Kassen manipuliert, Millionen hinterzogen – doch jetzt kommt alles anders

Ein Steuerfall, der eigentlich klar schien, sorgt plötzlich für Wirbel Es klingt nach einem klassischen Fall von Steuerhinterziehung: Ein Restaurantbetreiber manipuliert jahrelang seine Kassen, gibt falsche Steuererklärungen ab und entzieht...

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Ein Steuerfall, der eigentlich klar schien, sorgt plötzlich für Wirbel

Es klingt nach einem klassischen Fall von Steuerhinterziehung: Ein Restaurantbetreiber manipuliert jahrelang seine Kassen, gibt falsche Steuererklärungen ab und entzieht dem Staat Millionen. Das Landgericht Kassel sprach eine deutliche Strafe aus – doch jetzt wird alles infrage gestellt. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Der Grund? Fehlerhafte Berechnungen und fehlende Klarheit bei der Ermittlung der Steuerschuld. Was genau lief schief, und welche Folgen könnte das haben?

Was ist passiert?

Ein Gastronom betrieb seit 2012 eine Pizzeria, erst als reiner Lieferdienst, später mit Gaststätte und Biergarten. Um Steuern zu sparen, manipulierte er sein Kassensystem: Ein Drittprogramm löschte gezielt Bareinnahmen, sodass sie in den Steuererklärungen nicht auftauchten. Zudem reichte er nicht alle Wareneinkaufsrechnungen beim Steuerberater ein, um geringere Gewinne auszuweisen. Dadurch zahlte er zwischen 2013 und 2017 zu wenig Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer.

Das Landgericht Kassel verurteilte ihn deshalb wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zudem ordnete es die Einziehung der hinterzogenen Beträge an. Doch der Gastronom wehrte sich – mit Erfolg.

 

BGH korrigiert Steuerurteil – Neue Verhandlung wegen Berechnungsfehlern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des Landgerichts Kassel teilweise auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer. Während der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen bestehen blieb, wurden der Strafausspruch und die Einziehungsentscheidung für fehlerhaft befunden.

  1. Fehlerhafte Berechnung des Steuerverkürzungsbetrags

Der BGH stellte fest, dass das Landgericht den hinterzogenen Steuerbetrag nicht korrekt ermittelt hatte.

  • Es blieb unklar, welche Gewinnermittlungsmethode der Angeklagte tatsächlich angewandt hatte – ob eine Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder ein Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG).
  • Dies ist entscheidend, da die Gewinnermittlung Auswirkungen darauf hat, wann und in welchem Umfang die hinterzogene Umsatzsteuer den Gewinn und damit die Einkommen- und Gewerbesteuer beeinflusst.
  1. Falsche Schätzungsmethoden bei der Umsatzsteuer

Das Landgericht hatte angenommen, dass die nicht gemeldeten Umsätze zuzüglich Umsatzsteuer ermittelt werden müssten, anstatt die tatsächlich vereinnahmten Entgelte als Bruttobeträge zu behandeln und die Umsatzsteuer herauszurechnen.

  • Der BGH stellte klar, dass Umsatzsteuern nach § 10 Abs. 1 UStG stets aus den erzielten Entgelten herauszurechnen sind (Nettoberechnung).
  • Durch die falsche Berechnung wurde die Steuerverkürzung zu hoch angesetzt, was sich unmittelbar auf die Höhe der Strafe auswirkte.
  1. Auswirkungen auf die Strafzumessung

Da die Höhe der Steuerverkürzung ein zentraler Faktor bei der Bemessung der Strafe ist, konnte der BGH nicht ausschließen, dass das Landgericht zu ungunsten des Angeklagten eine zu hohe Strafe verhängt hatte.

  • Die Strafzumessung musste daher neu vorgenommen werden, da die tatsächliche Steuerverkürzung möglicherweise geringer war als angenommen.
  1. Fehlerhafte Einziehungsentscheidung

Neben der Freiheitsstrafe hatte das Landgericht auch die Einziehung von Taterträgen angeordnet.

  • Da die fehlerhaften Berechnungen auch die Höhe des mutmaßlich unrechtmäßig erlangten Betrags beeinflussten, musste auch die Einziehungsentscheidung aufgehoben werden.
  • Nur die Feststellungen zu den Umsätzen blieben bestehen.

 Strengere Anforderungen an Beweisführung und Schätzmethoden

Die Entscheidung des BGH hat eine weitreichende Bedeutung für zukünftige Steuerstrafverfahren, insbesondere in Fällen, in denen Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer präzisen und nachvollziehbaren Berechnung des Steuerschadens und stellt klar, dass Gerichte dabei keine methodischen Fehler machen dürfen. Die Entscheidung betont zudem, dass das Wahlrecht zur Gewinnermittlung korrekt berücksichtigt werden muss, da es erhebliche Auswirkungen auf die Steuerbemessung hat. Darüber hinaus stärkt die Entscheidung  die Rechte von Angeklagten, indem es sicherstellt, dass Schätzungen nicht zu ihren Lasten erfolgen dürfen und dass Unsicherheiten in der Beweisführung zu ihren Gunsten ausgelegt werden müssen. Dies könnte sich vor allem für Unternehmen und Selbstständige auswirken, die steuerliche Optimierungsmodelle nutzen, aber bei der Dokumentation und Erklärung ihrer Umsätze besonders sorgfältig vorgehen müssen.

Tipp:

1. Lückenlose Buchführung schützt vor Problemen
o Manipulationen an Kassensystemen oder unvollständige Buchführungen können zu schwerwiegenden steuerlichen Konsequenzen führen.
o Eine transparente und nachvollziehbare Dokumentation aller Einnahmen und Ausgaben ist essenziell, um Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden.

2. Steuerschätzungen müssen nachvollziehbar sein
o Finanzämter und Gerichte dürfen Schätzmethoden anwenden, wenn Besteuerungsgrundlagen unklar sind – diese müssen jedoch fundiert und nachvollziehbar sein.
o Unternehmer sollten sich frühzeitig über gängige Berechnungsmethoden informieren, um sich im Falle einer Schätzung besser verteidigen zu können.

3. Strafverfahren erfordern eine präzise Beweisführung
o Unzureichende Feststellungen zu steuerlichen Pflichten können zur Aufhebung eines Urteils führen.
o Gerade bei komplexen Steuerstrafverfahren ist eine detaillierte und gerichtsfeste Dokumentation entscheidend.

4. Steuerliche Gestaltung frühzeitig prüfen lassen
o Unternehmen sollten sich regelmäßig steuerlich beraten lassen, um sicherzustellen, dass ihre Gewinnermittlung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
o Besonders in Branchen mit hoher Bargeldnutzung, wie der Gastronomie, sind Kassensysteme ein häufiger Prüfpunkt der Finanzbehörden.

Quellen


Beschluss vom 05.09.2023 - 1 StR 207/23; https://www.iww.de/pstr/urteilsbesprechungen-steuerstrafrecht/rechtsprechungsuebersicht-das-sind-die-wichtigsten-bgh-entscheidungen-zum-steuerstrafrecht-aus-2023-f162977

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