Keine Sonderregeln für Prostitutionsleistungen
Im Rotlichtgewerbe verschwimmen oft die Grenzen zwischen Selbständigkeit und Organisation. Wer gilt steuerlich als Leistender: die einzelne Prostituierte, die ihre Dienste anbietet, oder der Club, der Räumlichkeiten stellt, Werbung betreibt und als Ansprechpartner für die Gäste auftritt? Der Bundesfinanzhof musste genau diese Frage klären – und entschied, dass die rechtliche Einordnung nicht auf formale Hinweise oder Verträge beschränkt bleibt. Maßgeblich ist die wirtschaftliche Realität, die nach außen sichtbar wird.
Was ist passiert?
Eine Clubbetreiberin argumentierte, nicht sie, sondern die in ihren Räumen tätigen Prostituierten seien umsatzsteuerlich als Leistende anzusehen. Die Frauen hätten ihre Verträge direkt mit den Kunden geschlossen und eigenständig über Art, Umfang und Vergütung entschieden. Der Club habe lediglich Räume und Infrastruktur bereitgestellt.
Das Finanzgericht Nürnberg sah dies anders: Nach außen sei der Club als zentraler Anbieter aufgetreten – über Werbung, Internetauftritt und die Rolle als Ansprechpartner bei Beschwerden. Deshalb wurden die Leistungen dem Club zugerechnet. Gegen diese Entscheidung legte die Betreiberin Beschwerde ein und wollte die Revision erzwingen – ohne Erfolg.
Außenauftritt und gelebte Realität schlagen formale Hinweise
Das Gericht stellte klar, dass im Umsatzsteuerrecht auch für Prostitutionsdienstleistungen die allgemeinen Zurechnungsregeln gelten. Maßgeblich ist, wie der Außenauftritt wirkt und welche wirtschaftliche Realität tatsächlich gelebt wird. Auf dieser Grundlage kam der BFH zu folgenden drei Kernpunkten:
- Auftreten nach außen ist entscheidend
Wer im eigenen Namen auftritt, gilt als Leistender. Da der Club in Werbung und Internetauftritt als Anbieter erschien, war er umsatzsteuerlich Vertragspartner der Kunden. - Beschwerden und Konfliktlösung durch den Club
Kunden wandten sich mit Reklamationen nicht an die einzelnen Prostituierten, sondern an das Clubpersonal. Das zeigte, dass die Leistungen aus Kundensicht dem Club zugerechnet wurden. - Formale Hinweise reichen nicht
Aushänge oder vertragliche Hinweise auf eine Selbständigkeit der Prostituierten haben keine Wirkung, wenn sie der gelebten Realität widersprechen. Entscheidend bleibt die tatsächliche Ausgestaltung.
Außenauftritt konsequent prüfen und dokumentieren
Der Beschluss macht deutlich, dass es für die steuerliche Behandlung sexueller Dienstleistungen keine Sondervorschriften gibt. Maßgeblich sind die allgemeinen Grundsätze des Umsatzsteuerrechts, die an den Außenauftritt und die wirtschaftliche Realität anknüpfen. Entscheidend ist daher nicht, wie Verträge oder Hinweise formuliert sind, sondern wie der Betrieb tatsächlich organisiert ist und wie die Kunden die Leistungen wahrnehmen. Für Bordellbetreiber bedeutet das ein erhebliches Risiko: Wer Werbung und Kundenkommunikation zentral steuert und als Gesamtanbieter auftritt, muss damit rechnen, selbst als Leistender mit allen steuerlichen Konsequenzen behandelt zu werden.
1. Außenauftritt strikt trennen
Website, Werbung, Preislisten und Beschilderung dürfen nur Raumvermietung/Service des Clubs zeigen. Keine Formulierungen, die das Gesamtangebot „Sexdienstleistung“ dem Club zuschreiben.
2. Verträge & Zahlungsströme sauber
Direkte Verträge zwischen Prostituierten und Kunden; getrennte Kassen/Quittungen; kein zentrales Inkasso durch den Club; Miet-/Servicepauschalen klar und ohne Umsatzbeteiligung.
3. Beschwerden & Qualitätssicherung entkoppeln
Reklamationen gehen an die Prostituierten, nicht an den Club. Clubpersonal wird geschult, nur für Räume/Sicherheit zuständig zu sein – kein „Kummerkasten“ für Leistungsqualität.
Quelle:
BFH-Beschluss vom 29. Juli 2025, XI B 73/24

