Disquotale Einlagen – steuerfrei oder schenkungsteuerpflichtig?
Der Bundesfinanzhof hat jetzt im Beschwerdeverfahren eine hochumstrittene Praxis gekippt: Wenn Gesellschafter in die Kapitalrücklage einer GmbH einzahlen, führt das nicht automatisch zu einer steuerpflichtigen Werterhöhung bei den Mitgesellschaftern nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG – jedenfalls dann nicht, wenn vertraglich klar geregelt ist, dass die Einlage ausschließlich dem Leistenden zugutekommt.
Damit hebt der BFH den Beschluss des FG Nürnberg auf und setzt die Vollziehung mehrerer millionenschwerer Schenkungsteuerbescheide aus. Für Steuerberater, Unternehmensjuristen und GmbH-Gesellschafter ist das ein wegweisendes Signal: Vertragliche Gestaltungen können steuerlich entscheidend sein – auch ohne Satzungsänderung.
Was ist passiert?
Die Beteiligten: Eine GmbH mit mehreren Gesellschaftern – darunter A, B, C sowie später die Antragstellerin. Über die Jahre leisten einzelne Gesellschafter (insbesondere A) erhebliche disquotale Einlagen in die Kapitalrücklage der Gesellschaft, etwa zum Erwerb von Anteilen an einer Beteiligungsgesellschaft (Z‑AG).
Das Besondere: Die Gesellschafter vereinbaren ausdrücklich, dass die jeweiligen Einzahlungen nur dem leistenden Gesellschafter wirtschaftlich zugeordnet werden – sowohl für den Fall von Gewinnausschüttungen als auch bei einer späteren Liquidation. Die Jahresabschlüsse enthalten detaillierte, personalisierte Ausweise der Kapitalrücklagenanteile.
Das Finanzamt jedoch sieht in diesen Einlagen freigebige Zuwendungen im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG – weil durch die Einzahlungen auch die Anteile der anderen Gesellschafter (wertmäßig) steigen würden. Es erlässt vier Schenkungsteuerbescheide gegen die Antragstellerin. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung wird sowohl vom FA als auch zunächst vom FG Nürnberg abgelehnt.
Erst der BFH erkennt im Wege der Beschwerde: Es bestehen ernstliche Zweifel daran, ob die Voraussetzungen für eine steuerpflichtige Werterhöhung tatsächlich erfüllt sind.
Keine Schenkung ohne echte Bereicherung der Mitgesellschafter
Der Bundesfinanzhof stellt klar: § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfasst nur solche Einlagen, die tatsächlich zu einer Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter führen. Entscheidend ist, ob die nicht einlegenden Gesellschafter durch die Zahlung des Leistenden objektiv eine Werterhöhung ihrer Anteile erfahren.
Genau das verneint der BFH im konkreten Fall – zumindest mit erheblichem Zweifel. Denn die Einlagen wurden:
- personifiziert zugeordnet – sowohl gesellschaftsvertraglich als auch buchhalterisch (Bilanz)
- mit Rückzahlungsrechten im Liquidationsfall versehen
- durch ein gewinnbezogenes Bezugsrecht wirtschaftlich abgefedert
Damit bestand aus Sicht des BFH keine echte Bereicherung der übrigen Gesellschafter. Sie erhielten keinen Anteil an den Einlagen, profitierten weder bei Ausschüttungen noch bei Liquidation und mussten sich an der Finanzierung nicht beteiligen.
Zudem betont der BFH: Eine schuldrechtliche Vereinbarung reicht aus, um eine personenbezogene Kapitalrücklage rechtswirksam zu begründen – selbst ohne explizite Satzungsregelung. Die Finanzverwaltung hatte argumentiert, eine solche disquotale Regelung bedürfe einer Satzungsänderung. Der BFH hält dagegen: Der Jahresabschluss mit individualisierter Kapitalrücklage entfaltet Bindungswirkung – sowohl gesellschaftsrechtlich als auch steuerlich.
Besonders bemerkenswert: Der BFH stärkt die Bedeutung der Verwaltungsanweisung (ErbStR 2019). Danach liegt keine steuerbare Schenkung vor, wenn eine Rückzahlungspflicht oder eine personifizierte Kapitalrücklage vereinbart ist. Selbst wenn diese Verwaltungsvorschrift nicht bindend ist, dürfen sich Steuerpflichtige dennoch auf sie berufen, solange sie nicht aufgehoben oder eingeschränkt wurde.
Einlage ja – Schenkung nein
Die Entscheidung des BFH hat erhebliche praktische Relevanz für die steuerliche Gestaltung von Kapitalzuführungen bei GmbHs. Wer als Gesellschafter eine disquotale Einlage leistet – also mehr als seinem Anteil entspricht –, musste bislang stets befürchten, dass das Finanzamt darin eine steuerpflichtige Schenkung an die Mitgesellschafter sieht. Der BFH stellt nun klar: Eine solche Einlage führt nicht automatisch zur Schenkungsteuer, wenn sie dem Leistenden wirtschaftlich eindeutig zugeordnet wird.
Besonders praxisfreundlich: Es bedarf keiner satzungsmäßigen Regelung, wie bislang häufig vertreten. Es reicht, wenn die Gesellschafter schuldrechtlich vereinbaren, dass der einlegende Gesellschafter im Fall der Ausschüttung oder Liquidation allein von seiner Leistung profitiert – und wenn diese Abrede in den Jahresabschlüssen klar abgebildet wird. Der personalisierte Ausweis in der Kapitalrücklage begründet eine rechtlich verbindliche Zuordnung – und damit keine objektive Bereicherung der Mitgesellschafter.
Für Gestalter heißt das: Wer Einlagen leisten will, kann sich durch eine saubere Dokumentation vor unerwarteter Schenkungsteuer schützen. Gesellschafterbeschlüsse, Bilanzierung und klare Formulierungen im Anhang oder Darlehensvertrag sind dabei essenziell. Der BFH betont zudem, dass auch die Verwaltungslinie (ErbStR 2019) solche Fallgestaltungen schützt – auf diese können sich Steuerpflichtige im Zweifel berufen. Das Urteil schafft Klarheit – und gibt GmbHs und ihren Gesellschaftern die Kontrolle zurück.
1. Einlage klar zuordnen – und dokumentieren
Stellen Sie sicher, dass jede disquotale Einzahlung schriftlich festgehalten und dem leistenden Gesellschafter explizit zugewiesen wird – idealerweise durch Gesellschafterbeschluss und Bilanzvermerk.
2. Bilanz spricht Recht
Weisen Sie die Einlage personifiziert in der Kapitalrücklage des Jahresabschlusses aus. Der BFH erkennt diese buchhalterische Darstellung als verbindlich und steuerlich relevant an.
3. Satzung prüfen – aber nicht überregulieren
Eine Satzungsänderung ist nicht zwingend notwendig, kann aber die Transparenz erhöhen. Wichtig ist vor allem: keine wirtschaftliche Mitbeteiligung der übrigen Gesellschafter – weder bei Gewinnausschüttung noch bei Liquidation.
Quelle:
BFH-Beschluss vom 06. Juni 2025, II B 43/24

