Die Nießbrauchsbelastung beim Zugewinnausgleich
Der Zugewinnausgleich ist ein zentrales Element des deutschen Familienrechts und dient der gerechten Aufteilung des während der Ehe erworbenen Vermögenszuwachses zwischen den Ehegatten. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, u.a. die Bewertung des Vermögens und die Berücksichtigung von Belastungen wie z.B. Wohnrechten. Die rechtliche Auslegung und Berechnung des Zugewinnausgleichs ist oft komplex und bedarf einer eingehenden Prüfung durch die Gerichte.
Was ist geschehen?
Die Beteiligten stritten über den Zugewinnausgleich, wobei es im Beschwerdeverfahren nur noch um die Berücksichtigung eines Wohnrechts bei der Wertermittlung der Immobilie und die Verzinsung der Zugewinnausgleichsforderung ging. Die Antragstellerin (Ast.) war seit 1991 mit dem 2017 verstorbenen Vater des Antragsgegners (Ag.) verheiratet. Der Erblasser war Alleineigentümer eines Mehrfamilienhauses, das ihm zunächst zur Hälfte gehörte und später im Wege der Erbauseinandersetzung vollständig in sein Eigentum überging.[1]
Das Wohnrecht der Mutter des Verstorbenen
Ein wesentlicher Streitpunkt war die Berücksichtigung des Wohnrechts der 2012 verstorbenen Mutter des Erblassers. Die Ast. argumentierte, dass das Wohnrecht zum Zeitpunkt der Schenkung wertmindernd zu berücksichtigen sei. Die Ag. hielten dem entgegen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Wertsteigerung einer Immobilie durch das Erlöschen eines Wohnrechts nicht in den Zugewinnausgleich einfließe.
Berechnung bei einem Wohnrecht der Immobilie
Der Bundesgerichtshof hat sich mit dem Zugewinnausgleich befasst, bei dem auch ein Grundstück mit einem Nießbrauchsrecht belastet war. Der BGH führte aus:
„Die Werterhöhung des Nießbrauchs beruht jedoch allein auf einer außerordentlichen Wertsteigerung, die das Hausgrundstück bis zum Ende der Ehezeit erfahren hat. Diese Wertveränderung ist kein gleitender Vermögenserwerb und wird deshalb von § 1374 Abs. 2 BGB nicht erfasst. Sie stellt sich als Belastung des Hausgrundstücks dar, die dessen Wert mindert und deshalb bei der Berechnung des Endvermögens zu berücksichtigen ist."
Steigt der Wert des Grundstücks, erhöht sich "anteilig" auch die Belastung mit dem Nießbrauch. Diese Wertsteigerung der Nießbrauchslast ist aber - so der BGH - kein privilegierter Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB und kann daher nicht dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden.“[2]
Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Wert des Nießbrauchs nicht durch die gesunkene Lebenserwartung, sondern durch die Wertentwicklung des Grundstücks während der Ehezeit gestiegen wäre. In diesem Fall wäre der jeweilige Wert des Nießbrauchs sowohl im Anfangs- als auch im Endvermögen zu berücksichtigen, da andernfalls der Zugewinn zu hoch ausfallen würde. Der höhere Wert ergebe sich dann aus der erheblichen Wertsteigerung des Grundstücks und nicht aus der Schenkung, die lediglich die in den Zugewinnausgleich einzubeziehende Wertsteigerung begrenze.[3]
Die Ag. legten am 11.12.2023 Beschwerde ein und machten erneut geltend, dass das Wohnrecht der Mutter bei der Berechnung des Wertes der Immobilie nicht zu berücksichtigen sei. Ohne Berücksichtigung des Wohnrechts ergebe sich ein anderer Zugewinnausgleichsbetrag. Die Ast. verteidigte die erstinstanzliche Entscheidung und legte auch Beschwerde wegen der Verzinsung der Forderung ein.
Der Zugewinnausgleich bei einer Immobilie
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass das Wohnrecht der Mutter bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs nicht wertmindernd zu berücksichtigen ist, da es zum Stichtag 2017 nicht mehr bestand. Die Zugewinnausgleichsforderung reduzierte sich daher auf 29.888,90 EUR. Hinsichtlich der Verzinsung stellte das Gericht klar, dass gemäß § 291 BGB der gesamte geschuldete Betrag ab Rechtshängigkeit zu verzinsen sei.
Das Gericht folgte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Wertsteigerung eines Grundstücks durch den Wegfall eines Nießbrauchs oder eines Wohnrechts nicht dem Zugewinnausgleich unterliege. Die Situation sei nicht mit der eines Darlehens vergleichbar, da dessen Rückzahlung eine ausgleichspflichtige Vermögensmehrung darstelle, der Wegfall eines Wohnrechts hingegen nicht.
• Wohnrechte und Nießbrauch genau prüfen:
Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs ist entscheidend, ob en Wohnrecht oder Nießbrauch noch zum maßgeblichen Stichtag existierte. Erloschene Rechte werden nicht wertmindernd berücksichtigt.
• Berücksichtigung des Wohnrechts im Zugewinnausgleich:
Ist der Inhaber des Wohnrechts zum Stichtag des Endvermögens verstorben, kann auf die Berücksichtigung des Wohnrechts im Anfangs- und Endvermögen verzichtet werden.
• Verzinsung von Zugewinnausgleichsansprüchen beachten:
Ab Rechtshängigkeit einer Forderung kann eine Verzinsung gemäß § 291 BGB verlangt werden. Dies sollte in Streitfällen frühzeitig geprüft und einkalkuliert werden.
Quellen
[1] OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 02.07.2024-6 UF 213/23
[2] BGH, Urt. v. 06.05.2015-XII ZB 306/14
[3] https://www.haufe.de/recht/deutsches-anwalt-office-premium/niessbrauch-und-wohnrecht-als-grundstuecksbelastungen-ii-ausnahmefall-erhoehung-der-niessbrauchbelastung-waehrend-der-ehe_idesk_PI17574_HI11639197.html#:~:text=Berechnung%20des%20Zugewinns&text=Ist%20ei
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