Kapitalverluste richtig steuerlich geltend machen
Ein Bürgschaftsfall, der schiefgeht, kann nicht nur teuer werden – er wirft auch komplexe Steuerfragen auf. Muss ein Unternehmer, der für eine GmbH gebürgt und später gezahlt hat, den Verlust einfach hinnehmen? Oder kann er ihn als Kapitalverlust steuerlich geltend machen? Der BFH setzt nun eine klare Weichenstellung: Selbst eine unentgeltlich übernommene Bürgschaft unter fremden Dritten führt nicht automatisch zum Verlustabzugsverbot. Entscheidend ist, ob ein wirtschaftlicher Hintergrund erkennbar war – und genau hier steckt der Schlüssel für Berater und Steuerpflichtige.
Was ist passiert?
Ein Steuerpflichtiger hatte im Jahr 2010 eine Höchstbetragsbürgschaft von 200.000 € für ein Darlehen übernommen, das eine Bank an die Z-GmbH ausgereicht hatte. Persönlich war er an dieser Gesellschaft nicht beteiligt. Kurz darauf wandelte er die Bankfinanzierung in ein eigenes Darlehen um: Mit Vertrag vom Januar 2011 gewährte er der GmbH ein verzinsliches Darlehen über rund 180.000 €, verbunden mit einer jährlichen Verzinsung von 7 % und einer Gewinn- und Verlustbeteiligung von 10 %.
Doch die Z-GmbH geriet bereits 2012 in die Insolvenz. Der Kläger wurde aus seiner Bürgschaft in Höhe von über 188.000 € in Anspruch genommen und zahlte an die Bank. Seine Regressforderungen gegen die GmbH meldete er zwar zur Insolvenztabelle an – doch sie waren wirtschaftlich wertlos.
Das Finanzamt lehnte den beantragten Verlustabzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab. Auch das Finanzgericht Nürnberg sah keine steuerlich relevanten Verluste und wies die Klage ab. Erst vor dem BFH kam die Wende: Das Urteil wurde aufgehoben und zurückverwiesen.
Neue Maßstäbe für den Verlustabzug bei Bürgschaften
Der BFH stellte klar: Eine Bürgschaftsregressforderung gehört zu den Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Deren Ausfall kann steuerlich als Verlust erfasst werden – auch wenn die Bürgschaft unentgeltlich übernommen wurde.
Entscheidend sind drei Punkte:
- Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht
Bei Einkünften aus Kapitalvermögen wird grundsätzlich angenommen, dass der Steuerpflichtige einen Totalgewinn anstrebt. Diese Vermutung gilt auch bei atypischen oder verlustträchtigen Geschäften – und sogar bei unentgeltlich übernommenen Bürgschaften zwischen fremden Dritten. - Zeitpunkt der Prüfung
Ob diese Vermutung widerlegt ist, muss im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme geprüft werden – nicht erst, wenn später die Insolvenz eintritt und die Forderung wertlos wird. - Widerlegung nur bei fehlendem wirtschaftlichen Hintergrund
Die Vermutung entfällt erst dann, wenn die Bürgschaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Beweggrund gestellt wurde. Persönliche Beziehungen allein reichen nicht, solange nachvollziehbare wirtschaftliche Erwägungen im Raum stehen – wie hier etwa das vereinbarte Darlehen mit Zinsen und Gewinnbeteiligung.
Praktische Folgen für den Abzug von Bürgschaftsverlusten
Das Urteil verdeutlicht, dass der Abzug von Verlusten aus Bürgschaftsregressforderungen keine Ausnahme darstellt, sondern in vielen Fällen möglich bleibt. Wer eine Bürgschaft übernimmt, sollte dabei die wirtschaftlichen Beweggründeklar dokumentieren. Selbst wenn die Bürgschaft unentgeltlich erfolgt, wird die Einkünfteerzielungsabsicht grundsätzlich angenommen – erst das völlige Fehlen eines wirtschaftlichen Hintergrunds schließt den Verlustabzug aus.
Für die steuerliche Beratung bedeutet das: Es lohnt sich, die Motivation bei Bürgschaftsübernahmen sorgfältig aufzuzeichnen – etwa Darlehensverträge, Zinsvereinbarungen oder Gewinnbeteiligungen. Kommt es später zum Ausfall, kann so belegt werden, dass die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht widerlegt ist.
Zudem weist der BFH auf den Zeitpunkt der Realisation hin: Der Verlust kann bereits mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Insolvenzverfahren steuerlich berücksichtigt werden. Das eröffnet in vielen Fällen die Möglichkeit einer früheren Verlustverrechnung.
1. Wirtschaftliche Motive dokumentieren
Halten Sie beim Abschluss einer Bürgschaft alle wirtschaftlichen Gründe schriftlich fest – etwa Zinsvereinbarungen, Gewinnbeteiligungen oder bestehende Geschäftsbeziehungen.
2. Verlustzeitpunkt im Blick behalten
Prüfen Sie frühzeitig, ob bereits die Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Insolvenzverfahren den endgültigen Ausfall begründet. So lässt sich der Verlust steuerlich zeitnah geltend machen.
3. Private Motive klar abgrenzen
Persönliche Verbindungen spielen zwar eine Rolle, reichen aber allein nicht aus, um die Einkünfteerzielungsabsicht auszuschließen. Stellen Sie daher sicher, dass wirtschaftliche Hintergründe im Vordergrund stehen.
Quelle:
BFH-Urteil vom 01. Juli 2025, VIII R 3/23

