Gewinnerzielungsabsicht trotz Verlusten – wann der Betrieb steuerlich relevant bleibt
Wenn ein Unternehmer eine alte Burg saniert, über Jahre Verluste schreibt und kein fertiges Betriebskonzept vorlegen kann – ist das schon Liebhaberei? Der BFH sagt: Nicht unbedingt. Entscheidend ist, ob langfristig ein Totalgewinnmöglich erscheint – und dabei zählen auch stille Reserven, also künftige Wertsteigerungen des Betriebsvermögens. Mit dieser Entscheidung rückt der BFH die wirtschaftliche Realität stärker in den Mittelpunkt und löst sich von überholten Formalanforderungen. Ein klares Signal für alle, die langfristige Investitionen tätigen und ihre Gewinnerzielungsabsicht glaubhaft machen wollen.
Was ist passiert?
Ein Steuerpflichtiger erwarb nach der Wiedervereinigung die historische „Burg A“, um sie zu einem gewerblich genutzten Ensemble aus Gästehaus, Tagungsräumen und Veranstaltungsflächen zu entwickeln. Über Jahre investierte er hohe Summen in die Sanierung – unterstützt durch Fördermittel und Spenden –, Einnahmen erzielte er jedoch kaum.
Das Finanzamt erkannte die Verluste aus der geplanten gewerblichen Vermietung nicht an. Es ging davon aus, dass es sich um Liebhaberei handelte, also um eine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht. Die Begründung: Es fehle an einem betriebswirtschaftlich durchdachten Konzept, die Finanzierung sei lückenhaft, und die Baumaßnahmen wirkten eher privat motiviert.
Das Finanzgericht bestätigte diese Einschätzung – der Steuerpflichtige legte Revision beim BFH ein. Dort bekam er nun Recht, denn der BFH stellte klar: Auch wenn ein Betrieb anfangs Verluste schreibt und kein formales Konzept vorliegt, kann dennoch eine Gewinnerzielungsabsicht bestehen – insbesondere dann, wenn in der Zukunft stille Reservenrealisiert werden könnten, die einen späteren Totalgewinn ermöglichen. Das Verfahren wurde deshalb an das Finanzgericht zurückverwiesen.
BFH präzisiert Kriterien für die Anerkennung gewerblicher Verluste
Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass die Gewinnerzielungsabsicht nicht allein daran scheitert, dass bei Betriebsbeginn kein vollständiges Konzept vorlag oder zunächst Verluste entstanden. Entscheidend ist, ob der Betrieb über seinen gesamten Zeitraum hinweg – also bis zu einer möglichen Aufgabe oder Veräußerung – objektiv die Aussicht auf einen Totalgewinn bietet.
Die drei wesentlichen Punkte des Urteils:
- Einbeziehung stiller Reserven in die Totalgewinnprognose
Das Finanzgericht hatte mögliche stille Reserven, also zukünftige Wertsteigerungen des Betriebsvermögens, nicht berücksichtigt. Der BFH entschied, dass solche stillen Reserven immerin die Totalgewinnprognose einzubeziehen sind – auch dann, wenn sie zu Beginn des Betriebs noch nicht bezifferbar oder dokumentiert waren. - Keine Konzeptpflicht bei Betriebsbeginn
Die Berücksichtigung künftiger Aufgabe- oder Veräußerungsgewinne setzt nicht voraus, dass ein detailliertes Betriebskonzept bereits bei Start vorliegt. Entscheidend ist die wirtschaftliche Realität, nicht die Papierlage. Ein Unternehmer kann also auch ohne „Businessplan“ eine Gewinnerzielungsabsicht haben, solange objektiv Aussicht auf einen Totalgewinn besteht. - Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung
Das Finanzgericht muss nun im zweiten Rechtsgang genauer prüfen:
- Welche Gebäudeteile gehören tatsächlich zum Gewerbebetrieb, welche zur Land- und Forstwirtschaft und welche zur privaten Nutzung?
- Wie weit war die gewerbliche Vermietung schon konkret vorbereitet oder umgesetzt?
- Welche stillen Reserven bestehen realistisch im Betriebsvermögen, und müssten Fördermittel bei einer Veräußerung zurückgezahlt werden?
Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, lässt sich feststellen, ob der Steuerpflichtige tatsächlich mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat oder ob seine Tätigkeit als Liebhaberei einzustufen ist.
Steuerliche Einordnung langfristiger Sanierungs- und Investitionsvorhaben
Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für alle Fälle, in denen Steuerpflichtige über Jahre hinweg Verluste schreiben – etwa bei umfangreichen Sanierungs-, Tourismus- oder Landwirtschaftsprojekten. Der BFH betont, dass die steuerliche Anerkennung nicht an formale Konzepte oder kurzfristige Gewinne geknüpft ist, sondern an die objektive wirtschaftliche Erfolgsaussicht über den gesamten Zeitraum.
Damit stärkt die Entscheidung die Rechtssicherheit für Unternehmer, die langfristig investieren und vorübergehende Anlaufverluste in Kauf nehmen müssen. Zugleich grenzt der BFH klar ab: Wer dauerhaft Verluste hinnimmt, ohne auf eine Verbesserung der Ertragslage hinzuarbeiten, kann sich nicht auf eine Gewinnerzielungsabsicht berufen. Entscheidend bleibt die nachhaltige wirtschaftliche Ausrichtung, nicht die Dauer der Verlustphase.
1. Totalgewinn realistisch kalkulieren
Berücksichtigen Sie bei Prognosen nicht nur laufende Ergebnisse, sondern auch mögliche Aufgabe- oder Veräußerungsgewinne. So lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht langfristig untermauern.
2. Trennung der Tätigkeitsbereiche
Unterscheiden Sie klar zwischen gewerblicher Nutzung, land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit und privater Nutzung. Eine saubere Segmentierung verhindert, dass private Anteile steuerlich anrechenbare Verluste entwerten.
3. Ernsthafte Betriebsführung dokumentieren
Halten Sie alle Maßnahmen fest, die zeigen, dass Sie aktiv auf eine Verbesserung der Ertragslage hinarbeiten – etwa Marktanalysen, Kostenkontrolle oder Anpassungen im Nutzungskonzept. Diese Nachweise sind entscheidend, wenn die Finanzverwaltung Liebhaberei vermutet.
Quelle:
BFH-Urteil vom 21. Mai 2025, III R 45/22

