Wann ist eine Enterbung sittenwidrig?

Die Enterbung im Veltins-Brauerei-Fall  Die Gestaltung eines Testaments unterliegt dem Grundsatz der Testierfreiheit. Erblasserinnen und Erblasser dürfen grundsätzlich frei darüber entscheiden, wie ihr Vermögen nach ihrem Tod verteilt wird. Einschränkungen...

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Die Enterbung im Veltins-Brauerei-Fall 

Die Gestaltung eines Testaments unterliegt dem Grundsatz der Testierfreiheit. Erblasserinnen und Erblasser dürfen grundsätzlich frei darüber entscheiden, wie ihr Vermögen nach ihrem Tod verteilt wird. Einschränkungen bestehen nur in engen gesetzlich definierten Grenzen, etwa bei einer behaupteten Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Im Erbrecht führt die Diskussion um die Sittenwidrigkeit häufig zu Streitigkeiten zwischen Enterbten und den eingesetzten Erben, insbesondere wenn der Enterbte die Verfügung für ungerecht oder diskriminierend hält. Die juristische Analyse prüft daher sowohl die objektiven Umstände der Enterbung als auch die Einhaltung der Testierfreiheit

Pflichtteilsverzicht und Erbstreit um Familienunternehmen

Die Erblasserin setzte in ihrem Testament vom 28.05.1993 ihre beiden Töchter als Alleinerbinnen ein und enterbte den Kläger. Dieser behauptete, dass die Verfügung sittenwidrig sei, da er angeblich aufgrund seines Geschlechts oder familiärer Konflikte benachteiligt worden sei.

Der Kläger fordert zunächst die Feststellung, dass er Erbe zu 1/3 nach dem Tod seiner Mutter  ist. Hilfsweise beantragt er detaillierte Auskünfte über alle Aktiva, Passiva, Zuwendungen, Unternehmensbeteiligungen und Bilanzen, ggf. ergänzt durch eidesstattliche Versicherungen der Beklagten. Anschließend sollen Sachverständige den Nachlasswert ermitteln und der Kläger seinen Pflichtteil einschließlich Zinsen geltend machen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Sie bestreiten Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Testamentserrichtungszeitpunkt, weisen Sittenwidrigkeit und Geschlechtsdiskriminierung zurück und halten den Pflichtteilsverzicht des Klägers für wirksam. Zudem argumentieren sie, dass alle Ansprüche des Klägers verjährt oder verwirkt seien.

Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB: Rechtliche Grundlagen

Nach geltender Rechtsprechung ist eine Verfügung von Todes wegen nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen sittenwidrig. Die Testierfreiheit ist durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Das Testament der Erblasserin fällt in den Bereich zulässiger Nachlassgestaltung, da sie nach eigenem Ermessen über ihr Vermögen verfügen durfte, selbst wenn einzelne Kinder ausgeschlossen werden. Eine Grenze besteht erst dort, wo die nahen Angehörigen aus rassistischen oder religiösen Gründen diskriminiert werden. Sittenwidrigkeit kann auch angenommen werden, wenn der Erblasser durch die Errichtung der letztwilligen Verfügung zu einem bestimmten Verhalten, welches höchstpersönliche Lebensentscheidungen des Bedachten betrifft, bestimmen oder abhalten möchte.

Objektive Gründe für die Enterbung

Die vom Kläger behauptete Diskriminierung ist nicht belegbar. Es bestehen objektive Gründe für die Enterbung: Der Kläger beging zu Lebzeiten einen Diebstahl zu Lasten der Erblasserin, führte einen unsteten Lebensstil und war verschuldet. Auch die frühzeitige Internatsunterbringung stellt kein Indiz für eine unzulässige Benachteiligung dar. Darüber hinaus erhielt der Kläger bereits erhebliche Zuwendungen, darunter Unterbeteiligungen und Rückübertragungen im Gesamtwert von rund 11 Millionen DM.

Testierfreiheit und Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des BGH gilt eine Verfügung nur dann als sittenwidrig, wenn die Benachteiligung außergewöhnlich schwerwiegend ist. Die Entscheidung der Erblasserin, ihre Töchter als Alleinerbinnen einzusetzen, ist eine nachvollziehbare Ermessensentscheidung. Auch ein möglicher Irrtum über den Pflichtteilsverzicht oder formelle Mängel führen nicht zur Sittenwidrigkeit.

Fazit: Keine Sittenwidrigkeit und wirksame Enterbung

Das Testament vom 28.05.1993 ist weder sittenwidrig noch unrechtmäßig. Die Enterbung des Klägers ist rechtlich wirksam, da ausreichend objektive Gründe vorliegen und er zu Lebzeiten bereits berücksichtigt wurde. Die Testierfreiheit der Erblasserin bleibt uneingeschränkt gewahrt, und der Kläger ist weder Erbe geworden noch hat er ein Pflichtteilsanspruch.

Tipp:

Testierfreiheit respektieren: Erblasserinnen und Erblasser können grundsätzlich frei über ihr Vermögen verfügen; Einschränkungen bestehen nur bei besonders schwerwiegender Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).

Objektive Gründe dokumentieren: Eine Enterbung ist nur sittenwidrig, wenn die Benachteiligung außergewöhnlich gravierend ist. Frühere Zuwendungen, Verhalten des Enterbten oder objektive Tatsachen können berücksichtigt werden.

Rechtsprechung berücksichtigen: Ein Testament wird nur in Ausnahmefällen für sittenwidrig erklärt. Mögliche Irrtümer oder formelle Mängel führen nicht automatisch zur Unwirksamkeit.

Quellen


[1] LG Arnsberg Urt. v. 5.6.2025 – 4 O 84/24, BeckRS 2025, 14871

[2] MAH ErbR/Malitz § 7 Rn. 13

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