Erbfall und Testament: Wann ist eine Schlusserbeneinsetzung bindend?

Gemeinschaftliches Testament von 1980 oder neues Testament von 2022? Im Mittelpunkt dieses Falls steht die Frage, ob die Schlusserbeneinsetzung zweier Kinder im gemeinschaftlichen Testament von 1980 bindend war oder ob...

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Gemeinschaftliches Testament von 1980 oder neues Testament von 2022?

Im Mittelpunkt dieses Falls steht die Frage, ob die Schlusserbeneinsetzung zweier Kinder im gemeinschaftlichen Testament von 1980 bindend war oder ob der Erblasser im Jahr 2022 noch wirksam eine neue letztwillige Verfügung treffen konnte. Der Streit dreht sich um die Wirksamkeit von Testamenten, die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Verfügungen und den Widerruf früherer Testamente nach §§ 2258, 2270, 2271 BGB.[1]

Testament von 1980

Der Erblasser war zunächst mit L. verheiratet. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 1980 errichteten beide ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Die beiden gemeinsamen Söhne wurden darin als Schlusserben zu gleichen Teilen bestimmt. Zusätzlich enthielt das Testament eine Wiederverheiratungsklausel sowie eine Pflichtteilsstrafklausel. Besonders bedeutsam war jedoch eine Formulierung, nach der dem überlebenden Ehepartner „keinerlei Beschränkungen“ auferlegt werden sollten – ein Punkt, der später zur entscheidenden Auslegungsfrage wurde.

Weitere Entwicklungen

Nach dem Tod der ersten Ehefrau wurde der Erblasser als befreiter Vorerbe eingesetzt, während die beiden Söhne als Nacherben galten. Pflichtteilsansprüche wurden von den Kindern zu diesem Zeitpunkt nicht geltend gemacht. In den Folgejahren heiratete der Erblasser zweimal neu und lebte seit 1994 mit seiner dritten Ehefrau zusammen. Im Jahr 2019 unternahm die Familie den Versuch, einen notariellen Erbvertrag abzuschließen, der Abfindungszahlungen und Pflichtteilsverzichte vorsah. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande.

Testament von 2022

Im Jahr 2022 errichtete der Erblasser schließlich gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau ein neues gemeinschaftliches Testament. Darin widerriefen beide ausdrücklich alle früheren Verfügungen und setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Für den zweiten Erbfall wurden sowohl die Söhne des Erblassers als auch der Sohn der dritten Ehefrau als Schlusserben vorgesehen. Parallel existierte ein notarieller Erbvertragsentwurf, der jedoch mangels Zustimmung aller Beteiligten keine rechtliche Wirkung entfaltete.

Streit um den Erbschein

Nach dem Tod des Erblassers kam es zu einem gerichtlichen Streit über die Erbfolge. Einer der Söhne beantragte einen Erbschein mit der Begründung, dass das Testament von 1980 aufgrund der dort getroffenen Schlusserbeneinsetzung bindend sei. Demgegenüber stellte die dritte Ehefrau einen eigenen Erbscheinsantrag und berief sich auf das Testament von 2022. Zudem focht sie das Testament von 1980 nach § §2079, 2303 BGB an, da sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei.

Entscheidung des Nachlassgerichts

Das Nachlassgericht entschied zugunsten der Ehefrau. Es stellte fest, dass die Erbfolge nach dem Testament von 2022 zu beurteilen sei. Der Erblasser sei an die Schlusserbeneinsetzung aus dem Jahr 1980 nicht gebunden gewesen, da diese nicht wechselbezüglich zur gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute stand. Maßgeblich sei die Freistellungsklausel, die auch auf die Schlusserbeneinsetzung Anwendung finde. Die Wiederverheiratungsklausel und die Pflichtteilsstrafklausel änderten daran nichts.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf

Gegen diese Entscheidung legte der Sohn Beschwerde ein und verwies insbesondere auf Äußerungen des Erblassers in Zusammenhang mit späteren Erbvertragsentwürfen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte jedoch die Entscheidung der Vorinstanz. Durch Auslegung der Verfügungen hat das OLG Düsseldorf festgestellt, dass die Schlusserbeneinsetzung von 1980 keine Bindungswirkung entfalte und der Erblasser daher 2022 wirksam ein neues Testament errichten konnte. Damit wurde die dritte Ehefrau Alleinerbin. Die Söhne behielten lediglich ihre Stellung als Nacherben nach der ersten Ehefrau, nicht jedoch als Schlusserben nach dem Erblasser.

Fazit

Der Fall zeigt deutlich, dass nicht jede Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament automatisch bindend ist. Entscheidend ist stets die Auslegung des Testaments unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Systematik und der Umstände der Errichtung. Eine Freistellungsklausel kann die Bindungswirkung aufheben und dem überlebenden Ehepartner die Möglichkeit belassen, frei über seinen Nachlass zu verfügen. Für die erbrechtliche Beratung bedeutet dies, dass die genaue Formulierung in gemeinschaftlichen Testamenten entscheidend ist, um spätere Erbstreitigkeiten zu vermeiden.

Tipp:

Wechselseitige Verfügungen: Es muss für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft werden, ob Wechselbezüglichkeit vorliegt.

Bindungswirkung klar regeln: Ehegatten sollten ausdrücklich festhalten, ob Schlusserbeneinsetzungen bindend sein sollen.

Testament aktuell halten: Nach Heirat, Scheidung oder Familienänderungen sollte das Testament überprüft werden.

Quellen


[1] OLG Düsseldorf Beschl. v. 11.3.2025 – 3 W 4/25

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