Streit um Nacherbeneinsetzung

Testament unwirksam wegen unbestimmter Formulierung Viele Erblasser möchten ihren Nachlass individuell regeln - insbesondere, wenn keine leiblichen Kinder vorhanden sind oder besondere familiäre Umstände bestehen. Doch gut gemeinte Formulierungen im...

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Testament unwirksam wegen unbestimmter Formulierung

Viele Erblasser möchten ihren Nachlass individuell regeln – insbesondere, wenn keine leiblichen Kinder vorhanden sind oder besondere familiäre Umstände bestehen. Doch gut gemeinte Formulierungen im Testament führen häufig zu rechtlichen Problemen, wenn sie zu unbestimmt oder mehrdeutig sind.

Ein aktueller Fall zeigt, welche Folgen dies haben kann: Ein Erblasser wollte nach dem Tod seines Adoptivsohns einer Person den Nachlass zukommen lassen, „die es besonders gut konnte mit E“. Diese scheinbar wohlmeinende Wendung führte jedoch zu jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Frage, wer tatsächlich als Nacherbe gelten sollte – und letztlich zur Unwirksamkeit der testamentarischen Anordnung.

Ausgangslage: Erblasser und familiärer Hintergrund

Der am … geborene J. M. (nachfolgend Erblasser) verstarb am 12. November 1996 in X. Seine Ehefrau M. M. war bereits zuvor verstorben. Die Ehe blieb kinderlos.

Aus einer früheren Beziehung brachte die Ehefrau ihren am … geborenen nichtehelichen Sohn E. M. in die Ehe ein. Dieser nahm später den Familiennamen M. an. Der Erblasser errichtete zwei Testamente:

  1. Gemeinschaftliches Testament vom 15. April 1970

Die Eheleute J. M. und M. M. setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Längerlebenden sollte E. M. Alleinerbe werden. Zudem wurde Dauertestamentsvollstreckung angeordnet.

  1. Eigenhändiges Testament vom 1. Dezember 1994

Das spätere Testament, dessen Datumsangabe nur auf dem Umschlag vermerkt war, enthielt unter anderem folgende Passage:

„E. M. soll Alleinerbe über sein Elternhaus und Grundstück werden. Eine geeignete Familie soll gefunden werden, die E. versorgt. [...] Nach dem Tode von E. M. soll diejenige Person erben, die es besonders gut konnte mit E.“

Testamentsvollstreckung und Erbscheinserteilung

Nach dem Tod des Erblassers wurde Sch. am 11. Februar 1997 zum Testamentsvollstrecker ernannt und nahm das Amt an. Auf seinen Antrag vom 12. April 1997 erteilte das Nachlassgericht am 30. Mai 1997 einen Erbschein, der E. M. als Alleinerben auswies. Im Jahr 2017 wurde auf Vorschlag des ausscheidenden Testamentsvollstreckers die Beteiligte 1 als neue Testamentsvollstreckerin bestellt. Sie nahm das Amt an. Am 14. Dezember 2022 verstarb E. M.

Antrag auf Erteilung eines neuen Erbscheins

Nach dem Tod des E. M. beantragte die Beteiligte 1 am 31. Mai 2023 die Erteilung eines Erbscheins auf den Erblasser J. M. Sie argumentierte, durch das Testament vom 1. Dezember 1994 sei E. M. nur als Vorerbe eingesetzt worden, während sie selbst als Nacherbin bestimmt worden sei als diejenige Person, „die es besonders gut konnte mit E“. Sie sah darin keinen Verstoß gegen die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments von 1970.

Zweifel des Nachlassgerichts und Einziehung des Erbscheins

Die zuständige Rechtspflegerin wies am 7. Juli 2023 auf eine mögliche Unwirksamkeit der testamentarischen Ergänzung gemäß § 2065 Abs. 2 BGB hin.
Daraufhin zog das Nachlassgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2023 den Erbschein von 1997 als unrichtig ein. Für die unbekannten Erben des E. M. wurde am 1. Dezember 2023 Nachlasspflegschaft angeordnet. Der Nachlasspfleger (Beteiligter 2) legte Beschwerde gegen die Einziehung ein mit der Begründung, das Testament von 1994 verstoße gegen die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments von 1970.

Das Nachlassgericht hob am 26. Februar 2024 den Einziehungsbeschluss wieder auf. Der ursprüngliche Erbschein blieb damit gültig. Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte 1 am 26. März 2024 Beschwerde ein.

Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB: Unbestimmte Person des Erben

Nach § 2065 BGB darf der Erblasser die Bestimmung des Erben nicht einem Dritten überlassen. Er muss den Begünstigten so genau bezeichnen, dass dieser im Erbfall objektiv bestimmbar ist.

Formulierungen wie „diejenige Person, die es besonders gut konnte mit E“ genügen diesem Erfordernis nicht.
Die Rechtsprechung hat ähnliche Wendungen – etwa „wer mich pflegt“, „wer mir beisteht“ oder „wer sich um mich kümmert“ als zu unbestimmt und damit unwirksam eingestuft.

Auslegung des Testaments: keine eindeutige Bestimmung möglich

Zwar wollte der Erblasser offenbar sicherstellen, dass E. M. nach dem Tod der Eltern weiter in einem häuslichen Umfeld betreut wird.
Doch blieb offen, welche Personengruppe der Erblasser als mögliche Nacherben vor Augen hatte:

  • eine Pflegefamilie,
  • nahe Freunde,
  • oder auch berufliche Betreuer.

Da sich diese Unklarheit auch durch Auslegung nicht beheben lässt, ist die Nacherbeneinsetzung nichtig.

Fazit: Testament unwirksam wegen fehlender Bestimmtheit des Erben

Das Testament vom 1. Dezember 1994 enthält keine wirksame Nacherbeneinsetzung.
Die Formulierung „die es besonders gut konnte mit E“ ist rechtlich zu unbestimmt. Eine Auslegung nach objektiven Kriterien ist nicht möglich. Damit bleibt das gemeinschaftliche Testament vom 15. April 1970 maßgeblich. Der Erbschein von 1997, der E. M. als Alleinerben ausweist, behält seine Gültigkeit.

Tipp:

Klare Formulierungen wählen: Vermeiden Sie unbestimmte Begriffe wie „wer mich gut betreut“ – benennen Sie Erben eindeutig mit Namen.

Testamentsbindung beachten: Bei gemeinschaftlichen Testamenten gilt oft eine Bindungswirkung, die spätere Änderungen ausschließen kann.

Rechtsberatung einholen: Lassen Sie Ihr Testament regelmäßig anwaltlich prüfen, um Unwirksamkeit und spätere Erbstreitigkeiten zu vermeiden.

Quellen


[1]OLG Karlsruhe Beschl. v. 10.7.2025 – 14 W 36/24 (Wx)

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