
OLG München bestätigt Wirksamkeit einer ungewöhnlichen Enterbungsklausel
Die Enterbung innerhalb der Familie gehört zu den emotional und rechtlich anspruchsvollsten Themen im Erbrecht. Sie stellt nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine persönliche und familiäre Belastung dar. Konflikte über den Nachlass können das familiäre Verhältnis nachhaltig belasten und führen nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Im folgenden Beitrag wird ein konkreter Fall behandelt, in dem der Erblasser seinen Sohn enterben wollte, falls dieser seine Lebensgefährtin heiraten sollte.[1]
Was ist geschehen?
Der Erblasser, ein erfolgreicher Gastronom und Hotelier, verstarb 2022. Er war dreimal verheiratet und hatte Kinder aus seinen ersten beiden Ehen: den Beteiligten zu 1 (Bet. zu 1) und einen vorverstorbenen Sohn aus der ersten Ehe sowie den Beteiligten zu 2 (Bet. zu 2) aus der zweiten Ehe.
Am 19.10.2016 erstellte der Erblasser ein handschriftliches Testament, in dem er die beiden Kinder (Bet. zu 1 und Bet. zu 2) jeweils zur Hälfte als Erben einsetzte.
Auf der letzten Seite des Testaments hieß es: „Sollte mein Sohn A (= der Bet. zu 1) seine Lebensgefährtin (…) (C L) heiraten, wird er enterbt.“ Bet. zu 1 heiratete C. L. im Jahr 2018.
Die Klausel zur Enterbung zulässig
Nach dem Tod des Erblassers beantragte Bet. zu 2 am 17.01.2023 einen Erbschein. Das Amtsgericht Rosenheim wies den Antrag zurück. Nachlassgericht Rosenheim wies den Antrag zunächst zurück, was auf Beschwerde des Antragstellers durch das Oberlandesgericht (OLG) München revidiert wurde. Das OLG entschied, dass die Klausel nicht sittenwidrig sei und die Testierfreiheit des Erblassers gemäß Art. 14 GG Vorrang vor der Eheschließungsfreiheit des Bedachten nach Art. 6 GG habe. Dem Nachlassgericht wurde daher die Erteilung des beantragten Erbscheins aufgegeben.
Enterbung durch Art. 14 GG geschützt
Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Enterbungsklausel nicht sittenwidrig ist. Die Klausel beeinträchtigt zwar theoretisch die Eheschließungsfreiheit von Bet. zu 1 (Art. 6 GG), steht jedoch im Einklang mit der durch Art. 14 GG geschützten Testierfreiheit des Erblassers. Das Gericht betonte, dass Bedingungen in Testamenten, die Verhaltensweisen der Bedachten betreffen, grundsätzlich nicht sittenwidrig sind, solange sie keinen unzumutbaren Druck auf die Entscheidungsfreiheit ausüben. Im vorliegenden Fall sei der potenzielle Erbe durch die Klausel nicht unzulässig beeinträchtigt worden, da er über seinen Pflichtteil hinaus keine gesicherte Rechtsposition hatte und die Klausel keinen erheblichen Druck erzeugte. Zudem sei die Bedingung durch das legitime Interesse des Erblassers gerechtfertigt, den Einfluss einer bestimmten Person auf seinen Betrieb zu verhindern.
- Geringer Druck: Der Einfluss der Klausel auf Bet. zu 1 war minimal, da der Erblasser jederzeit sein Testament hätte ändern können.
- Pflichtteil bleibt erhalten: Bet. zu 1 bleibt pflichtteilsberechtigt, was eine wesentliche wirtschaftliche Absicherung darstellt.
- Lebenswerk des Erblassers: Die Klausel sollte den Einfluss der Ehefrau von Bet. zu 1 auf den Betrieb des Erblassers verhindern und dessen Lebenswerk schützen.
Enterbung- das müssen Sie beachten Bei einer Enterbung wird eine Person durch eine testamentarische Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen und so behandelt, als würde er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr leben.[2] Der Pflichtteilsanspruch bleibt jedoch bestehen und dessen Entziehung ist nur bei bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die Enterbung muss nicht begründet werden. Die Enterbung kann auch mit einer Bedingung versehen werden, jedoch ist hier die Formulierung entscheidend und muss hinreichend bestimmt sein. Die Grenzen bei der Enterbung finden sich in der Sittenwidrigkeit.[3] Ein besonderes beliebtes Beispiel ist der Großvater der seine Enkel die Bedingung hatte dass die Enkel den Großvater regelmäßig und mindestens sechsmal im Jahr besuchen.
• Testierfreiheit hat Vorrang: Die Testierfreiheit umfasst auch die Enterbung des Kindes, wenn dieser seine Lebensgefährtin heiratet. Die Eheschließungsfreiheit tritt hinter die Testierfreiheit, wenn sie keine unzumutbare Belastung oder übermäßigen Druck ausüben.
• Kein rechtlich erheblicher Druck: Die Klausel wurde als rechtlich zulässig erachtet, da sie keinen unzumutbaren wirtschaftlichen oder persönlichen Zwang auf den Erben ausgeübt hat.
• Abwägung der Interessen im Einzelfall: Die Enterbung findet in bestimmten Fällen seine Grenzen. Die Klausel darf insbesondere nicht sittenwidrig sein.
Quellen
[1] OLG München Beschluss vom 23.9.2024 – 33 Wx 325/23
[2] https://www.erbrecht.de/nachlass-planen/enterbung/
[3] Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 20 W 98/18)