
Die Testierfähigkeit kann trotz erheblichen Erkrankungen vorliegen
Das Erstellen eines Testaments hat gemäß § 2247 BGB formelle Voraussetzungen. Neben diesen Voraussetzungen muss der Testierende auch selber testierfähig sein.
Nach § 2229 BGB ist von einer Testierfähigkeit des Erblassers auszugehen, bis die Testierunfähigkeit zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist.[1] Wie der Fall der Testierfähigkeit zu beurteilen ist bei psychischen Erkrankungen, einschließlich einer bipolaren Störung und Alkoholmissbrauch, musste vom OLG Brandenburg entschieden werden.
Was ist geschehen?
Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines Erbscheins für die Antragstellerin, die testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt wurde. Die Antragstellerin ist die Ziehtochter des Erblassers, die andere Beteiligte ist seine Schwester. Der Erblasser verfasste am 19.03.2020 ein handschriftliches Testament, in dem er seiner Ziehtochter seinen gesamten Besitz vererbte.
Der Erblasser litt unter einer bipolaren Störung, Alkoholmissbrauch und weiteren körperlichen Beschwerden. Er befand sich über viele Jahre in fachärztlicher Behandlung. Im Jahr 2020 beging der Erblasser Selbstmord und hinterließ zwei Abschiedsbriefe, die seine gesundheitlichen Probleme und seine Entscheidung, sein Leben zu beenden, erklärten.
Die Amtsermittlungspflicht bei Prüfung der Testierfähigkeit
Zunächst muss das Nachlassgericht das auffällige Verhalten des Erblassers untersuchen und alle erforderlichen Beweise durch das Frei- oder Strengbeweisverfahren sammeln. Anschließend wird geprüft, ob diese Beweise ausreichen, um eine mögliche Erkrankung zu bestätigen oder Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers auszuräumen. In den meisten Fällen reicht dies jedoch nicht aus, weshalb das Gericht ein psychiatrisches oder nervenärztliches Gutachten anfordern muss. Dieses Gutachten soll nicht nur den medizinischen Zustand des Erblassers darlegen, sondern auch die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Fähigkeit zur Einsicht und Willensbildung untersuchen.[2]
Begründung der Testierfähigkeit
Das Amtsgericht entschied, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Der Selbstmord des Erblassers rechtfertige nicht die Annahme einer Testierunfähigkeit. Das Gericht verließ sich auf die Einschätzung der Sachverständigen, dass keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Testierfähigkeit vorlagen. Zudem wies es darauf hin, dass die medizinischen Unterlagen des behandelnden Arztes ausreichend waren, um die Testierfähigkeit zu beurteilen. Gegen diese Entscheidung legte die Schwester des Erblassers Beschwerde ein.
Der Senat wies die Beschwerde ab. Er stellte fest, dass das Amtsgericht ausreichend ermittelt hatte, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Somit sind sie gemäß § 2358 Abs. 1 BGB der Amtsermittlungspflicht, alle erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, nachgekommen.
Es gab keine belastbaren Hinweise, dass der Erblasser aufgrund seiner psychischen Erkrankungen oder des Alkoholmissbrauchs seine Testierfähigkeit verloren hatte. Die Angabe seines Alkoholkonsums im Testament, lasse keinen Schluss auf eine Volltrunkenheit bei Erstellung des Testaments zu. Der Text sei flüssig und mit fester Handschrift inhaltlich stringent abgefasst. Eine Testierunfähigkeit liegt nur vor, wenn gesundheitliche Einschränkungen zu einer Geisteskrankheit oder erheblichen Geistesschwäche führen, die die freie Willensbestimmung ausschließen oder eine so starke Bewusstseinsstörung hervorrufen, dass die Fähigkeit zur eigenen Entscheidung beeinträchtigt wird. Der Abschiedsbrief des Verstorbenen, in dem er angibt, seine gesamte Erbschaft regeln zu wollen, deutet darauf hin, dass er in erbrechtlichen Angelegenheiten eine planvolle und strukturierte Herangehensweise hatte.
• Zum Erstellen eines wirksamen Testaments muss man testierfähig sein.
• Die Testierunfähigkeit muss nach dem Amtsermittlungsgrundsatz festgestellt werden.
• Das bloße Vorliegen erheblicher Erkrankung ist kein zwingender Ausschluss der Testierunfähigkeit.
• Nur bei beweisbarer Willensbeeinträchtigung, die ursächlich auf solche Erkrankungen zurückzuführen sind, schließt dies die Testierfähigkeit aus
Quellen
[1] OLG München, Beschluss v. 15.12.2016- 31 Wx 144/15