Haftung wegen Steuerhinterziehung: Geschäftsführer trägt Verantwortung

Wenn der eigene Posten plötzlich zur Gefahr wird: Haftung für Umsatzsteuerbetrug Ein verlockendes Angebot, ein kurzer Vertragswechsel - und plötzlich steht man im Zentrum eines millionenschweren Umsatzsteuerkarussells. Was für viele Unternehmer...

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Wenn der eigene Posten plötzlich zur Gefahr wird: Haftung für Umsatzsteuerbetrug

Ein verlockendes Angebot, ein kurzer Vertragswechsel – und plötzlich steht man im Zentrum eines millionenschweren Umsatzsteuerkarussells. Was für viele Unternehmer nach einem Albtraum klingt, wurde für einen Geschäftsführer einer GmbH zur bitteren Realität. Ein Urteil zeigt, wie riskant es sein kann, sich ohne tiefere Prüfung auf ein Unternehmen einzulassen – und warum die Finanzbehörden in Sachen Umsatzsteuerbetrug gnadenlos durchgreifen.

Doch was genau ist passiert? Und warum musste am Ende der Geschäftsführer für Steuerverbindlichkeiten haften, obwohl er von den kriminellen Machenschaften nichts gewusst haben will?

Was ist passiert?

Ein Geschäftsführer wurde für Steuerschulden einer GmbH haftbar gemacht, die in ein großangelegtes Umsatzsteuerkarussell verwickelt war. Die Gesellschaft, wechselte mehrfach den Inhaber und Geschäftsführer. Schließlich übernahm der Kläger die Geschäftsführung und wurde nachträglich für nicht gezahlte Umsatzsteuer aus Karussellgeschäften in Haftung genommen.

Die G-GmbH war Teil eines Netzwerks, das mit Kaffee und Softdrinks systematisch Umsatzsteuer hinterzog. Dabei wurden Waren formal durch mehrere Unternehmen „im Kreis“ verkauft. Während einige Unternehmen ihrer Steuerpflicht nachkamen, führten andere – sogenannte "missing trader" – die eingenommene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab. Die G-GmbH meldete hohe Vorsteuerbeträge an, die das Finanzamt jedoch wegen laufender Ermittlungen nicht erstattete.

Nach mehreren verdächtigen Geschäftstransaktionen und auffälligen Vorsteueranmeldungen wurde die Gesellschaft ins Visier der Steuerfahndung genommen. Im Jahr 2009 begann eine umfangreiche Fahndungsprüfung, die hohe, nicht gemeldete Umsätze aufdeckte.

Trotz Aufforderung reichte die GmbH zunächst keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein, weshalb das Finanzamt eine hohe Steuernachzahlung für das vierte Quartal 2009 festsetzte. Kurz darauf übernahm der Kläger die Geschäftsführung und erfuhr erst nachträglich von den kriminellen Machenschaften. Allerdings hatte er es versäumt, sich frühzeitig einen umfassenden Überblick über die steuerlichen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu verschaffen.

Da die Gesellschaft 2011 Insolvenz anmeldete, konnte das Finanzamt die Steuerschulden nicht eintreiben. Stattdessen wurde der Geschäftsführer gemäß § 69 AO für die nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.

Haftungsrisiko für Geschäftsführer: Wenn Steuerverstöße teuer werden

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen und den Haftungsbescheid des Finanzamts bestätigt. Der Kläger wurde als ehemaliger Geschäftsführer der G. GmbH gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) für die nicht gezahlte Umsatzsteuer haftbar gemacht. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine persönliche Haftung des Geschäftsführers vorlagen.

1. Haftungstatbestand nach § 69 AO erfüllt

Das Finanzgericht stellte fest, dass der Kläger als Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der G-GmbH verletzt hat. Dies betraf insbesondere:

  • Die unterlassene Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für das vierte Quartal 2009 trotz eindeutiger Verpflichtung nach Widerruf der Befreiung durch das Finanzamt.
  • Die nicht erfolgte Mitteilung über Umsatzsteuerzahllasten, die nach der erteilten Befreiung für Umsatzsteuervoranmeldungen ab einer Zahllast von über 1.000 € pro Jahr erforderlich gewesen wäre.
  • Die Tatsache, dass der Kläger keinen Überblick über die Geschäftsvorgänge verschafft und damit seine Sorgfaltspflichten verletzt hatte.

2. Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Steuerschaden

Das Gericht stellte fest, dass die Pflichtverletzungen des Klägers für den entstandenen Steuerausfall ursächlich waren. Wäre die Umsatzsteuervoranmeldung rechtzeitig und korrekt eingereicht worden, hätte das Finanzamt die Steuerschuld früher festgestellt und hätte früher Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen können. Das Unternehmen war zu Beginn des Jahres 2010 noch zahlungsfähig, sodass eine Begleichung der Steuerschuld möglich gewesen wäre.

3. Grobe Fahrlässigkeit des Klägers

Das Finanzgericht bewertete das Verhalten des Klägers als grob fahrlässig, weil er:

  • Trotz Warnsignalen – einschließlich eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Gesellschaft– keine detaillierte Prüfung der steuerlichen Verpflichtungen vorgenommen hat.
  • Die eigene Buchhaltungsprüfung unzureichend durchgeführt und sich auf Angaben Dritter verlassen hat.
  • Selbst nach Aufforderung durch das Finanzamt seine steuerlichen Pflichten nicht ernsthaft erfüllt hat.

4. Keine Kürzung der Haftungssumme

Der Kläger argumentierte, dass der Haftungsbetrag nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung hätte gekürzt werden müssen. Das Gericht lehnte dies ab, da die Umsatzsteuerverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung (Februar 2010) noch vollständig hätten beglichen werden können. Es stellte zudem fest, dass der Kläger keine ausreichenden Nachweise über die finanzielle Lage der Gesellschaft vorgelegt hatte, um eine Reduzierung des Haftungsbetrags zu rechtfertigen.

5. Auswahlermessen des Finanzamts nicht fehlerhaft

Der Kläger hatte argumentiert, dass andere Beteiligte (z. B. der Steuerberater der Gesellschaft) ebenfalls in Haftung hätten genommen werden müssen. Das Gericht sah jedoch keine fehlerhafte Ermessensausübung durch das Finanzamt, da:

  • Der Kläger als formeller Geschäftsführer die Hauptverantwortung trug.
  • Andere mögliche Haftungsschuldner entweder nicht auffindbar waren oder keine ausreichenden Beweise für ihre Mitverantwortung vorlagen.

Geschäftsführer unter Druck: Steuerpflichten ernst nehmen oder haften

Dieses Urteil verdeutlicht die weitreichenden Haftungsrisiken für Geschäftsführer im Zusammenhang mit steuerlichen Pflichtverletzungen. Es zeigt, dass Unwissenheit über steuerliche Vorgänge innerhalb eines Unternehmens nicht vor einer persönlichen Inanspruchnahme schützt. Wer als Geschäftsführer steuerliche Pflichten verletzt oder es versäumt, sich über mögliche Unregelmäßigkeiten zu informieren, kann für Steuerschulden haftbar gemacht werden – selbst dann, wenn er nicht aktiv an einem Steuerbetrug beteiligt war.

Das Finanzgericht unterstreicht damit die Verantwortung der Geschäftsführung, sich umfassend über die steuerlichen Verpflichtungen ihres Unternehmens zu informieren und entsprechende Kontrollmaßnahmen zu ergreifen. Insbesondere bei Verdachtsmomenten auf Umsatzsteuerbetrug oder Karussellgeschäfte müssen Geschäftsführer besondere Sorgfalt walten lassen, um sich nicht selbst der Haftung auszusetzen.

Dieses Urteil setzt ein klares Signal an alle Unternehmensverantwortlichen: Steuerliche Nachlässigkeit oder fehlende Kontrolle kann nicht nur finanzielle Folgen haben, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Tipp:

1. Gründliche Prüfung bei Unternehmensübernahme:
Vor der Übernahme einer GmbH ist eine sorgfältige Due Diligence essenziell. Besonders steuerliche Risiken müssen analysiert werden.
2. Regelmäßige Kontrolle der Steuerpflichten:
Geschäftsführer müssen sicherstellen, dass Steuererklärungen korrekt und fristgerecht eingereicht werden.
3. Keine blinde Vertrauenswürdigkeit:
Auch wenn ein Steuerberater oder frühere Gesellschafter das Unternehmen als „sauber“ darstellen, muss der Geschäftsführer dies eigenverantwortlich prüfen.
4. Vorsicht bei Bargeldgeschäften:
Intransparente Zahlungsflüsse oder häufige Barzahlungen können ein Warnsignal für betrügerische Geschäftsmodelle sein.

Quellen


Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 31.01.2022 – 11 K 2812/17 H / https://www.iww.de/pstr/urteilsbesprechungen-steuerstrafrecht/umsatzsteuer-umsatzsteuer-und-kaffeesteuerkarussell-unter-diesen-voraussetzungen-haftet-ein-geschaeftsfuehrer-f16

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