Wann unversteuerte Kapitalerträge zur Rettung der Frist führen
Wenn es um Zinsen, Dividenden und andere Kapitaleinkünfte geht, kann der berühmte Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG bares Geld sparen – doch nur, wenn man rechtzeitig handelt. Denn wie der Bundesfinanzhof nun klargestellt hat, stoppt dieser Antrag nicht die Verjährungsuhr. Wer also erst Jahre später die Steuererklärung samt Antrag nachreicht, schaut schnell in die Röhre. Zugleich zeigt das Urteil eindrucksvoll, wann ausländische oder unversteuerte Kapitalerträge eine Pflichtveranlagung auslösen – und damit die rettende Fristverlängerung bringen können.
Was ist passiert?
Die Erben einer im Jahr 2018 verstorbenen Steuerpflichtigen wollten nachträglich für die Jahre 2014 und 2015 eine Günstigerprüfung durchführen lassen, um Kapitalerträge in den regulären Einkommensteuertarif einzubeziehen. Die entsprechenden Steuererklärungen reichten sie jedoch erst am 30. Dezember 2020 ein – also deutlich nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist.
Das Finanzamt lehnte die Veranlagung ab: Für 2014 und 2015 sei die Steuer längst verjährt. Die Kläger hielten dagegen, der Antrag auf Günstigerprüfung müsse die Festsetzungsfrist hemmen. Das Finanzgericht Nürnberg folgte dieser Argumentation nicht. Doch vor dem Bundesfinanzhof erzielten die Erben einen Teilerfolg: Für 2015 muss das Finanzamt die Steuererklärung samt Günstigerprüfung doch noch berücksichtigen, für 2014 hingegen blieb es bei der Ablehnung
Wann die Günstigerprüfung keine Fristen rettet
Der Bundesfinanzhof nutzte den Fall, um eine zentrale Frage zu beantworten: Kann der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG den Beginn oder Ablauf der Festsetzungsfrist beeinflussen? Die Antwort ist eindeutig – nein. Das Urteil verdeutlicht zugleich, wann unversteuerte Kapitalerträge dennoch eine Pflichtveranlagung und damit eine Verlängerung der Frist auslösen können.
Die drei wesentlichen Gründe des Urteils:
- Keine anlaufhemmende Wirkung des Antrags auf Günstigerprüfung
Der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG ist ein Wahlrecht, aber kein fristverlängerndes Ereignis. Er begründet keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung und kann daher auch nicht den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO hinausschieben. Wird der Antrag erst nach Ablauf der Frist gestellt, bleibt die Steuerfestsetzung verjährt. - Veranlagungsjahr 2014: Verjährung mangels Pflichtveranlagung
Im Jahr 2014 hatte die Erblasserin ausschließlich Kapitalerträge, die bereits der Kapitalertragsteuer unterlagen. Damit lag kein Pflichtveranlagungsfall nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor. Die vierjährige Festsetzungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2014 und endete Ende 2018 – zu diesem Zeitpunkt war der Steueranspruch erloschen. - Veranlagungsjahr 2015: Pflichtveranlagung durch ausländische Kapitalerträge
Für 2015 erklärte die Erblasserin zusätzlich ausländische Kapitalerträge in Höhe von 2.683 €, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlagen. Diese sind in die „positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte“ einzubeziehen. Da die 410-€-Grenze überschritten wurde, bestand eine Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung. Dadurch begann die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2018, sodass die am 30.12.2020 abgegebene Erklärung rechtzeitig war. Das Finanzamt muss deshalb die Günstigerprüfung für 2015 durchführen.
Warum Fristenkontrolle und Kapitalertragsprüfung jetzt noch wichtiger werden
Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz, weil es gleich zwei verbreitete Irrtümer korrigiert. Zum einen zeigt es, dass der Antrag auf Günstigerprüfung keine Möglichkeit ist, eine bereits abgelaufene Festsetzungsfrist „wiederzubeleben“. Steuerpflichtige, die erst spät eine Steuererklärung einreichen, können sich nicht darauf berufen, dass der Antrag den Fristbeginn hemmt. Zum anderen verdeutlicht der Bundesfinanzhof, dass unversteuerte Kapitalerträge – insbesondere aus dem Ausland – eine Pflichtveranlagung auslösen können.
Für Berater bedeutet das: Bei Mandanten mit Kapitalerträgen außerhalb Deutschlands oder ohne inländischen Steuerabzug muss immer geprüft werden, ob die 410-Euro-Grenze überschritten wurde. Wird dies versäumt, droht der Eintritt der Festsetzungsverjährung und damit der endgültige Verlust des Anspruchs auf Günstigerprüfung. Wer dagegen rechtzeitig handelt, kann noch innerhalb der Frist die Vorteile des regulären Einkommensteuertarifs sichern.
1. Fristen frühzeitig prüfen:
Die Günstigerprüfung wirkt nur, wenn der Antrag innerhalb der laufenden Festsetzungsfrist gestellt wird. Prüfen Sie daher bei jeder Erklärung, wann die Frist tatsächlich beginnt – insbesondere, ob eine Pflichtveranlagungvorliegt.
2. Ausländische Kapitalerträge immer erfassen:
Auch kleinere Erträge aus dem Ausland oder von Online-Brokern können die 410-Euro-Grenze überschreiten und damit eine Pflichtveranlagung auslösen. Sammeln Sie alle Nachweise (z. B. Zinsbescheinigungen, Tax Vouchers) und halten Sie sie griffbereit.
3. Günstigerprüfung aktiv nutzen – aber rechtzeitig:
Das Wahlrecht nach § 32d Abs. 6 EStG kann sich lohnen, wenn der individuelle Steuersatz unter 25 % liegt. Damit die Steuerersparnis nicht verfällt, sollte der Antrag immer mit der Steuererklärung eingereicht werden – nicht erst nach Ablauf der Frist.
Quelle:
BFH-Urteil vom 14. Mai 2025, VI R 17/23

