Gesetzliche Erbfolge prüfen

Pflichtteilsregelung als Mittel zur Enterbung Erbstreitigkeiten entstehen oft dann, wenn Ehegatten über Jahre hinweg mehrere Testamente errichten und die letztwilligen Verfügungen nicht eindeutig aufeinander abgestimmt sind. Insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten...

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Pflichtteilsregelung als Mittel zur Enterbung

Erbstreitigkeiten entstehen oft dann, wenn Ehegatten über Jahre hinweg mehrere Testamente errichten und die letztwilligen Verfügungen nicht eindeutig aufeinander abgestimmt sind. Insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten spielt die Frage eine große Rolle, welche Verfügungen nach dem Tod des Erstversterbenden bindend bleiben und welche später geändert werden dürfen. Der nachfolgende Fall verdeutlicht, wie schnell Unklarheiten über die Wirksamkeit von Enterbungen und die Geltung späterer Testamente entstehen können – mit weitreichenden Folgen für die gesetzliche Erbfolge und die Verteilung des Nachlasses.

Familienkonstellation und Erblasserin

Die im Jahr 2022 verstorbene Erblasserin war seit vielen Jahren verwitwet. Aus ihrer Ehe mit ihrem 2016 vorverstorbenen Ehemann K.S. stammte ein Sohn, der jedoch bereits 2006 verstorben war. Er hinterließ zwei Töchter, die Beteiligten zu 8) und 9). Neben den Enkelkindern spielten in dem Erbstreit auch die Nichten und Neffen der Erblasserin eine Rolle, da ihr Bruder bereits 2013 vorverstorben war.[1]

Gemeinschaftliche Testamente und wechselnde Verfügungen

Über Jahrzehnte errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann mehrere letztwillige Verfügungen, darunter notarielle gemeinschaftliche Testamente in den Jahren 2000 und 2006. 2010 folgte ein handschriftliches Testament, mit dem sie frühere Verfügungen widerriefen und sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Gleichzeitig verfügten sie, dass ihre Enkelinnen lediglich den Pflichtteil erhalten sollten. In einer späteren Ergänzung von 2012 versuchten sie sogar, den Pflichtteil zu entziehen. 2016 bestätigten die Eheleute den Ausschluss der Enkelinnen ausdrücklich.

Testamentarische Änderungen nach dem Tod des Ehemanns

Nach dem Tod ihres Mannes errichtete die Erblasserin weitere Verfügungen. Ein notarielles Testament von 2019 setzte ihre Cousine zur Alleinerbin ein. Später, im Jahr 2021, widerrief sie diese Einsetzung, ohne eine neue Erbin zu bestimmen. Dadurch blieb die Frage offen, ob die gesetzliche Erbfolge eintritt oder ob die früher verfügte Enterbung der Enkelinnen weiterhin Bestand hatte.

Erbscheinsanträge und Streit vor Gericht

Nach dem Tod der Erblasserin beantragten die Enkelinnen einen Erbschein, der sie als gesetzliche Erbinnen zu je ½ ausweisen sollte. Die Nichten und Neffen beantragten dagegen einen Erbschein, der sie zu Erben zu gleichen Teilen erklärte. Sie argumentierten, die gemeinschaftliche Enterbung von 2010 und 2012 sei wirksam geblieben. Das Nachlassgericht folgte jedoch der Auffassung der Enkelinnen und entschied, dass durch die späteren Testamente der Weg für die gesetzliche Erbfolge geöffnet worden sei.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf. Nach seiner Auffassung blieb die Enterbung der Enkelinnen wirksam, da die Erblasserin sie nicht ausdrücklich aufgehoben hatte. Auch die Kontakte der Erblasserin zu den Enkelkindern in den letzten Jahren rechtfertigten keine andere Auslegung. Nach der gesetzlichen Erbfolge wären die Enkelinnen der Erblasserin, Beteiligte zu 8) und 9), grundsätzlich Erben der ersten Ordnung. Dies wird jedoch durch das gemeinschaftliche Testament der Eheleute S. vom 25.03.2010 verhindert, in dem die Enkelinnen nur ihren Pflichtteil erhalten sollten – eine klare Enterbung. Die Ergänzung vom 09.07.2012 bekräftigte diese Enterbung und ordnete ggf. eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 BGB an.

Auch spätere Testamente, insbesondere das vom 01.12.2016, bestätigten die Gültigkeit dieser Ergänzung, sodass die Enterbung trotz Widerruf des ursprünglichen Testaments fortbesteht. Einseitige spätere Testamente der Erblasserin vom 06.03.2019 und 26.04.2021 widerriefen lediglich andere Verfügungen und betrafen nicht die gemeinschaftlich angeordnete Enterbung.

Damit treten die Enkelinnen nicht als gesetzliche Erben ein. Stattdessen sind die Nichten und Neffen der Erblasserin als Kinder ihres einzigen Bruders gesetzliche Erben geworden.

Fazit: Bedeutung klarer Testamentsgestaltung

Der Fall zeigt eindrücklich, wie entscheidend klare Formulierungen und die rechtliche Einordnung von gemeinschaftlichen Testamenten sind. Unklare Widerrufserklärungen und mehrfach wechselnde Testamente führen häufig zu Erbstreitigkeiten, die erst durch gerichtliche Entscheidungen geklärt werden können. Für Erblasser empfiehlt sich daher rechtliche Beratung, um den eigenen Willen eindeutig und rechtssicher festzuhalten.

Tipp:

Enterbung erkennen: Wenn gesetzliche Erben nur ihren Pflichtteil erhalten sollen, gilt dies in der Regel als Enterbung.

Widerruf richtig einordnen: Ein Widerruf einseitiger Verfügungen betrifft normalerweise nicht das gemeinschaftliche Testament.

Wechselseitige vs. einseitige Verfügungen: Prüfen, welche Regelungen gemeinsam und welche allein getroffen wurden, um Widerrufe korrekt zu verstehen.

Quellen


[1]OLG Zweibrücken Beschl. v. 18.2.2025 – 8 W 18/24

 

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