
Keine Auszahlung des Kontos des verstorbenen Vaters bei Nachlassinsolvenz
Kann man von einem Konto oder Sparbuch noch Geld abheben nach dem Todesfall des Konto- bzw. Sparbuch-Inhabers? Erben müssen sich meist nach dem Tod des Erblassers gegenüber Banken als dessen Rechtsnachfolger legitimieren, um Zugriff auf Konten, Sparbücher oder Schließfächer zu erhalten.
Doch es kann auch zu Fällen kommen, in denen ein Zugriff auf das Konto nach dem Tod des Erblassers nicht gestattet wird. Mit diesem Problem zog der Beschwerdeführer vor das Bundesverfassungsgericht.
Was ist geschehen?
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers (Bf.) richtet sich gegen Entscheidungen, die eine Klage auf Auszahlung von Gutschriften auf einem Konto des verstorbenen Vaters abgewiesen haben. Der Bf. ist Alleinerbe und war nach dem Tod seines Vaters mit dessen Schulden konfrontiert, insbesondere gegenüber der Sparkasse, die 280.000 EUR forderte. Er hatte das Girokonto seines Vaters, das im Minus war, für seine eigenen Geschäfte genutzt, was zu Zahlungen von Kunden auf dieses Konto führte.
Nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellte der Bf. einen Antrag auf Auszahlung von etwa 127.000 EUR, die als Gutschriften auf das Konto eingegangen waren. Die Sparkasse weigerte sich, diese Beträge auszuzahlen, und verrechnete sie stattdessen mit dem bestehenden Debetsaldo. Im Juli 2017 stellte der Bf. Einen Nachlassinsolvenzantrag und das Verfahren wurde im November 2017 eröffnet. [1]
Die Nachlassinsolvenz ändert die Stellung nicht
Im Ausgangsverfahren klagte der Bf. auf Auszahlung der Zahlungseingänge. Das Landgericht (LG) wies die Klage ab. Es stellte fest, dass der Bf. keine vertraglichen Ansprüche gegen die Sparkasse habe, da die verbuchten Einzelforderungen durch die Kontokorrentvereinbarung ihre rechtliche Selbstständigkeit verloren hätten.
Das OLG entschied, dass der Bf. sich nicht auf die Schutzvorschriften des § 1977 BGB berufen könne, da die Gutschriften von Dritten stammten und als nicht selbstständig geltend gemacht worden seien. Der Bf. habe durch die Angabe des Kontos auf seinen Rechnungen konkludent der Verrechnung zugestimmt.
Verletzung des Eigentumsrechts durch Verrechnung?
Der Bf. argumentiert, dass die Fachgerichte die Relevanz von Art. 14 GG nicht ausreichend gewürdigt hätten. Der Schutz des § 1977 BGB, der den Erben vor einer umfassenden Haftung schützt, dürfe ihm nicht entzogen werden, da er keine Erklärungen abgegeben habe, die eine solche Zustimmung implizieren würden.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte fest, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig sei, da der Bf. die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht ausreichend substantiiert dargelegt habe. Der Bf. hätte klar darlegen müssen, inwiefern die Fachgerichte bei der Auslegung des einfachen Rechts seine Grundrechte verletzt haben. Der Bf. hat nicht ausreichend dargelegt, inwiefern er in seinem Erbrecht und seinem Eigentumsrecht verletzt wurde. Insbesondere hat er nicht hinreichend begründet, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der relevanten Normen den Schutz des Erben vor finanzieller Überforderung nicht berücksichtigt hat.
Abgrenzung von Eigenvermögen und Erbschaftsvermögen bei Kontoverbindlichkeiten
Der Sachverhalt könnte sich anders darstellen, wenn das Konto zum Zeitpunkt der eingehenden Zahlungen, die dem „Eigenvermögen“ des Erben zuzurechnen sind, keinen oder einen geringeren Debetsaldo aufgewiesen hätte, etwa in Höhe von 60.000 EUR. In einem solchen Fall ließe sich keine konkludente Zustimmung des Betroffenen annehmen, wenn das Konto bei den eingehenden Zahlungen im positiven Bereich gewesen wäre. Eine Verrechnung wäre dann auch unter Bezugnahme auf die Kontokorrentabrede zwischen der Sparkasse und dem Erben nicht möglich. Ein Eintritt des Erben in die Kontokorrentabrede für das „Eigenvermögen“ wäre problematisch, da durch den Nachlassinsolvenzantrag eine klare Trennung zwischen Erbschafts- und Privatvermögen erforderlich ist. Vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 GG ließe sich dies allein durch die Fortführung eines Erblasserkontos schwerlich rechtfertigen.
Die Verfassungsbeschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Quellen
[1] BVerfG, Beschl. v. 10.4.2024 – 1 BvR 1031/20