Beginn der Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer beim Auffinden eines Testaments

Wann die Verjährung wirklich startet - und warum neue Testamente alles ändern können Wenn ein Testament erst Jahre nach dem Erbfall auftaucht, stellt sich eine entscheidende Frage: Wann beginnt die Festsetzungsfrist...

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Wann die Verjährung wirklich startet – und warum neue Testamente alles ändern können

Wenn ein Testament erst Jahre nach dem Erbfall auftaucht, stellt sich eine entscheidende Frage: Wann beginnt die Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer zu laufen? Der Bundesfinanzhof hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass nicht der bloße Besitz eines Testaments genügt – sondern erst die gerichtliche Entscheidung über dessen Wirksamkeit den maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt.

Was ist passiert?

Ein Neffe glaubte jahrzehntelang, gemeinsam mit seiner Schwester Erbe seiner Tante geworden zu sein. Nach deren Tod im Jahr 1988 war kein Testament bekannt, sodass das Nachlassgericht die gesetzliche Erbfolge bestätigte – beide wurden zu je 50 % Erben. Das Finanzamt setzte daraufhin im Jahr 1994 die Erbschaftsteuer endgültig fest.

Doch 15 Jahre später änderte sich alles: Der Neffe fand 2003 ein Testament, in dem ihn die Tante allein als Erben eingesetzt hatte. Das führte zu einem jahrelangen Streit mit seiner Schwester, die die Testierfähigkeit der Erblasserin anzweifelte. Erst 2007 stellte das Nachlassgericht durch Vorbescheid fest, dass das Testament wirksam sei. Der endgültige Erbschein, der den Neffen als Alleinerben auswies, folgte 2009.

Das Finanzamt reagierte und erließ 2010 einen Änderungsbescheid, der den Kläger nun als Alleinerben behandelte – mit deutlich höherer Steuer. Der Neffe wehrte sich: Die Festsetzungsfrist sei längst abgelaufen, schließlich habe das Finanzamt schon 1994 besteuert. Doch der BFH sah das anders.

Festsetzungsfrist startet erst bei sicherer Kenntnis vom Testament

Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 4. Juni 2025 – II R 28/22) bestätigte die Auffassung des Finanzamts: Die Festsetzungsfrist war beim Erlass des Änderungsbescheids im Jahr 2010 noch nicht abgelaufen. Entscheidend war, wann der Kläger sichere Kenntnis von seinem tatsächlichen Erbanspruch erlangt hatte – und das war erst deutlich später der Fall.

  1. Maßgeblich ist der rechtsgültige Erwerb

Für den Beginn der Festsetzungsfrist kommt es auf den rechtlich richtigen Erwerb an. Das bedeutet: Maßgeblich ist nicht, dass jemand überhaupt Erbe geworden ist, sondern auf welcher Grundlage – also ob gesetzlich oder aufgrund eines Testaments. Kenntnis von der gesetzlichen Erbfolge ersetzt daher nicht die Kenntnis vom später entdeckten wirksamen Testament.

  1. Kenntnis erst mit gerichtlicher Entscheidung

Wenn – wie im Streitfall – ein anderes Familienmitglied die Wirksamkeit des Testaments bestreitet, besteht keine sichere Kenntnis vom Erwerb, solange das Nachlassgericht nicht entschieden hat. Der BFH stellte klar: Die Frist beginnt erst mit der Entscheidung des Nachlassgerichts, selbst wenn das Urteil noch anfechtbar ist oder Rechtsmittel eingelegt werden.

  1. Neues Testament = neuer Rechtsgrund

Das Auffinden eines gültigen, später errichteten Testaments bildet einen neuen Rechtsgrund für den Erwerb. Damit kann die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO erneut einsetzen. Im konkreten Fall begann die Frist daher erst Ende 2007, also nach dem Vorbescheid des Nachlassgerichts, und lief bis Ende 2011. Der Änderungsbescheid von 2010 war somit fristgerecht.

Wann das Finanzamt trotz vergangener Jahre noch zuschlagen darf

Das Urteil zeigt deutlich, wie entscheidend der Zeitpunkt der Kenntnis über den tatsächlichen Erwerb ist. Für Erben und steuerliche Berater gilt daher: Die Festsetzungsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Erbe rechtssicher weiß, dass er aufgrund eines wirksamen Testaments Erbe geworden ist. Wird ein Testament erst Jahre nach dem Erbfall gefunden, kann dies eine neue Festsetzungsfrist in Gang setzen – das Finanzamt darf also erneut tätig werden.

Erben sollten deshalb sämtliche Unterlagen, insbesondere Beschlüsse des Nachlassgerichts und Erbscheine, sorgfältig aufbewahren. Sie sind entscheidend, um den Beginn der Festsetzungsfrist im Streitfall eindeutig belegen zu können.

Tipp:

1. Zeitpunkt der Kenntnis dokumentieren:
Notieren Sie genau, wann Sie vom Testament oder einer gerichtlichen Entscheidung erfahren haben. Dieser Zeitpunkt kann entscheidend für den Beginn der Festsetzungsfrist sein.
2. Neue Unterlagen immer prüfen:
Taucht ein Testament erst später auf, sollte umgehend geprüft werden, ob es den bisherigen Erbanspruch verändert – und welche steuerlichen Folgen sich daraus ergeben können.
3. Verjährung nicht vorschnell annehmen:
Auch wenn der Erbfall lange zurückliegt, kann das Finanzamt noch handeln, wenn der Erbe erst spät rechtssichere Kenntnis erhält. Lassen Sie im Zweifel prüfen, ob die Festsetzungsfrist tatsächlich abgelaufen ist.

Quelle:

BFH-Urteil vom 04. Juni 2025, II R 28/22

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