Renovierung, Verzögerungen & Steuererleichterungen: Wann das Finanzamt gnädig ist – und wann es richtig teuer wird
Ein geerbtes Familienheim zu übernehmen, klingt erst einmal unkompliziert – doch wer sich zu viel Zeit lässt, könnte am Ende tief in die Tasche greifen müssen. Das Finanzamt kennt beim Thema Steuerbefreiung klare Regeln und der richtige Zeitpunkt kann über eine erhebliche Steuerersparnis oder eine unerwartet hohe Abgabe entscheiden. Doch was passiert, wenn Renovierungen anstehen, Handwerker schwer zu bekommen sind oder gesundheitliche Gründe eine Verzögerung verursachen? Eine Entscheidung zeigt, wie streng die Finanzgerichte in solchen Fällen urteilen – und worauf Erben achten müssen, um nicht in die Steuerfalle zu tappen.
Was ist passiert?
Die Klägerin erbte im Jahr 2016 ein Zweifamilienhaus von ihrer verstorbenen Mutter. Während die Mutter bis zu ihrem Tod eine der beiden Wohnungen selbst bewohnte, war die zweite Wohnung vermietet. Nach dem Erbfall plante die Klägerin, in die Wohnung ihrer Mutter einzuziehen – doch erst nach umfassenden Renovierungsarbeiten, die sich über eineinhalb Jahre hinzogen.
Zunächst beantragte sie keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer auf Basis des gesamten Grundstückswerts fest. Nachdem dieser jedoch nachträglich erheblich angehoben wurde, versuchte die Klägerin, die Steuerbefreiung nachträglich geltend zu machen. Doch das Finanzamt lehnte ab: Der Einzug sei nicht „unverzüglich“ erfolgt, sodass die Begünstigung nicht greife. Auch das Finanzgericht Düsseldorf bestätigte diese Entscheidung und warf der Klägerin vor, die Renovierungen nicht schneller vorangetrieben zu haben.
Die Klägerin wehrte sich gegen die Entscheidung und machte geltend, dass die Verzögerung nicht in ihrer Verantwortung lag. Das geerbte Haus befand sich in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand, wodurch umfangreiche Sanierungsarbeiten erforderlich wurden. Zudem war es aufgrund der hohen Auslastung der Handwerksbetriebe schwierig, zeitnah Fachkräfte zu beauftragen. Erschwerend hinzu, kam ihre eigene gesundheitliche Einschränkung, die sie daran hinderte, die Arbeiten selbst in größerem Umfang zu unterstützen oder zu beschleunigen.
Wann Verzögerungen bei der Selbstnutzung steuerlich unschädlich sind
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Er entschied, dass das Finanzgericht zu strenge Maßstäbe an die „unverzügliche“ Selbstnutzung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG angelegt hatte.
Begründung des BFH:
- Unverzüglichkeit ist einzelfallabhängig:
Der BFH stellte klar, dass eine Steuerbefreiung für ein geerbtes Familienheim nicht allein deshalb ausgeschlossen werden darf, weil die Selbstnutzung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen wurde. Vielmehr müsse geprüft werden, ob die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen habe, um den Einzug nicht unnötig zu verzögern. - Zumutbare Maßnahmen und persönliche Umstände:
Entscheidend sei, ob die Klägerin die Renovierungsarbeiten im Rahmen ihrer persönlichen und gesundheitlichen Möglichkeiten vorangetrieben habe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ein erheblicher Instandhaltungsrückstand bestand und Handwerker schwer zu bekommen waren. Auch gesundheitliche Einschränkungen könnten eine spätere Selbstnutzung rechtfertigen. - Keine pauschale Ablehnung wegen Verzögerungen:
Das Finanzgericht hatte sich darauf gestützt, dass es sich lediglich um reguläre Renovierungsarbeiten gehandelt habe und dass die Klägerin sich schneller um Angebote und Handwerker hätte bemühen müssen. Der BFH hielt diese Argumentation für unzureichend, da nicht geprüft wurde, ob sie die Arbeiten tatsächlich früher hätte beginnen oder beschleunigen können. - Neue Würdigung im zweiten Rechtsgang:
Da das Finanzgericht keine ausreichenden Feststellungen zu den konkreten Umständen getroffen hatte, wurde der Fall zur erneuten Prüfung zurückverwiesen. Dabei müsse insbesondere geklärt werden, ob der Klägerin eine frühere Räumung oder Renovierung tatsächlich möglich gewesen wäre oder ob sie durch äußere Umstände daran gehindert wurde.
Neue Maßstäbe für die Steuerbefreiung geerbter Familienheime
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) bringt eine bedeutende Klarstellung für Erben, die ein Familienheim übernehmen und die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG in Anspruch nehmen möchten. Bislang galt, dass der Einzug innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgen muss, um die Begünstigung nicht zu verlieren. Doch der BFH betont, dass diese Frist nicht starr ausgelegt werden darf. Verzögerungen, die auf äußere Umstände wie die Verfügbarkeit von Handwerkern oder gesundheitliche Einschränkungen des Erben zurückzuführen sind, dürfen nicht automatisch zum Verlust der Steuerbefreiung führen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Erwerber nach seinen persönlichen Möglichkeiten den Einzug so zügig wie zumutbar vorangetrieben hat.
Damit stärkt das Urteil die Rechte von Erben und sorgt für mehr Planungssicherheit. Finanzämter und Gerichte müssen künftig individuelle Hinderungsgründe berücksichtigen und dürfen eine Steuerbefreiung nicht allein wegen zeitlicher Verzögerungen verweigern. Das schafft mehr Fairness in der steuerlichen Behandlung von geerbten Immobilien und setzt der bisherigen strengen Verwaltungspraxis klare Grenzen.
– Schnell handeln:
• Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG setzt voraus, dass die Selbstnutzung „unverzüglich“ erfolgt – idealerweise innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall.
• Verzögerungen müssen gut begründet sein und dürfen nicht durch eigenes Verschulden entstehen.
– Dokumentation ist entscheidend:
• Wer Renovierungsarbeiten durchführen muss, sollte jeden Schritt genau dokumentieren: Auftragsbestätigungen, E-Mail-Verkehr mit Handwerkern und Terminnachweise können helfen, eine unverschuldete Verzögerung nachzuweisen.
• Auch gesundheitliche Einschränkungen sollten durch ärztliche Atteste belegt werden, falls sie den Einzug verzögern.
– Renovierungen vorantreiben:
• Das Gericht erwartet, dass Erben die Arbeiten so zügig wie möglich fördern. Wer Handwerker nicht rechtzeitig beauftragt oder unnötige Verzögerungen in Kauf nimmt, riskiert die Steuervergünstigung.
• Falls Handwerker überlastet sind, sollten alternative Betriebe kontaktiert werden.
– Entrümpelung nicht hinauszögern:
• Das schnelle Räumen der geerbten Immobilie ist ein wichtiges Indiz für die geplante Selbstnutzung. Wer Monate wartet, bis er mit der Entrümpelung beginnt, könnte Probleme mit der Finanzverwaltung bekommen.
– Frühzeitig steuerliche Beratung einholen:
• Wer eine geerbte Immobilie selbst nutzen will, sollte sich rechtzeitig beraten lassen, um alle formalen Anforderungen zu erfüllen und die Steuervergünstigung nicht zu gefährden.
Quellen
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202250114/