Verdeckte Gewinnausschüttung trifft Behindertenausgleich
Wenn das eigene Zuhause wegen einer schweren Behinderung zum Pflegeort wird, steigen die Kosten schnell: Umbauten, barrierefreie Zugänge, ein spezielles Pflegebad – all das kostet Geld. Doch was passiert, wenn das Haus der eigenen GmbH gehört, Teile davon unentgeltlich genutzt werden und das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung darin sieht? Der Bundesfinanzhof stellt klar: Behinderungsbedingter Mehraufwand darf trotzdem als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden – selbst dann, wenn er sich als ersparte Miete zeigt. Entscheidend ist, was in einer einfachen, aber funktionalen Bauweise notwendig gewesen wäre – nicht, was durch aufwendige Gestaltung zusätzlich entstanden ist.
Was ist passiert?
Ein Ehepaar mit einem schwerbehinderten Sohn stand vor einer besonderen Herausforderung: Ihr Kind war von Geburt an auf einen Rollstuhl angewiesen und benötigte ein barrierefreies Zuhause. Der Vater war zugleich Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, die Eigentümerin des Familienhauses war. Um die Wohnsituation an die Bedürfnisse des Kindes anzupassen, ließ die GmbH einen Verbindungsbau mit einem speziell ausgestatteten Pflegebad errichten – ein erheblicher Aufwand, den sie selbst finanzierte.
Im Gegenzug wurde die Miete für das Wohnhaus leicht erhöht, während Teile des zweiten Hauses unentgeltlich genutzt wurden. Das Finanzamt sah darin eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter und erkannte nur einen Teil der behinderungsbedingten Mehrkosten als außergewöhnliche Belastung an. Die Eltern wollten jedoch die gesamten Umbaukosten geltend machen – schließlich sei der Anbau allein wegen der Behinderung ihres Sohnes notwendig gewesen. Der Streit ging bis zum Bundesfinanzhof.
Maßstab für den steuerlich anerkannten Mehraufwand
Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, wie weit der steuerliche Abzug außergewöhnlicher Belastungen reicht, wenn behinderungsbedingte Umbaukosten und gesellschaftsrechtliche Verflechtungen zusammentreffen. Der Bundesfinanzhof musste klären, welche Aufwendungen tatsächlich zwangsläufig entstanden sind und wie ersparte Mietvorteile steuerlich zu behandeln sind.
- Nur behinderungsbedingter Mehraufwand ist abziehbar
Die Kosten eines behindertengerechten Um- oder Anbaus sind steuerlich nur insoweit abzugsfähig, wie sie tatsächlich durch die Behinderung notwendig sind. Gestalterische oder luxuriöse Elemente, die über das funktional Erforderliche hinausgehen, gelten als freiwilliger Mehraufwand und bleiben steuerlich unberücksichtigt. - Maßstab ist die konventionelle Bauweise
Für die Ermittlung des abziehbaren Anteils kommt es auf die Kosten an, die bei einer einfachen, konventionellen Bauweise entstanden wären. Der Bundesfinanzhof setzte diesen Wert im Streitfall höher an als das Finanzgericht, wodurch sich eine zusätzliche außergewöhnliche Belastung von 264 Euro ergab. - Ersparte Mietaufwendungen können außergewöhnliche Belastungen sein
Wird Wohnraum unentgeltlich überlassen und als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt, dürfen die ersparten Aufwendungen anteilig als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Voraussetzung ist, dass die Nutzung unmittelbar durch die Behinderung bedingt ist – etwa, wenn ein barrierefreies Schlafzimmer für ein behindertes Kind erforderlich ist.
Steuerliche Einordnung behinderungsbedingter Umbaukosten
Das Urteil zeigt deutlich, dass der Bundesfinanzhof die steuerliche Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen strikt am tatsächlichen behinderungsbedingten Mehraufwand ausrichtet. Nur Kosten, die unmittelbar durch die Behinderung notwendig sind, dürfen steuerlich abgezogen werden – nicht aber Aufwendungen, die auf persönliche Wohnwünsche oder gehobene Ausstattungen zurückgehen. Gleichzeitig schafft das Gericht Rechtssicherheit für Fälle, in denen behinderungsbedingte Vorteile durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, wie etwa verdeckte Gewinnausschüttungen, überlagert werden. Entscheidend ist also nicht, wer die Kosten trägt oder wie sie bilanziell erscheinen, sondern ob sie auf einer echten, zwangsläufigen Belastung beruhen.
1. Nachweis der Zwangsläufigkeit: Dokumentieren Sie eindeutig, dass die Umbauten ausschließlich wegen der Behinderung notwendig waren – durch ärztliche Unterlagen oder Pflegegutachten.
2. Abgrenzung von Luxusmaßnahmen: Nur der behinderungsbedingte Mehrteil ist steuerlich abziehbar; ästhetische oder hochwertige Ausführungen sind Privatsache.
3. Verdeckte Gewinnausschüttungen richtig einordnen: Auch ersparte Mietaufwendungen können als außergewöhnliche Belastung zählen, wenn sie unmittelbar auf den behinderungsbedingten Nutzungsbedarf entfallen.
Quelle:
BFH-Urteil vom 17. Juni 2025, VI R 15/23

