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Digitaler Nachlass - Habe ich als Erbe Anspruch auf Zugriff zum sozialen Benutzerkonto des Erblassers?

Als Vertragspartner und neue Kontoberechtigte haben die Erben einen Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto und dessen Inhalt, auf dieselbe Weise wie der Erblasser, mit der Ausnahme einer aktiven Nutzung. Die Erben treten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Die Erben treten somit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in das Vertragsverhältnis mit der Betreiberin ein. Die Betreiberin eines sozialen Netzwerks ist dazu verpflichtet den Erben Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren.

Der Fall

Im folgenden Fall stritten die Parteien über den Zugang zu dem Benutzerkonto eines sozialen Netzwerks, der auf den Namen der verstorbenen Tochter lief. Die Eltern der verstorbenen minderjährigen Tochter wollten nach ihrem Tod auf das Benutzerkonto der Tochter zugreifen, um etwaige Hintergründe zum Tod ihrer Tochter zu erhalten. Ein Zugriff auf das Benutzerkonto mit dem dazugehörigen Passwort war nach dem Tod nicht mehr möglich, da das Benutzerkonto in einen Gedenkzustand versetzt wurde. Die Beklagte Netzwerkbetreiberin verweigerte den Zugang.

Entscheidungsgründe

  1. Ein Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Inhalten ergibt sich aus § 1922 Abs. 1 BGB. Nach § 1922 Abs. 1 BGB tritt der Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein und somit auch in die vertraglichen Rechtsstellungen. Die Erben treten somit in den bestehenden Nutzungsvertrag mit dem sozialen Netzwerkbetreiber ein.
  2. Der Anspruch könnte aber ausgeschlossen sein.
  3. a) Ein Ausschluss könnte sich aus vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben.
    Die AGB verstoßen jedoch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Durch das Versetzen des Benutzerkontos in den Gedenkzustand, ist ein Zugang auf das Benutzerkonto und auf die gespeicherten Inhalte nicht mehr möglich. Dadurch ist die Erreichung des Vertragszwecks nicht mehr möglich, woraus ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB resultiert.
  4. b) Aus dem Wesen des Vertrages ergibt sich ebenso kein Ausschlussgrund. Der Nutzungsvertrag ist nicht höchstpersönlicher Natur. Der soziale Netzwerkbetreiber verpflichtet sich lediglich die Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen und auf Antrag des Nutzers Inhalte zu veröffentlichen und Nachrichten an andere Benutzerkonten zu übermitteln.
    Das Vertragsverhältnis ist zwar auf den Nutzer persönlich zugeschnitten und somit personenbezogen, dies führt jedoch nicht zur Unversehrbarkeit. Vom Erbrecht ausgeschlossen ist lediglich die aktive Weiternutzung, wie auch beim Girokonto.
  5. c) Ein Ausschluss ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der auf dem Konto gespeicherten Daten. Aus § 2047 Abs. 2 BGB und § 2373 S. 2 BGB ergibt sich, dass höchstpersönliche Dokumente zur Erbmasse gehören. Demzufolge werden auch höchstpersönliche analoge Dokumente, wie beispielsweise Tagebücher und Briefe vererbt. Es besteht somit kein Grund eine Vererbbarkeit digitaler Inhalte zu verneinen.
  6. d) Ein Verstoß gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht, das sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergibt und dem Schutz des allgemeinen Achtungsanspruchs dient, besteht nicht. Bei einem Eingriff steht den nächsten Angehörigen Unterlassungs- und Widerrufsansprüche zu. Das postmortale Persönlichkeitsrecht begründet aber kein dem Erbrecht vorgehendes Recht der nächsten Angehörigen an den höchstpersönlichen digitalen Inhalten. Ein Verstoß liegt somit nicht vor.
  7. e) Zudem besteht auch kein Verstoß gegen § 88 Abs. 3 TKG. Der Erbe ist nicht „Anderer“ im Sinne der Norm, sondern Beteiligter im Zeitpunkt des Erblassers. Zudem kann der Teilnehmer als schützende Person im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG nur eine lebendige Person sein. Somit ist der Tatbestand der Norm nicht gegeben.
  8. f) Auch das Datenschutzrecht steht einem Anspruch aus dem Vertrag nicht entgegen. Eine Datenverarbeitung ist gerade erforderlich, um das berechtigte Interesse der Erben zu erfüllen. Die Interessen der Erben sind von deutlich höherem Gewicht und überwiegen gerade gegenüber den Interessen, Grundrechten oder Grundfreiheiten der betroffenen Kommunikationspartner.

Fazit

Den Erben muss die Möglichkeit eingeräumt werden, auf den Inhalt des Kontos zuzugreifen und zwar in der Weise, wie es dem ursprünglichen Kontoberechtigten möglich war. Ausgenommen ist jedoch die aktive Nutzung des Kontos.

(BGH, Urteil vom 12.7.2018 – III ZR 183/17)

Ihre Ansprechpartner:
Matthias Kalthoff
Matthias Kalthoff
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Donat Erbert
Dr. Donat Ebert
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Lena Frescher
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