„Der Lebensgefährte darf nicht ins Haus!?“ – Wenn Testamente zu weit gehen
Manche Testamente werfen nicht nur juristische, sondern auch menschliche Fragen auf – wie in einem bemerkenswerten Fall aus Bochum: Die Erblasserin hinterließ ihrer Tochter und Enkelin ein Haus, in dem drei Generationen lange unter einem Dach gelebt hatten. Die Tochter wohnte dort mit ihrer eigenen Tochter, der langjährige Lebensgefährte hatte zwar eine Wohnung nebenan, war aber praktisch Teil der Familie: Er reparierte im Haus, war eine Vaterfigur für die Enkelin und ging dort ein und aus – ganz selbstverständlich.
Doch in ihrem notariellen Testament verfügte die Mutter eine überraschende Einschränkung: Der Lebensgefährte dürfe das Grundstück künftig nicht mehr betreten – und es sei den Erbinnen ausdrücklich verboten, ihm das Haus zu überlassen. Bei Zuwiderhandlung sollte ein eingesetzter Testamentsvollstrecker das Haus verkaufen und den Großteil des Erlöses an gemeinnützige Organisationen ausschütten.
Das Problem: Zwischen den Beteiligten hatte es nie einen Streit gegeben. Die Bedingung griff tief in das private Zusammenleben ein – und genau das machte sie sittenwidrig.[1]
Juristische Bewertung
Das Gericht stellte klar: Die Testierfreiheit erlaubt grundsätzlich auch ungewöhnliche Bedingungen. Doch wo diese das höchstpersönliche Lebensumfeld der Erben betreffen und ihnen faktisch vorschreiben, mit wem sie Umgang pflegen dürfen, kann eine unzulässige Drucksituation entstehen. In solchen Fällen ist die Grenze zur Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) überschritten – mit der Folge, dass die Bedingung als nichtig gilt.
Im Ergebnis blieben Tochter und Enkelin also uneingeschränkt Erbinnen. Der Lebensgefährte durfte weiterhin das Haus betreten – und der Testamentsvollstrecker nahm nach gerichtlichem Hinweis seine Berufung zurück.
Fazit für Mandanten
Auch wenn das Erbrecht viel Gestaltungsspielraum lässt: Bedingungen, die in das Privatleben der Erben eingreifen, können rechtlich unzulässig sein. Wer sein Testament rechtssicher gestalten möchte – auch bei schwierigen Familienkonstellationen – sollte sich anwaltlich beraten lassen.
[1] OLG Hamm, 10 U 58/21

