies macht den Regelungsinhalt der StPO zum Umgang mit Daten dringend reformbedürftig.
Problemlöser kann jedoch bis zur Reform eine Analogie zu § 32a StPO sein. Danach müssen nur den de lege lata geltenden Anforderungen für den elektronischen Rechtsverkehr zwischen den Parteien des Strafprozesses entsprochen werden. Dazu ist stets das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, bevor es übermittelt wird.
Jedoch ohne diese Mindestanforderungen zu erfüllen, ist die Datenauskunft des Marktplatzbetreibers kein taugliches Beweismittel.
(Quelle: PStR 10|2019, S. 246 ff.)
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