Steuerhehlerei und Vermögensabschöpfung: Wie weit darf der Staat gehen?

Illegale Zigarettengeschäfte, hohe Strafen und die Frage der Einziehung Der illegale Handel mit unversteuerten Zigaretten bringt nicht nur erhebliche steuerliche Schäden mit sich, sondern wirft auch komplexe strafrechtliche Fragen auf....

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Illegale Zigarettengeschäfte, hohe Strafen und die Frage der Einziehung

Der illegale Handel mit unversteuerten Zigaretten bringt nicht nur erhebliche steuerliche Schäden mit sich, sondern wirft auch komplexe strafrechtliche Fragen auf. Besonders brisant wird es, wenn es um die finanzielle Abschöpfung der Tatgewinne geht: Welche Vermögenswerte dürfen tatsächlich eingezogen werden?

Ein zentrales Thema in diesem Fall war die Abgrenzung zwischen Tatobjekt und Tatertrag. Während unversteuerte Zigaretten als Tatobjekte klassifiziert werden, stellt sich die Frage, inwieweit daraus erzielte Gewinne als Tatertrag abgeschöpft werden können. Die Diskussion wurde zusätzlich durch eine Verzichtserklärung des Angeklagten über sichergestelltes Bargeld verschärft – doch konnte dies wirklich die Höhe der Einziehungsforderung beeinflussen?

Die Entscheidung in diesem Fall setzt ein wichtiges Signal für zukünftige Verfahren im Wirtschaftsstrafrecht und zeigt, welche Grenzen bei der Vermögensabschöpfung gezogen werden müssen.

Was ist passiert?

Der Täter hat sich durch gewerbsmäßige Steuerhehlerei in 59 Fällen gemäß § 374 Abs. 1 AO strafbar gemacht. Er betrieb über mehrere Jahre einen gewerbsmäßigen Handel mit unversteuerten Zigaretten. Zwischen August 2019 und Januar 2022 erwarb er insgesamt 65.696 Stangen unversteuerter Zigaretten, die er größtenteils gewinnbringend weiterverkaufte. Lediglich 300 Stangen wurden durch die Behörden sichergestellt, während er in zwei Fällen aufgrund minderer Qualität 800 bzw. 3.500 Stangen an seinen Lieferanten zurückgab.

Im September 2021 wurde er bei einer Polizeikontrolle gestoppt. Neben einer kleinen Menge Marihuana fanden die Beamten in seinem Fahrzeug 24.000 Euro Bargeld, das daraufhin sichergestellt wurde. Später erklärte der Mann den Verzicht auf die beschlagnahmten Zigaretten sowie auf „weitere sichergestellte Gegenstände“.

Die Berechnung des erlangten Vermögensvorteils erfolgte auf Basis der nicht sichergestellten Zigaretten, deren Wert pro Stange mit 15 Euro angesetzt wurde. Dabei wurden die 300 sichergestellten Stangen berücksichtigt, die zurückgegebenen Zigaretten jedoch nicht. Ob sich der erklärte Verzicht auch auf das Bargeld erstreckte und ob dieser Betrag die Einziehungsforderung mindern könnte, war unklar und musste noch geklärt werden.

Neubewertung der Einziehungssumme: Die Auswirkungen einer Verzichtserklärung auf Taterträge

Der BGH hob die Einziehungsentscheidung des Landgerichts teilweise auf, soweit die eingezogene Summe 956.940 Euro überstieg. Das Gericht stellte fest, dass die Vorinstanz nicht hinreichend geprüft hatte, ob die Verzichtserklärung des Angeklagten auf sichergestelltes Bargeld eine teilweise Erfüllung der Einziehungsforderung bewirkt haben könnte.

Begründung:

  1. Unzureichende Prüfung der Verzichtserklärung

    • Der Angeklagte hatte auf die Rückgabe des sichergestellten Bargelds (24.000 Euro) verzichtet.
    • Das Landgericht hätte klären müssen, ob dieser Betrag bereits als Teilerfüllung der Einziehungsforderung anzusehen ist.
    • Falls der Verzicht als Erfüllung gilt, müsste die Einziehungssumme um diesen Betrag reduziert werden.

  1. Differenzierung zwischen Tatobjekt und Tatertrag

    • Der BGH bestätigte die Einziehung des Wertes der unversteuerten Zigaretten als Tatertrag, weil der Angeklagte durch den illegalen Handel wirtschaftliche Vorteile erlangt hatte.
    • Auch die Zigaretten, die später zurückgegeben wurden, fielen unter die Einziehungspflicht, da der Angeklagte bereits tatsächliche Verfügungsgewalt darüber hatte.
    • Der Wert der nicht mehr vorhandenen Zigaretten wurde zu Recht auf Basis des geschätzten Marktpreises ermittelt (§ 73c StGB).

  1. Rechtmäßigkeit der restlichen Einziehungsanordnung

    • Das Landgericht hatte korrekt ermittelt, dass die Einziehung in Höhe von 956.940 Euro zulässig ist.
    • Auch die Fälle, in denen der Angeklagte die Zigaretten aufgrund minderer Qualität zurückgab, änderten nichts an der Einziehungsfähigkeit.

Illegale Zigarettengeschäfte und hohe Strafen: Die Konsequenzen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei

Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat weitreichende Auswirkungen auf die Einziehung von Taterträgen im Bereich der Steuerhehlerei. Es stellt klar, dass bei der Bestimmung des einzuziehenden Wertes zwischen Tatobjekt und Tatertrag unterschieden werden muss. Während das Tatobjekt – hier die unversteuerten Zigaretten – aus strafrechtlicher Sicht nicht dem Täter zugerechnet wird, bleibt der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat, also der erzielte Gewinn oder der erlangte Wert, ein einziehungsfähiger Tatertrag.

Besonders bedeutsam ist die Entscheidung im Hinblick auf die Verzichtserklärung des Angeklagten auf beschlagnahmte Vermögenswerte. Das Gericht hebt hervor, dass ein solcher Verzicht Einfluss auf die Höhe des einzuziehenden Betrages haben kann. Wird durch den Verzicht eine bestimmte Summe bereits dem Staat zugeführt, entfällt insoweit die Grundlage für eine zusätzliche Wertersatzeinziehung. Dieses Urteil bietet eine klare Leitlinie für zukünftige Fälle, in denen die strafrechtliche Einziehung von Vermögenswerten im Raum steht. Es schützt Angeklagte davor, dass ein bereits durch Verzicht erbrachter wirtschaftlicher Verlust doppelt einbezogen wird, stellt aber gleichzeitig sicher, dass kriminell erlangte Gewinne konsequent abgeschöpft werden.

Tipp:

– Kenntnis der strafrechtlichen Konsequenzen
Der Handel mit unversteuerten Waren, insbesondere Zigaretten, stellt eine Straftat dar. Gewerbsmäßige Steuerhehlerei kann hohe Geld- und Freiheitsstrafen nach sich ziehen.
– Unwissenheit schützt nicht vor Strafe
Auch wer nur als Mittelsmann oder Käufer agiert, kann sich strafbar machen. Es ist entscheidend, sich über die Herkunft von Waren zu informieren, um nicht in strafrechtliche Ermittlungen verwickelt zu werden.
– Einziehungsrisiken bei illegalen Geschäften beachten
Strafrechtliche Einziehungen betreffen nicht nur Gewinne, sondern auch Vermögenswerte, die in irgendeiner Weise mit der Tat in Verbindung stehen. Wer illegale Geschäfte tätigt, riskiert, dass Bargeld, Fahrzeuge oder andere Vermögenswerte eingezogen werden.
– Verzichtserklärungen nicht leichtfertig abgeben
Wer gegenüber den Behörden auf sichergestellte Vermögenswerte verzichtet, kann unter Umständen trotzdem für die ursprünglichen Tatgewinne haftbar gemacht werden. Eine rechtliche Beratung vor einer solchen Erklärung ist dringend anzuraten.

Quellen


Bundesgerichtshof: Beschluss vom 14.11.2023 – 1 StR 142/23 / https://www.iww.de/pstr/quellenmaterial/id/239936

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