Warum die Justiz das Urteil kippt und welche Folgen gefälschte Daten für das Strafmaß haben können
Ein Unternehmer manipulierte systematisch die Umsätze seiner Spielhallen – und tappte schließlich in die Falle. Die Justiz nahm den Fall genau unter die Lupe und klärte eine brisante Frage: Reicht Steuerhinterziehung allein oder kommt eine weitere Strafbarkeit hinzu?
Das Urteil setzt ein deutliches Signal und könnte weitreichende Folgen für ähnliche Fälle haben. Warum die Entscheidung besonders brisant ist und welche Lehren sich daraus ziehen lassen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was ist passiert?
Ein Unternehmer, der mehrere Spielhallen betrieb, manipulierte über Jahre hinweg die Umsätze seiner Geldspielautomaten. Mithilfe eines speziellen Geräts veränderte er die gespeicherten Einspielergebnisse der Automaten, sodass in den Steuererklärungen niedrigere Umsätze als tatsächlich erzielt angegeben wurden. Die manipulierten Daten leitete er über seine Ehefrau, die für die Buchhaltung zuständig war, an den Steuerberater weiter, der die Unregelmäßigkeiten nicht erkannte.
Durch diese Methode hinterzog der Unternehmer zwischen 2015 und 2020 insgesamt über 730.000 Euro an Steuern, darunter Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Als die Manipulationen aufgedeckt wurden, verurteilte das Landgericht ihn wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, seine Ehefrau wurde wegen Beihilfe in 16 Fällen belangt. Die Strafen umfassten Freiheitsstrafen von zwei Jahren und vier Monaten für den Haupttäter sowie zwei Jahren auf Bewährung für die Ehefrau.
Das Landgericht stellte zudem fest, dass die Steuerhinterziehung für bestimmte Jahre bereits verjährt war und wendete nicht das erhöhte Strafmaß gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO an, da es die Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege nicht ausreichend nachgewiesen sah.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten legten Revision gegen das Urteil ein. Die Staatsanwaltschaft wollte eine Verurteilung wegen weiterer Delikte, insbesondere Fälschung technischer Aufzeichnungen gemäß § 268 StGB, sowie eine schärfere Bestrafung.
Steuerhinterziehung durch Manipulation: Warum der BGH eine Neubewertung fordert
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Landgerichts Saarbrücken teilweise aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer zurückverwiesen. Gleichzeitig bestätigte er jedoch die Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung und die festgestellten Hinterziehungsbeträge.
- Fehlerhafte konkurrenzrechtliche Bewertung
Der BGH stellte fest, dass das Landgericht die Anzahl der selbstständigen Steuerhinterziehungsfälle falsch bewertet hatte. Nach Ansicht des BGH hätte das Gericht nicht 17 Einzeltaten annehmen dürfen, sondern nur sechs selbstständige Fälle, da die Manipulation der Steuererklärungen für zusammenhängende Zeiträume als eine einheitliche Tat zu werten war. Dadurch hätte sich die Strafe für den Hauptangeklagten potenziell anders bemessen können.
- Verfahrensfehler und Verjährung
Das Landgericht hatte für bestimmte Jahre eine Verjährung der Steuerhinterziehung angenommen und das Verfahren für diese Fälle eingestellt. Der BGH beanstandete dies, da die Verkürzung verschiedener Steuerarten für dieselben Zeiträume in Tateinheit zueinander steht. Eine Teilverjährung einzelner Steuerarten sei daher unzulässig, und das Verfahren hätte nicht eingestellt werden dürfen.
- Verletzung der Kognitionspflicht (§ 264 StPO)
Der BGH rügte, dass das Landgericht es versäumt hatte, den Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Insbesondere hätte geprüft werden müssen, ob der Angeklagte durch die Manipulation der Einspielergebnisse der Geldspielautomaten auch den Straftatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) erfüllt hat. Die Steuerhinterziehung wurde nämlich unter Verwendung manipulierter technischer Belege begangen, was als eigenständiges Delikt hätte berücksichtigt werden müssen.
- Unzureichende Begründung für die Strafzumessung
Die Staatsanwaltschaft hatte beanstandet, dass das Landgericht den strafverschärfenden Tatbestand des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO (Verwendung gefälschter Belege zur Steuerhinterziehung) nicht angewandt hatte. Der BGH bestätigte zwar, dass diese Vorschrift nicht ohne Weiteres anwendbar sei, kritisierte aber, dass das Gericht die Frage nicht ausreichend geprüft und begründet hatte.
- Auswirkungen der Entscheidung
- Das Verfahren wird neu aufgerollt, wobei das neue Landgericht insbesondere die Konkurrenzbewertung und die Frage der Fälschung technischer Aufzeichnungen genauer prüfen muss.
- Die bereits festgestellten Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung sowie die berechneten Hinterziehungsbeträge bleiben unverändert bestehen.
- Die Aufhebung des Urteils könnte sich auf das endgültige Strafmaß auswirken, da die Anzahl der strafbaren Einzelakte nun neu bewertet wird.
Manipulation enttarnt: Wenn gefälschte Daten steuerliche und strafrechtliche Folgen haben
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) verdeutlicht die hohen Anforderungen an die strafrechtliche Aufarbeitung von Steuerhinterziehung und unterstreicht die enge Verzahnung von Steuer- und Strafrecht. Besonders bedeutsam ist die Entscheidung in Bezug auf die Manipulation technischer Aufzeichnungen: Sie kann nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als eigenständiges Delikt nach § 268 StGB gewertet werden.
Darüber hinaus stärkt das Urteil die rechtsstaatlichen Grundsätze, indem es betont, dass Gerichte die Kognitionspflicht konsequent wahrnehmen müssen – also alle in Betracht kommenden Straftatbestände prüfen und bewerten müssen. Diese Klarstellung könnte dazu führen, dass Steuerstrafverfahren künftig noch gründlicher geführt werden und Manipulationen in der Buchhaltung oder bei steuerrelevanten Daten strenger verfolgt werden.
Für Unternehmen und Steuerpflichtige bedeutet das Urteil eine erhöhte Sensibilität für die Konsequenzen steuerlicher Manipulationen, während es für die Finanzverwaltung eine Bestätigung ist, dass steuerliche Unregelmäßigkeiten nicht isoliert betrachtet, sondern im Gesamtkontext der Strafbarkeit umfassend gewürdigt werden müssen.
1. Manipulierte Buchhaltungsdaten können gravierende Konsequenzen haben
Wer Steuererklärungen mit verfälschten Umsatzzahlen einreicht, riskiert nicht nur steuerrechtliche Nachforderungen, sondern auch strafrechtliche Sanktionen – bis hin zur Freiheitsstrafe.
2. Auch Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird bestraft
Wer bewusst an der Verschleierung von Einnahmen mitwirkt – selbst durch administrative Tätigkeiten wie die Vorbereitung von Steuerunterlagen – kann strafrechtlich belangt werden.
3. Verjährung schützt nicht immer vor Strafe
Auch wenn einzelne Steuerstraftaten verjährt sind, kann die Gesamtsachlage zu einer erneuten Prüfung führen. Die Konkurrenzbewertung der Straftaten kann maßgeblich für das Strafmaß sein.
4. Technische Manipulationen hinterlassen Spuren
Der Einsatz von Geräten zur Veränderung von Finanzdaten kann zu zusätzlichen Vorwürfen führen – etwa wegen der Fälschung technischer Aufzeichnungen. Wer solche Methoden nutzt, muss mit umfassenden Ermittlungen rechnen.
Quellen
https://www.iww.de/pstr/quellenmaterial/id/241474/BGH, Urteil vom 06.03.2024, 1 StR 308/23.