Erbrechtliche Streitigkeit zwischen Brüdern 

Bedeutung des Empfangsbekenntnisses Das Oberlandesgericht Regensburg hatte sich im Jahr 2024 mit einem komplexen Erbschaftsstreit zwischen zwei Brüdern zu befassen. Streitpunkt war die Übertragung von Grundbesitz kurz vor dem Tod des Vaters sowie Geldzuwendungen,...

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Bedeutung des Empfangsbekenntnisses

Das Oberlandesgericht Regensburg hatte sich im Jahr 2024 mit einem komplexen Erbschaftsstreit zwischen zwei Brüdern zu befassen. Streitpunkt war die Übertragung von Grundbesitz kurz vor dem Tod des Vaters sowie Geldzuwendungen, die der Beklagte als Sohn vom Erblasser erhalten hatte. Der Kläger machte Ansprüche nach § 2287 BGB (Schenkung unter Lebenden mit beeinträchtigender Wirkung)  sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2329 BGB geltend.[1]

Testamentarische Ausgangslage: Berliner Testament mit Bindungswirkung

Der Erblasser und seine Ehefrau hatten im Jahr 2009 ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet. Sie setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, der Kläger sollte Schlusserbe werden. Die Kinder des Beklagten waren als Nacherben vorgesehen. Frühere Verfügungen von Todes wegen wurden ausdrücklich aufgehoben.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2013 und dem Tod des Vaters im Jahr 2018 nahm der Kläger das Erbe an. Der Nachlass war allerdings wertlos.

Streitpunkt: Grundstücksübertragung und Geldzuwendungen an den Beklagten

Der Vater hatte im Oktober 2018, wenige Wochen vor seinem Tod, mehrere Grundstücke auf den Beklagten übertragen. Die notarielle Urkunde sah ein Nießbrauchsrecht, eine Leibrente von 1.000 € monatlich sowie Pflege- und Wartungsverpflichtungen vor. Zugleich erklärte der Erblasser, dass er an das gemeinschaftliche Testament gebunden sei, die Übertragung aber zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation seines Sohnes erfolge.

Im November 2018 wurde der Beklagte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Verkehrswert der Immobilien lag bei rund 400.000 €.

Zusätzlich überwies der Erblasser zwischen 2015 und 2019 insgesamt 55.000 € an den Beklagten, teils monatlich, teils als Einmalbetrag unter dem Verwendungszweck „Schenkung“.

Klage des Bruders: Rückübertragung der Grundstücke und Herausgabe der Geldbeträge

Der Kläger forderte vom Beklagten die Übereignung der übertragenen Grundstücke sowie die Rückzahlung der 55.000 €, da es sich seiner Ansicht nach um unentgeltliche Zuwendungen ohne lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers gehandelt habe. Die Gegenleistungen (Pflege, Leibrente, Nießbrauch) seien nur zum Schein vereinbart worden.

Der Beklagte hielt dem entgegen, die Vereinbarung sei wirtschaftlich begründet gewesen: Der Vater habe Versorgung, Pflege und Sicherheit im Alter gesucht. Der Wert dieser Gegenleistungen bezifferte der Beklagte auf rund 122.000 €.

Urteil des Landgerichts Regensburg: Gemischte Schenkung und teilweise Stattgabe

Das Landgericht Regensburg sah die Grundstücksübertragung als gemischte Schenkung an. Der Beklagte wurde zur Abgabe der Auflassungserklärung Zug um Zug gegen Zahlung von 56.646,14 € verurteilt.

Die Geldzuwendungen in Höhe von 55.000 € wurden als Schenkung gewertet, ein Rückzahlungsanspruch des Klägers bestand jedoch nicht mehr, da eine Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Beklagten erfolgt war.

OLG-Entscheidung: Teilweise Erfolg für den Kläger

Der Kläger legte Berufung ein und beantragte, die Rückübertragung ohne Zug-um-Zug-Leistung zuzusprechen.

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Berufung fristgerecht eingelegt wurde. In der Sache selbst gab das Gericht dem Kläger teilweise Recht:

Der Beklagte wurde verurteilt, die Auflassungserklärung Zug um Zug gegen Zahlung von 9.897,73 € abzugeben. Der Kläger konnte sich somit auf § 2287 BGB stützen, musste aber angemessene Gegenleistungen des Beklagten wertmäßig erstatten. Die übrige Berufung wurde zurückgewiesen.

Rechtliche Würdigung: Anwendung des § 2287 BGB bei gemischter Schenkung

Das OLG bestätigte die ständige Rechtsprechung, wonach § 2287 BGB auch bei gemeinschaftlichen Testamenten mit Bindungswirkung Anwendung findet. Entscheidend sei, ob der Erblasser ein eigennütziges Motiv hatte oder mit der Zuwendung die Erbfolge gezielt beeinflusste. Die Übertragung sei zwar entgeltlich unterlegt gewesen, die Gegenleistungen hätten den Wert des Grundbesitzes aber deutlich unterschritten. Damit liege eine gemischte Schenkung vor.

Fristgerechte Berufung – Bedeutung des Empfangsbekenntnisses

Der Beklagte hatte im Berufungsverfahren zunächst bestritten, dass die Berufung des Klägers fristgerecht eingelegt worden sei. Das OLG Regensburg stellte jedoch klar, dass die Berufungsfrist ordnungsgemäß gewahrt wurde. Maßgeblich war das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO), das den Zugang des landgerichtlichen Urteils belegt.

Das Empfangsbekenntnis gilt nach ständiger Rechtsprechung als Beweis für den tatsächlichen Zugang einer gerichtlichen Entscheidung und markiert damit den Beginn der Berufungsfrist nach § 517 ZPO. Da das Datum auf dem Empfangsbekenntnis eindeutig war und keine Anhaltspunkte für eine spätere Zustellung bestanden, sah das OLG die Berufung als fristgerecht eingegangen an.

Fazit: OLG Regensburg schützt Schlusserben vor missbräuchlichen Zuwendungen

Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Schlusserben in gemeinschaftlichen Testamenten, wenn Erblasser zu Lebzeiten Vermögensverschiebungen vornehmen, die den testamentarisch vorgesehenen Erbgang beeinträchtigen. Zugleich unterstreicht es die Bedeutung einer klaren Vertragsgestaltung und dokumentierten Gegenleistung, um spätere Streitigkeiten über gemischte Schenkungen zu vermeiden.

Quellen


[1]OLG Nürnberg Endurteil v. 12.9.2025 – 1 U 2003/24

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