Steuerliche Vorteile bei der Nachlassteilung: BFH erweitert die Möglichkeiten für Erben
Die Aufteilung eines Nachlasses ist oft mehr als nur eine juristische Formalität – sie entscheidet darüber, ob Erben von steuerlichen Begünstigungen profitieren oder mit hohen Nachzahlungen rechnen müssen. Insbesondere bei Betriebsvermögen, vermieteten Immobilien oder dem selbstgenutzten Familienheim stand bisher eine strikte Frist im Raum: Wer den Nachlass nicht innerhalb von sechs Monaten teilte, riskierte den Verlust steuerlicher Begünstigungen.
Doch der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem aktuellen Urteil diese starre Grenze aufgehoben. Künftig kann eine Erbauseinandersetzung auch dann steuerlich begünstigt sein, wenn sie erst Jahre nach dem Erbfall erfolgt – vorausgesetzt, sie steht in direktem Zusammenhang mit der ursprünglichen Erbsituation.
Diese Entscheidung könnte für viele Erben erhebliche Steuerersparnisse bedeuten. Doch die Neuregelung bringt auch Risiken mit sich. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und worauf Erben unbedingt achten sollten, zeigt dieses Urteil mit weitreichenden Konsequenzen für Unternehmen und Privatpersonen.
Was ist passiert?
Im Jahr 2015 erbten zwei Brüder gemeinsam den Nachlass ihrer Eltern, der unter anderem Betriebsvermögen, vermietete Immobilien und ein Familienheim umfasste. Anstatt den Nachlass sofort aufzuteilen, beließen sie ihn zunächst ungeteilt. Erst 2018 – also drei Jahre nach dem Erbfall – trafen sie eine notarielle Vereinbarung zur Erbauseinandersetzung: Während der eine Bruder ein Grundstück erhielt, übernahm der andere das Betriebsvermögen und weitere Immobilien.
Das Problem: Das Finanzamt erkannte die steuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG a.F.), vermietete Immobilien (§ 13c ErbStG a.F.) und das selbstgenutzte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) nicht an. Die Behörde argumentierte, dass die Erbauseinandersetzung nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt sei und deshalb kein steuerlicher Begünstigungstransfer stattfinden könne.
Der betroffene Erbe legte Einspruch ein und forderte die Korrektur des Erbschaftsteuerbescheids. Da das Finanzamt sich weigerte, klagte er vor dem Finanzgericht Düsseldorf – mit Erfolg. Die Finanzverwaltung ging daraufhin in Revision vor den BFH, der nun ein Grundsatzurteil zu den Voraussetzungen der steuerlichen Begünstigung bei verspäteten Erbauseinandersetzungen fällte.
Flexibilität bei der Erbauseinandersetzung: BFH stärkt steuerliche Begünstigungen für Miterben
Der BFH wies die Revision des Finanzamts zurück und bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf. Das Gericht entschied, dass die steuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen, vermieteten Wohnraum und das selbstgenutzte Familienheim auch dann auf einen Miterben übertragen werden können, wenn die Erbauseinandersetzung erst Jahre nach dem Erbfall erfolgt – vorausgesetzt, die Übertragung steht in einem inneren Zusammenhang mit der ursprünglichen Erbregelung.
Begründung des BFH:
- Keine starre Sechs-Monats-Frist für die Erbauseinandersetzung
Das Finanzamt berief sich auf eine interne Verwaltungsvorschrift, wonach die steuerliche Begünstigung nur bei einer Erbauseinandersetzung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall greift. Der BFH stellte jedoch klar, dass eine solche zeitliche Einschränkung im Gesetz nicht vorgesehen ist. Entscheidend sei vielmehr, dass die Auseinandersetzung im Rahmen der Nachlassregelung erfolgt und kein neuer wirtschaftlicher Entschluss der Erben vorliegt.
- Erhalt des inneren Zusammenhangs zur Erbschaft
Der BFH betonte, dass eine verspätete Auseinandersetzung zulässig ist, wenn die Miterben den Nachlass nicht bewusst ungeteilt lassen, um steuerliche Vorteile zu sichern. In diesem Fall sei die Übertragung der Vermögenswerte kein eigenständiger wirtschaftlicher Vorgang, sondern diene lediglich der Umsetzung der ursprünglichen Erbregelung.
- Keine missbräuchliche Gestaltung
Das Finanzamt argumentierte, dass die Erben durch die späte Teilung möglicherweise eine gezielte Steueroptimierung betrieben hätten. Der BFH sah dafür jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr sei nachvollziehbar, dass die Erben nach dem plötzlichen Tod beider Elternteile zunächst andere organisatorische und steuerliche Fragen klären mussten.
- Übertragene Vermögenswerte blieben im Nachlasskontext
Entscheidend war, dass das Betriebsvermögen und die Immobilien nicht einfach verkauft oder an Dritte übertragen wurden. Die Erbauseinandersetzung erfolgte zwischen den Miterben und entsprach damit der ursprünglichen Nachlassverteilung.
- Berücksichtigung der individuellen Umstände
Der BFH stellte klar, dass bei der steuerlichen Behandlung von Erbauseinandersetzungen stets die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Die starre Verwaltungspraxis des Finanzamts, die sich nur auf eine sechsmonatige Frist stützte, wurde daher als zu restriktiv abgelehnt.
Mehr Handlungsspielraum für Miterben: BFH erleichtert steuerliche Begünstigungen bei späterer Erbauseinandersetzung
Das Urteil des BFH bringt eine bedeutende Erleichterung für Miterben bei der steuerlichen Behandlung von Betriebsvermögen, Wohnraum und Familienheimen. Es stellt klar, dass die Übertragung steuerlich begünstigter Nachlasswerte auch dann noch möglich ist, wenn die Erbauseinandersetzung mehr als sechs Monate nach dem Erbfall erfolgt. Damit widerspricht der BFH der restriktiven Auslegung der Finanzverwaltung und schafft neue Spielräume für Erben, ohne den Verlust von Steuervergünstigungen zu riskieren. Für die Praxis bedeutet dies, dass Erben sich mehr Zeit für eine durchdachte und faire Nachlassverteilung nehmen können, ohne sofort steuerliche Nachteile befürchten zu müssen. Gleichzeitig betont der BFH, dass eine Erbauseinandersetzung nicht willkürlich aufgeschoben werden darf – entscheidend bleibt der innere Zusammenhang mit dem ursprünglichen Erbfall.
– Sorgfältige Dokumentation der Erbauseinandersetzung
Um steuerliche Begünstigungen zu sichern, sollte die gesamte Nachlassaufteilung detailliert dokumentiert werden. Dazu gehören Protokolle, Erbverträge und Notariatsurkunden, die belegen, dass die Übertragung im direkten Zusammenhang mit der Nachlassteilung steht.
– Keine übermäßige Verzögerung der Erbauseinandersetzung
Obwohl der BFH eine Frist von sechs Monaten nicht als zwingend ansieht, sollte die Nachlassteilung nicht unnötig hinausgezögert werden. Je länger die Auseinandersetzung dauert, desto schwieriger wird es, den inneren Zusammenhang mit dem Erbfall nachzuweisen.
– Steuerliche Beratung frühzeitig einholen
Da das Urteil neue Spielräume eröffnet, sollten Miterben ihre individuellen Fälle von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater prüfen lassen. So können sie vermeiden, dass die Finanzverwaltung die Begünstigung aufgrund einer vermeintlich zu späten Auseinandersetzung ablehnt.
– Nachweis der ursprünglichen Nachfolgeplanung sicherstellen
Wenn Betriebsvermögen oder Immobilien unter Miterben übertragen werden, sollte bereits früh festgehalten werden, dass eine solche Aufteilung von Anfang an geplant war. Dies erleichtert später den Nachweis gegenüber dem Finanzamt und sichert Steuerbegünstigungen.
Quellen
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410154/