
Die neue gesetzliche Änderung bei der Erbschaft durch einen Betreuer
Der Betreuer in einem erbrechtlichen Fall ist dann notwendig, wenn ein volljähriger Mensch auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten eigenverantwortlich zu besorgen, dann wird dem Betroffenen von Amts wegen oder auf Antrag ein Betreuer zur Seite gestellt. Dies ist gesetzlich in § 1896 BGB geregelt. Die Neuregelungen, die seit dem 01.01.2023 gelten, soll anhand eines aktuellen Urteils erläutert werden:
Die rechtliche Betreuung im Erbrecht
Das Betreuungsrecht wurde am 01.01.1992 eingeführt und zum 01.01.2023 traten gesetzliche Änderungen des geltenden Betreuungsrecht in Kraft. Die Reform hat grundsätzlich das Ziel die Selbstbestimmung und Autonomie der betreuten Person zu stärken. Der Betreuer hat in aller erster Linie die Wünsche des Betreuten auszuüben und muss diesen besser informieren und stärker in sein Handeln einbinden.[1]
Die Rechtsprechung zum Betreuungsrecht
Die Erblasserin verstarb und hinterließ ein notarielles Testament vom 13.02.2020, in dem sie ihren Sohn (Beteiligter Ziffer 2) und ihre Nichte (Beteiligte Ziffer 1) als alleinige Erben benannte. Der Sohn sollte als Vorerbe fungieren und die Nichte als Nacherbin. Der Sohn erhielt einen Anteil, der geringfügig mehr als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils betrug. Die Nichte wurde zudem zur Testamentsvollstreckerin ernannt.
Der Sohn lehnte das Erbe ab, und seine Ehefrau wurde vom Betreuungsgericht als Betreuerin bestellt, um die Ausschlagung für ihn durchzuführen. Die Betreuung wurde aufgrund der Unzulänglichkeit einer privaten Vollmacht notwendig. Am 06.09.2021 lehnte die Ehefrau als Betreuerin das Erbe im Namen ihres Mannes ab, da sie davon Kenntnis hatte, dass das Erbe seit dem 09.08.2021 zur Verfügung stand.[2]
Die Fristwahrung bei der Erbausschlagung
Im vorliegenden Fall wurde überprüft, ob die Erbausschlagung durch die Betreuerin wirksam war und diese auch fristgerecht ausgeübt wurde. Das Nachlassgericht entschied daraufhin, dass die Erbausschlagung fristgerecht und wirksam war. Es stellte fest, dass die sechswöchige Ausschlagungsfrist durch das Genehmigungsverfahren des Betreuungsgerichts unterbrochen war, da der Genehmigungsbeschluss erst am 06.09.2023 erging. Die Frist war somit gehemmt, und die Ausschlagungserklärung der Betreuerin wurde innerhalb der zulässigen Frist eingereicht. Das Gericht orientierte sich bei der Fristberechnung am Datum der Kenntniserlangung des Sohnes, das auf den 09.08.2021 datiert wurde.
Die Ausschlagung ist gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen zu erklären. Die Frist kann in einzelnen Fällen auch gehemmt werden. Bei einer Erbausschlagung mit einem gesetzlichen Vertreter gilt die Besonderheit, dass ein Fall höherer Gewalt vorliegt, da er keinen Einfluss auf eine fristgerechte gerichtliche Ausschlagungsgenehmigung hat. Diese höhere Gewalt bewirkt gemäß § 1944 Abs. 2 S. 3, § 206 BGB eine Hemmung der Ausschlagungsfrist. Der gesetzliche Vertreter kann dem Nachlassgericht die gerichtliche Genehmigung nachreichen.[3]
Die neue Regelung für die Erbausschlagung
Seit dem 1. Januar 2023 bestimmt § 1858 Abs. 3 BGB, dass der Ablauf einer gesetzlichen Frist während des Genehmigungsverfahrens gehemmt ist. Die Hemmung endet mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Erteilung der Genehmigung – in diesem Fall am 26. September 2023. Da die Übergangsvorschrift des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, Art. 229 § 54 EGBGB, keine Sonderregelungen für genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte oder laufende Genehmigungsverfahren enthält, ist das neue Recht seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 2023 anzuwenden. Dies gilt für die Erteilung der Genehmigung durch das Gericht unabhängig davon, wann das genehmigungspflichtige Rechtsgeschäft getätigt oder das Genehmigungsverfahren eingeleitet wurde.[4]
Auch wenn für die Ehefrau des Beteiligten Ziffer 2 zunächst nur eine vorläufige Betreuung bis zum 1. März 2022 bestand, ist aufgrund der vom Nachlassgericht für den Zeitraum nach dem 1. März 2022 festgestellten Geschäftsunfähigkeit und Betreuungsbedürftigkeit des Beteiligten Ziffer 2, die durch ein Gutachten bestätigt wurde, ausschließlich auf die rechtskräftige betreuungsgerichtliche Genehmigung der Erbschaftsausschlagung vom 6. September 2023 abzustellen. Das Betreuungsgericht hat die Ausschlagung, die am 6. September 2021 von der damals bestellten gesetzlichen Vertreterin des Beteiligten Ziffer 2 formwirksam erklärt wurde, genehmigt.
Die Erbausschlagung durch einen Betreuer:
Quellen
[1] https://www.steuertipps.de/altersvorsorge-rente-finanzen/neues-betreuungsrecht-ab-1-1-2023-drei-beispiele-was-jetzt-besser-wird?srsltid=AfmBOooIxMKzDY4xh-f494csvl0c3_zbOL7-ZdO1QpLJiZGGMlZHXjci#odocid_182f00f8-0aa5-4c38-adff-32d7aca4d82e_frg_e47
[2] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.7.2024 – 14 W 28/24 (Wx)
[3] https://www.iww.de/fk/archiv/erbrecht-besonderheiten-bei-der-annahme-und-ausschlagung-der-erbschaft-durch-einen-minderjaehrigen-f31751
[4] BeckOK BGB/Müller-Engels, 70. Ed., 1.5.2024, BGB § 1851 Rn. 48