Kenntnis des Finanzamts bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen

Kenntnis des Finanzamts bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen Wann gespeicherte Daten nicht als Kenntnis des Finanzamts gelten Wann gilt eine Finanzbehörde als „unwissend" im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr....

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Kenntnis des Finanzamts bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen

Wann gespeicherte Daten nicht als Kenntnis des Finanzamts gelten

Wann gilt eine Finanzbehörde als „unwissend“ im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO? Diese Frage ist entscheidend, wenn es um die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen geht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14. Mai 2025 (VI R 14/22) klargestellt, dass elektronische Daten, die lediglich in behördeninternen Speichern abrufbar sind, nicht automatisch als bekannt gelten. Damit schärft das Gericht die Abgrenzung zwischen tatsächlicher Kenntnis und bloß technischer Verfügbarkeit – ein zentraler Punkt für Verjährungsfragen und den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung.

Was ist passiert?

Im Streitfall hatten Ehegatten seit Jahren gemeinsam Einkommensteuererklärungen eingereicht. Ab dem Jahr 2009 erzielte jedoch auch die Ehefrau Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – die Steuerklassenkombination III/V machte die Abgabe einer Steuererklärung verpflichtend. Trotz dieser Pflicht reichten die Eheleute keine Erklärungen mehr ein.

Das Finanzamt bemerkte den Umstand erst Jahre später – 2018 – im Rahmen einer eDaten-Prüfung der Oberfinanzdirektion. Daraufhin erließ es Schätzungsbescheide und Verspätungszuschläge. Das Finanzgericht Münstersah darin keine Steuerhinterziehung, da dem Finanzamt die elektronischen Lohnsteuerdaten abrufbar vorgelegen hätten. Es habe daher „Kenntnis“ gehabt.

Der Bundesfinanzhof hatte zu klären, ob das bloße Vorhandensein elektronischer Lohnsteuerdaten bereits genügt, um eine Kenntnis der Finanzbehörde im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO anzunehmen. Damit stand die Abgrenzung zwischen technischer Datenverfügbarkeit und tatsächlicher behördlicher Kenntnis im Mittelpunkt. Der BFH verneinte dies und hob die Entscheidung des Finanzgerichts Münster auf.

Behördenkenntnis und Datenverfügbarkeit

Der Bundesfinanzhof hatte zu klären, ob das bloße Vorhandensein elektronischer Lohnsteuerdaten bereits genügt, um eine Kenntnis der Finanzbehörde im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO anzunehmen. Damit stand die Abgrenzung zwischen technischer Datenverfügbarkeit und tatsächlicher behördlicher Kenntnis im Mittelpunkt. Der BFH verneinte dies und hob die Entscheidung des Finanzgerichts Münster auf.

  1. Keine Kenntnis ohne Aktenzugang
    Die Finanzbehörde gilt nur dann als „wissend“, wenn steuerlich erhebliche Informationen in die amtliche Akte aufgenommen wurden. Daten, die lediglich elektronisch gespeichert sind, ohne in die Akte zu gelangen, bleiben unbeachtlich. Der bloße technische Zugriff ersetzt keine tatsächliche Kenntnis.
  2. Maßgeblich ist die organisatorische Zuständigkeit
    Kenntnis kann nur den Personen zugerechnet werden, die innerhalb der Behörde tatsächlich für den Steuerfall zuständig sind. Allgemein verfügbare oder ungezielte Datenspeicherungen reichen dafür nicht aus. Damit schützt der BFH das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG.
  3. Fehlende Feststellungen zum Vorsatz
    Das Finanzgericht hatte keine ausreichenden Feststellungen zum subjektiven Tatbestand getroffen. Ob Vorsatz oder Leichtfertigkeit vorlag, bleibt offen. Dies ist im zweiten Rechtsgang ebenso zu prüfen wie die Rechtmäßigkeit der verlängerten Festsetzungsfrist und der Verspätungszuschläge.

Bedeutung für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung

Das Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Abgrenzung zwischen behördlicher Kenntnis und bloßer Datenverfügbarkeit im Steuerstrafrecht. Der BFH stellt klar, dass elektronische Informationen erst dann als bekannt gelten, wenn sie Bestandteil der amtlichen Aktenführung sind und einem zuständigen Bearbeiter tatsächlich zugeordnet werden können. Für Steuerpflichtige bedeutet dies, dass die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung auch dann fortbesteht, wenn der Finanzverwaltung sämtliche Lohndaten technisch vorliegen. Zugleich stärkt die Entscheidung die Rechtssicherheit, indem sie die Anforderungen an die Kenntnis der Finanzbehörde im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO eindeutig bestimmt und die Ausdehnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf bloß gespeicherte Daten verhindert.

Tipp:

1. Steuererklärungspflicht ernst nehmen
Auch wenn dem Finanzamt elektronische Lohndaten vorliegen, bleibt die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung bestehen. Die Datenübermittlung durch Arbeitgeber ersetzt keine eigene Mitwirkung.
2. Datenzugang dokumentieren
Steuerpflichtige sollten nachvollziehbar festhalten, wann und in welchem Umfang sie Daten an die Finanzverwaltung übermitteln. Dies kann im Streitfall helfen, den eigenen Kenntnisstand zu belegen.
3. Verjährungsfristen prüfen
Fehlt der Finanzbehörde tatsächliche Kenntnis, kann sich die Festsetzungsfrist auf bis zu zehn Jahre verlängern. Eine rechtzeitige Klärung schützt vor späteren Nachforderungen und strafrechtlichen Risiken.

Quelle:

BFH-Urteil vom 14. Mai 2025, VI R 14/22

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