Gemeinschaftliches Testament in der Patchwork-Familie

Einheitslösung oder Trennungslösung? In Patchwork-Familien stellt die Testamentsgestaltung Ehegatten vor besondere Herausforderungen. Oftmals sollen sowohl der überlebende Partner abgesichert als auch leibliche und nicht leibliche Kinder (Stiefkinder) gerecht bedacht werden....

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Einheitslösung oder Trennungslösung?

In Patchwork-Familien stellt die Testamentsgestaltung Ehegatten vor besondere Herausforderungen. Oftmals sollen sowohl der überlebende Partner abgesichert als auch leibliche und nicht leibliche Kinder (Stiefkinder) gerecht bedacht werden. Klassische Berliner Testamente führen hier jedoch häufig zu Problemen – insbesondere dann, wenn Stiefkinder nicht ausdrücklich als Erben eingesetzt werden. Ob eine Einheitslösung oder Trennungslösung gewollt war, ist häufig auslegungsbedürftig. Eine präzise und rechtssichere Testamentsformulierung ist daher unerlässlich.

Gemeinschaftliches Testament: Der konkrete Fall

Der Erblasser war in zweiter Ehe mit D. W., geb. K., verheiratet. Beide Ehegatten hatten jeweils eine Tochter aus früheren Beziehungen – Beteiligte zu 1 (leibliche Tochter des Erblassers) und Beteiligte zu 2 (Tochter der Ehefrau). Gemeinsame Kinder gab es nicht.

Am 20.07.2010 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament. Es enthält u.a. folgende Regelungen:

  • Gegenseitige Erbeinsetzung der Ehepartner
  • Pflichtteilsansprüche nur für die jeweilige leibliche Tochter
  • Nutzungsrecht der Eigentumswohnung für den überlebenden Ehegatten; Verfügung durch die Töchter erst nach dessen Tod (Satz 6)

Die Eigentumswohnung wurde noch zu Lebzeiten auf Beteiligte zu 2 übertragen. Nach dem Tod der Ehefrau beantragte Beteiligte zu 1 einen Erbschein als Alleinerbin auf Grundlage gesetzlicher Erbfolge.[1]

Streit um die Testamentsauslegung

Das Nachlassgericht prüfte drei Auslegungsvarianten:

  • Einheitslösung mit gesetzlicher Erbfolge nach dem Letztversterbenden (Beteiligte zu 1)
  • Trennungslösung mit jeweils familienstrangbezogener Erbfolge (Beteiligte zu 2)
  • Einheitslösung mit hälftiger Erbfolge der beiden Töchter an der Eigentumswohnung

Mit Beschluss vom 31.08.2023 stellte das Gericht fest: Der Längerlebende war Vollerbe, die beiden Töchter erben nach dem Letztversterbenden je zur Hälfte die Wohnung, im Übrigen gilt gesetzliche Erbfolge. Beteiligte zu 2 legte dagegen Beschwerde ein – sie hielt eine Trennungslösung für gewollt.

Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 2 am 09.10.2023 Beschwerde ein. Sie erstrebte die Feststellung, dass eine Trennungslösung vereinbart worden sei. Sie verwies auf die besondere Patchwork-Familiensituation.

 Formgültigkeit und Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments

Die Eheleute haben ein gemeinschaftliches Testament nach §§ 2263, 2267 BGB formwirksam errichtet. Dessen Auslegung richtet sich nach den §§ 133, 2084 BGB, ergänzt durch die Besonderheiten gemeinschaftlicher Verfügungen (§§ 2265 ff. BGB).

Die vom Nachlassgericht herangezogene Auslegungsregel des § 2269 BGB greift nur „im Zweifel“ und dient lediglich der Lückenschließung, wenn keine sichere Willensbildung erkennbar ist.

Auslegung bei Patchwork-Familien

Die Eheleute haben sich gegenseitig als uneingeschränkte Vollerben eingesetzt (Satz 1). Hinweise auf eine Beschränkung oder eine Trennungslösung fehlen. Auch Satz 2 (Pflichtteil aus Geldvermögen) stützt dieses Verständnis.

Satz 6 betrifft allein den zweiten Erbfall. Er regelt ein Verfügungsrecht der beiden Töchter an der Eigentumswohnung erst nach dem Tod des Längerlebenden. Eine Beschränkung des Überlebenden im Sinne einer Vorerbschaft ist nicht erkennbar. Tatsächlich haben die Eheleute zu Lebzeiten gemeinsam über die Wohnung verfügt.

Das Testament ist daher so auszulegen, dass eine Einheitslösung gewollt war: Der überlebende Ehegatte sollte Vollerbe werden, nach dessen Tod sollten die beiden Töchter erben – jedenfalls in Bezug auf die Wohnung, im Übrigen tritt gesetzliche Erbfolge ein.

Keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Trennungslösung

Die getrennte Kontenführung der Eheleute reicht nicht aus, um auf eine Trennungslösung zu schließen. Auch in Patchwork-Familien ist die Einheitslösung ohne Weiteres möglich. Für eine Trennungslösung fehlen konkrete testamentarische Anhaltspunkte.

Tipp:

Einzelauslegung geht vor Gesetzesvermutung: § 2269 BGB gilt nur bei unklarer Testamentslage.

Vollerbeinsetzung = Einheitslösung: Klare Einsetzung des Überlebenden als Vollerbe spricht für die sog. Einheitslösung.

Trennungslösung braucht klare Hinweise: Getrennte Konten allein reichen nicht – testamentarische Anhaltspunkte sind nötig.

Quellen


[1] OLG Naumburg Beschl. v. 7.1.2025 – 2 Wx 82/23

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