Müssen Erben überzahlte Hartz-IV-Leistungen zurückzahlen?
Ein aktueller Fall zeigt, wann Erben für Sozialleistungen haften und wann nicht – und was das mit dem Kontostand des Verstorbenen zu tun hat.[1]
Der Fall: Jobcenter fordert 1.468 € vom Erben zurück
Nach dem Tod eines alleinstehenden Vaters, der Leistungen nach dem SGB II (sogenanntes "Hartz IV") bezog, forderte das zuständige Jobcenter von seinem Sohn – dem Alleinerben – die Erstattung zu viel gezahlter Leistungen in Höhe von 1.468 € für die Monate März und April 2016. Hintergrund: Der Vater war bereits Anfang März verstorben. Dennoch wurden Ende Februar und Ende März noch Zahlungen auf sein Konto geleistet.
Das Jobcenter argumentierte: Mit dem Tod endet der Anspruch auf Leistungen. Da der Sohn als Erbe über den Nachlass verfüge, müsse er die zu Unrecht gezahlten Beträge zurückerstatten.
Der Erbe wehrt sich
Der Sohn wehrte sich gegen die Rückforderung. Er hatte das Jobcenter bereits kurz nach dem Tod informiert, aber keinen Zugang zu den Kontounterlagen gehabt. Erst mit Ausstellung des Erbscheins konnte er sich einen Überblick verschaffen – da war das Geld längst für Miete, Strom, Telefon und Bestattungskosten aufgebraucht.
Er machte vor Gericht geltend, dass kein Nachlass mehr vorhanden sei und berief sich auf die sogenannte Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB): Ist der Nachlass unzureichend, muss der Erbe nicht mit seinem Privatvermögen haften.
Sozialgericht hebt Erstattungsbescheid auf
Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht. Das SG Magdeburg hob den Erstattungsbescheid mit Urteil vom 19. Juli 2022 auf. Zur Begründung führte es aus, dass das Jobcenter eine gebotene Ermessensentscheidung nach § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 45 SGB X unterlassen habe. Auch bei fehlendem Vertrauensschutz sei eine solche Ermessensausübung erforderlich.
Rechtliche Würdigung durch das LSG
Gegen das Urteil des Sozialgerichts legte das Jobcenter Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt ein. Das Gericht stellte klar, dass die Voraussetzungen für eine Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X erfüllt seien. Die Leistungen seien ohne rechtlichen Anspruch nach dem Tod des Vaters gezahlt worden. Eine Ermessensausübung durch das Jobcenter sei hier ausnahmsweise entbehrlich gewesen.
Fazit:
Erben müssen mit Rückforderungsansprüchen des Jobcenters rechnen, wenn nach dem Tod des Leistungsbeziehers zu Unrecht Leistungen gezahlt wurden. Der Einwand, es habe kein Nachlass existiert oder man sei nicht bereichert, schützt nicht automatisch vor einer Erstattungspflicht. Besonders relevant ist die Frage, ob das Jobcenter bei der Rückforderung Ermessen ausüben muss – eine Ausnahme besteht bei den speziellen Regelungen des SGB II.
• Leistungsrückforderung vom Erben: Sozialleistungen, die nach dem Tod des Berechtigten gezahlt wurden, kann der Leistungsträger vom Erben nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückfordern – selbst wenn diese nicht mehr im Nachlass vorhanden sind.
• Kein Vertrauensschutz für Erben: Der Erbe kann sich regelmäßig nicht auf Vertrauensschutz (§ 45 SGB X) berufen, wenn ihm die Überzahlung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.
• Kein Ermessen bei Rückforderung: Aufgrund der Sonderregelungen in § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III besteht kein Ermessensspielraum bei der Rückforderung.
Quellen

