Testamentsanfechtung wegen Übergehung eines spätgeborenen Pflichtteilsberechtigten

Rechtliche Prüfung der Testamentsanfechtung In Erbfällen, in denen das Testament oder die letztwillige Verfügung angefochten wird, stellen sich oft komplexe rechtliche Fragen, insbesondere wenn es um die Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen...

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Rechtliche Prüfung der Testamentsanfechtung

In Erbfällen, in denen das Testament oder die letztwillige Verfügung angefochten wird, stellen sich oft komplexe rechtliche Fragen, insbesondere wenn es um die Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen geht. Eine besondere Herausforderung kann dabei der Anspruch von spätgeborenen Kindern auf ihren Pflichtteil sein, wenn sie im Testament nicht berücksichtigt wurden. Der vorliegende Fall behandelt die Anfechtung eines Testaments, das die erbrechtlichen Rechte eines solchen Pflichtteilsberechtigten vernachlässigte

Anfechtung des Testaments durch ein spätgeborenes Kind

Der unverheiratete Erblasser (E) starb 2023. Die Antragstellerin (Ast.) war seine Lebensgefährtin, und die Antragsgegnerin (Ag.) seine Tochter. E hatte der Ast. in einem Testament von 1994 einen Miteigentumsanteil an einer Wohnung vermacht. Nach E’s Tod forderte die Ast. die Ag. zur Erfüllung des Vermächtnisses auf, woraufhin die Ag. das Testament anfocht.

Die Ast. beantragte eine einstweilige Verfügung, um ihren Anspruch zu sichern, und erhob Klage auf Erfüllung des Vermächtnisses. Das Landgericht wies den Antrag ab, da der Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht wurde. Die Ast. legte Beschwerde ein und argumentierte, dass E trotz der Pflichtteilsberechtigung der Ag. das Vermächtnis zugunsten der Ast. bestimmt hätte.[1]

Pflichtteilsanspruch und der Ausschluss von spätgeborenen Kindern

Ein zentrales Thema dieses Falls ist der Pflichtteilsanspruch des spätgeborenen Kindes, das nicht im Testament des Erblassers berücksichtigt wurde. Gemäß § 2079 S. 1 BGB ist eine Anfechtung zulässig, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergegangen hat. Im vorliegenden Fall führt die Tatsache, dass das Kind erst nach dem Erbfall geboren wurde, zu rechtlichen Unsicherheiten und einer genaueren Prüfung des Testaments.

Dies ist ein klassischer Anwendungsfall des § 2079 BGB. Eine Anfechtung nach § 2079 Satz 1 BGB wegen der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten aus dem engen Kreis der Nachkommen und des Ehepartners oder eingetragenen Lebenspartners ist darauf ausgerichtet, den typischen familiären Bindungen des Erblassers Rechnung zu tragen. Zu diesen nahestehenden Personen zählen auch gegebenenfalls seine Eltern. Wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Kenntnis von der späteren Existenz eines Abkömmlings hat, hat er im Zweifelsfall nur für die bereits existierenden Abkömmlinge, den Ehepartner oder seine Eltern verfügt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Existenz eines neuen Abkömmlings, der zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht bekannt war, aber rechtlich als Pflichtteilsberechtigter gilt.

Ausnahme der Anfechtung des Testaments

Die Anfechtung kann gemäß § 2079 S. 2 BGB ausgeschlossen sein, wenn ein entgegenstehender Erblasserwille festgestellt werden kann. Folglich ist das Testament gültig, wenn bei der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung die Verfügung so getroffen haben würde. So kann zur Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens auch der Umstand herangezogen werden, dass der Erblasser das Testament „geflissentlich“, also absichtlich hat weiter bestehen lassen, nach Kenntnis vom Erbrecht des Pflichtteilsberechtigten.[2] Die Beweislast für einen von der gesetzlichen Vermutung des § 2079S. 1 BGB abweichenden realen oder hypothetischen Erblasserwillen trägt danach derjenige, der sich auf die Gültigkeit der Verfügung beruft, also der Anfechtungsgegner.

Bei einer erfolgreichen Anfechtung hat diese nach § 2079 S. 1 BGB grundsätzlich die rückwirkende Gesamtnichtigkeit des Testaments gem. § 142 Abs. 1 BGB zur Folge.

Anfechtung nach § 2079 S. 1 BGB Die Ast. konnte im Beschwerdeverfahren die Vermutung des § 2079 S. 1 BGB nicht widerlegen, dass E das Testament auch bei Kenntnis der späteren Umstände gleich verfasst hätte. Sie führte lediglich aus, dass die Trennung 2009 nicht wegen des Verhältnisses von E zur Mutter der Ag. und deren Geburt erfolgte und dass sie und E weiterhin freundschaftlich verbunden waren. Diese Argumente belegen jedoch nicht, dass E das Testament trotz der Veränderungen, insbesondere der Geburt der Tochter, weiterhin genauso aufrechterhalten hätte. Es bleibt unklar, ob E das Testament vergessen oder seine Änderung beabsichtigt hatte, ohne es jedoch umzusetzen. Daher gibt es keine Hinweise darauf, dass E das Testament absichtlich weiter bestehen ließ.

Tipp:

Anfechtung nach § 2079 BGB: Grundsätzlich kann ein Testament bei Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2079 S. 1 BGB angefochten werden.
Widerlegung der Vermutung des § 2079 BGB: Die Anfechtung ist nicht zulässig, wenn ein entgegenstehender Erblasserwille begründet werden kann.
Die Beweislast für § 2079 S. 2 BGB: Derjenige, der sich auf die Gültigkeit der Verfügung beruft, trägt die Beweislast.

Quellen


[1] OLG München, Beschl. v. 19.9.2024 – 33 W 1507/24 e

[2] OLG Düsseldorf v. 6.11.1998 – 7 U 42/98

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