OLG Frankfurt klärt Streit um Befugnisse des Nachlasspflegers und Zuständigkeit des Gerichts
In der vorliegenden Entscheidung befasst sich das Gericht mit Fragen der Nachlasspflegschaft und der internationalen Zuständigkeit im Zusammenhang mit dem Erbfall eines US-amerikanischen Staatsangehörigen. Im Mittelpunkt stehen die Abgrenzung der Befugnisse des Nachlasspflegers sowie die Rechte und Interessen der Erben. Die Entscheidung befasst sich insbesondere mit dem Umfang der Nachlasspflegschaft und deren Auswirkungen auf die Nachlassverwaltung. Dabei werden sowohl erbrechtliche Grundsätze als auch internationale Aspekte berücksichtigt.
Was ist geschehen?
Ein in den USA lebender Erblasser mit früherem Wohnsitz in Deutschland hinterließ kein Testament. Nach gesetzlicher Erbfolge wurde ein gemeinschaftlicher Teilerbschein für mütterliche Verwandte ausgestellt, während die väterlichen Erben unbekannt blieben. Für deren Erbanteil ordnete das Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft an gemäß § 1960 BGB. Die Erben mütterlicherseits legten Beschwerde ein, da der Nachlasspfleger offenbar über den ihm zugewiesenen Teil hinaus agierte, indem er z. B. Hausverbote erteilte, Kontoverfügungen blockierte und Schlüssel herausverlangte, die die Erben mütterlicherseits aufbewahrt haben.
Die Beteiligten streiten über die Befugnisse des Nachlasspflegers und die Notwendigkeit seiner Bestellung. [1]
Die Anordnung eines Nachlasspflegers
Die Handlungen des Nachlasspflegers wurden damit begründet, dass eine Ausübung der Verfügungsmacht über eine halbe Vermögensmasse rechtlich und tatsächlich nur in einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 747 BGB möglich ist, die Erbengemeinschaft aber eine Gesamthandsgemeinschaft ist. Die Einschränkung der Verfügungsbefugnis auf ½ würde auch zur Handlungsunfähigkeit des Nachlasspflegers führen.
Die bekannten Erben haben durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Einspruch eingelegt: Eine über die bloße Nachlassverwaltung für die Miterben väterlicherseits hinausgehende „Sicherung“ des gesamten Nachlasses sei nicht erforderlich.
Die Erben hatten mit ihrer Beschwerde Erfolg: Die Bestellung des Nachlasspflegers sei nur auf die Vertretung der unbekannten Erben väterlicherseits und deren Hälfte des Nachlasses beschränkt gewesen. Die ursprüngliche Formulierung erwecke fälschlicherweise den Eindruck, der Nachlasspfleger könne den gesamten Nachlass verwalten, was nicht der Rechtslage entspreche. Die Nachlasspflegschaft dient lediglich der Vertretung unbekannter Erben und räumt dem Pfleger keine weitergehenden Verwaltungs- oder Verfügungsrechte ein. Diese stehen dem Nachlasspfleger zu, wenn er von den bekannten Erben hierzu ermächtigt wird oder die Voraussetzungen des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB vorliegen.
Eine Erstreckung auf die Erbteile der bekannten Erben wäre in Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel wenn und soweit Fürsorgemaßnahmen nur einheitlich für den gesamten Nachlass getroffen werden könnten und eine einheitliche Vorgehensweise erforderlich wäre. Zudem wurde klargestellt, dass sich der Wirkungskreis nur auf die Sicherung und Verwaltung des in Deutschland befindlichen Nachlasses erstreckt.
Auslandsbezug beim Erbfall
Die internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts ergibt sich laut Gericht aus Art. 10 Abs. 2 EuErbVO, da sich Nachlassvermögen in Deutschland befindet und der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Todeszeitpunkt in den USA hatte. Die internationale Zuständigkeit besteht über das in Deutschland befindliche Vermögen.
Das Gericht stellte auch fest, dass die EuErbVO vorrangig anwendbar ist und die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach §§ 1960, 1961 BGB eine verfahrensrechtliche Befugnis darstellt, die unabhängig vom anwendbaren ausländischen Erbstatut besteht und von einem deutschen Gericht im Rahmen der lex fori ausgeübt werden kann.[2]
• Nachlasspflegschaft genau prüfen:
Wenn ein Nachlasspfleger bestellt wird, sollte geprüft werden, ob seine Befugnisse wirklich nur die unbekannten Erben betreffen und nicht den gesamten Nachlass umfassen.
• Eigene Rechte als Erbe kennen:
Bekannte Erben sollten sicherstellen, dass ihre Verfügungsrechte nicht unrechtmäßig eingeschränkt werden, insbesondere durch übermäßige Maßnahmen eines Nachlasspflegers.
• Internationale Zuständigkeit beachten:
Bei grenzüberschreitenden Erbfällen regelt die EuErbVO, welches Nachlassgericht zuständig ist.
Quellen
[1] OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.8.2024-20 W 135/24
[2] OLG München, Beschl. v. 12.6.2024, Az. 33 Wx 270/23 e; OLG Köln Bschk. V. 9.12.2020- I-2 Wx 293/20