Warum nicht jedes unrechtmäßig erlangte Geld steuerpflichtig ist – und welche Folgen das haben kann
Was passiert, wenn jemand durch Untreue oder Unterschlagung Geld erhält? Muss er es versteuern? Oder bleibt es – trotz strafrechtlicher Relevanz – steuerfrei? Genau diese Fragen standen im Mittelpunkt eines aktuellen Urteils des Finanzgerichts Schleswig-Holstein. Der Fall ist spektakulär: Ein Geschäftsführer veranlasste Zahlungen aus dem Firmenvermögen, um Aufträge zu sichern, und ließ sich anschließend Teile des Geldes zurücküberweisen. Das Finanzamt sah darin steuerpflichtige Einkünfte – doch das Gericht entschied anders.
Warum das Urteil weitreichende Folgen für Steuerrecht und Unternehmensführung haben könnte und welche Lehren sich daraus ziehen lassen, erfährst du in diesem Beitrag.
Was ist passiert?
Ein ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG veranlasste über mehrere Jahre hinweg Zahlungen aus dem Unternehmensvermögen an einen Geschäftspartner, um Aufträge für sein Unternehmen zu sichern. Ab einem bestimmten Zeitpunkt erhielt er einen Teil der überwiesenen Gelder zurück. Diese Rückflüsse erfolgten zunächst über das Konto des Geschäftspartners, später über ein eigens eingerichtetes Konto mit zusätzlicher EC-Karte, auf das der Geschäftsführer direkten Zugriff hatte.
Nach seiner Entlassung wurde er im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Rückzahlung eines Teils der Gelder verpflichtet, die er in mehreren Raten beglich. Das Finanzamt behandelte die Rückflüsse aus dem Jahr 2011 als steuerpflichtige Einkünfte und lehnte gleichzeitig eine steuerliche Berücksichtigung der Rückzahlung im Jahr 2019 als negative Einkünfte ab. Gegen diese Steuerbescheide legte der Betroffene Einspruch ein, der zurückgewiesen wurde, woraufhin er Klage vor dem Finanzgericht erhob.
Keine Steuerpflicht für unrechtmäßig erlangte Gelder
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein entschied zugunsten des Klägers und hob den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 insoweit auf, als dass die von ihm erhaltenen Geldbeträge nicht als steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln sind. Gleichzeitig musste über die steuerliche Berücksichtigung der Rückzahlung im Jahr 2019 nicht mehr entschieden werden, da bereits die Hauptfrage – die Steuerbarkeit der Zahlungen – zugunsten des Klägers beantwortet wurde.
Begründung der Entscheidung
- Keine Steuerbarkeit der erhaltenen Zahlungen
Das Gericht stellte fest, dass die erhaltenen Rückflüsse nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen und daher nicht der Einkommensteuer unterliegen. Maßgeblich war dabei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach durch Unterschlagung oder Untreue erlangte Gelder regelmäßig nicht als steuerbare Einkünfte gelten, sondern als nicht steuerbare Vermögensmehrungen zu behandeln sind. - Abgrenzung zu sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG
Nach § 22 Nr. 3 EStG unterliegen Einkünfte aus Leistungen der Einkommensteuer, wenn sie nicht zu einer anderen Einkunftsart gehören. Eine „Leistung“ in diesem Sinne erfordert jedoch, dass eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht wird, die das Entgelt auslöst. Das Gericht stellte klar, dass die Zahlungen an den Kläger keine solche Gegenleistung darstellten, sondern lediglich eine interne Aufteilung der veruntreuten Gelder, die bereits aus dem Unternehmensvermögen abgezweigt worden waren. Damit war keine steuerbare Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG gegeben. - Kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Erhalt der Gelder und einer eigenständigen Leistung des Klägers
Das Finanzgericht betonte, dass es für die steuerliche Beurteilung keinen Unterschied machen kann, ob jemand zunächst durch Untreuehandlungen selbst in den Besitz veruntreuter Gelder kommt und diese anschließend für Bestechungszwecke einsetzt oder ob er die Auszahlung an eine andere Person veranlasst, um sich dann später einen Teil davon zurückzuholen. In beiden Fällen handelt es sich um die Aufteilung von zuvor unrechtmäßig abgezweigten Mitteln und nicht um eine wirtschaftliche Gegenleistung. - Keine Einstufung als gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 EStG
Das Finanzamt hatte argumentiert, dass eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen könnte, da es sich um wiederholte Zahlungen handelte und mehrere Personen in die Vorgänge involviert waren. Das Gericht wies diesen Ansatz jedoch zurück, da keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erkennbar war. Eine solche würde voraussetzen, dass eine Leistung am Markt angeboten wird, was hier nicht der Fall war. - Folgen der Entscheidung für den Veranlagungszeitraum 2019
Da das Gericht bereits feststellte, dass die ursprünglichen Rückflüsse nicht steuerbar waren, entfiel auch die Notwendigkeit, über die Berücksichtigung der Rückzahlungen im Jahr 2019 zu entscheiden. Eine Korrektur der Einkünfte durch negative Einnahmen oder Werbungskosten war nicht erforderlich, da von Anfang an keine steuerpflichtigen Einkünfte vorlagen.
Steuerliche Grenzen bei unrechtmäßig erlangtem Geld
Das Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein hat eine bedeutende Klarstellung im Steuerrecht vorgenommen, indem es bestätigt, dass durch Untreue oder Unterschlagung erlangte Gelder grundsätzlich keine steuerbaren Einkünfte darstellen. Die Entscheidung knüpft an die bestehende Rechtsprechung an, wonach unrechtmäßig erlangte Vermögensvorteile nicht in den steuerlichen Einkünftebegriff fallen, da sie keine wirtschaftliche Gegenleistung für eine erbrachte Leistung darstellen. Dies ist insbesondere für Fälle von Unternehmenskriminalität und Korruptionsdelikten relevant, bei denen Gelder zwischen Beteiligten weitergegeben werden. Das Gericht stellte zudem klar, dass es steuerrechtlich keinen Unterschied macht, ob der Täter direkt über die veruntreuten Gelder verfügt oder ob sie zunächst an Dritte ausgezahlt und dann teilweise zurückgeführt werden. Diese Entscheidung schützt Steuerpflichtige vor einer unzulässigen Doppelbelastung, indem sie verhindert, dass sowohl die strafrechtliche Rückforderung als auch eine steuerliche Belastung der unrechtmäßig erlangten Gelder erfolgt. Sie trägt somit zur Rechtssicherheit bei und setzt eine deutliche Grenze zwischen steuerbaren Einkünften und nicht steuerbaren Vermögensmehrungen, die aus strafbarem Verhalten resultieren.
1. Unterschlagene oder veruntreute Gelder sind kein steuerpflichtiges Einkommen
Wer sich unrechtmäßig Vermögen aneignet, erzielt in der Regel keine steuerbaren Einkünfte. Solche Beträge fallen nicht unter eine der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes.
2. Bestechungszahlungen können steuerliche Folgen haben
Wer sich durch illegale Zahlungen Vorteile verschafft oder solche Zahlungen entgegennimmt, muss mit einer steuerlichen Einordnung als sonstige Einkünfte rechnen. Die genaue Abgrenzung ist entscheidend.
3. Rückzahlungen haben nicht automatisch steuermindernde Wirkung
Eine spätere Rückzahlung veruntreuter Gelder kann steuerlich nicht immer als negative Einkünfte geltend gemacht werden. Entscheidend ist, ob ein direkter wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.
4. Transparenz kann steuerliche Risiken verringern
Unternehmen und Einzelpersonen sollten sicherstellen, dass alle finanziellen Transaktionen nachvollziehbar sind. Eine frühzeitige steuerliche Beratung kann helfen, spätere Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden zu vermeiden.
Quellen
https://www.iww.de/pstr/urteilsbesprechungen-steuerstrafrecht/unterschlagunguntreue-einnahmen-aus-unterschlagung-oder-untreue-sind-nicht-steuerbar-f165464 / FG Schleswig-Holstein 2.5.24, 4 K 84/23