Täterstellung bei Energiesteuer – was für Fahrer gilt
Ein scheinbar harmloser Handgriff mit massiven Konsequenzen: Ein angestellter Tankwagenfahrer mischt auf Anweisung seines Chefs Heizöl unter Diesel, um Energiesteuer zu sparen. Die Frage: Ist der Fahrer lediglich ein „ausführendes Organ“ – oder selbst Täter einer Steuerhinterziehung?
Mit Beschluss vom 11. September 2024 hat der 1. Strafsenat des BGH klargestellt: Auch LKW-Fahrer können Steuerschuldner sein – und damit Täter einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Die Verantwortung reicht also bis in die Fahrerkabine.
Was ist passiert?
Im entschiedenen Fall hatte ein Unternehmer seine Fahrer angewiesen, bei Diesellieferungen kleine Mengen Heizölbeizumischen. Ziel: Kunden sollten zwar Diesel bezahlen – geliefert wurde aber ein Gemisch, für das der Händler nur die niedrigere Heizölsteuer abführte.
Der betroffene Fahrer setzte dies 63-mal um. Das Landgericht Frankfurt (Oder) verurteilte ihn zu 1 Jahr und 8 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung – wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung.
Doch der BGH hob das Urteil teilweise auf. Warum? Weil das Landgericht nicht festgestellt hatte, dass der Fahrer auch vorsätzlich seine eigene Steueranmeldepflicht verletzt hatte.
BGH zur Täterrolle von LKW-Fahrern
Der BGH hatte zu prüfen, ob ein angestellter LKW-Fahrer für die Hinterziehung von Energiesteuer strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, obwohl die Steueranmeldung eigentlich Sache des Unternehmens war. Dabei stellte der Senat klar, dass eine eigene Täterstellung des Fahrers grundsätzlich möglich ist – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Der BGH hat das Urteil des LG Frankfurt (Oder) teilweise aufgehoben. Maßgeblich waren folgende drei Erwägungen:
- Vorsatz nicht festgestellt:
Es fehlt an Feststellungen dazu, dass der Angeklagte wusste oder billigend in Kauf nahm, selbst zur Anmeldung der Energiesteuer verpflichtet zu sein (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Der subjektive Tatbestand ist damit nicht belegt. - Keine Zurechnung fremder Pflichten:
Eine Mittäterschaft an der Steuerhinterziehung des Unternehmensinhabers scheidet aus, da Anmeldepflichten nicht auf andere übertragbar sind (§ 25 Abs. 2 StGB, BGHSt 58, 218). - Beihilfe möglich:
Falls kein Vorsatz feststellbar ist, kann eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht kommen – vorausgesetzt, der Angeklagte erkannte die Haupttat und unterstützte sie bewusst.
Klare Grenzen für Täter- und Gehilfenstellung
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz für die Transport- und Mineralölbranche. Sie zeigt, dass auch einfache Angestellte wie LKW-Fahrer steuerlich in der Verantwortung stehen können, wenn sie Energieerzeugnisse selbst abgeben. Der BGH betont damit die individuelle Prüfungspflicht jedes Beteiligten – unabhängig von hierarchischen Strukturen im Unternehmen. Gleichzeitig macht das Urteil deutlich, dass strafrechtliche Verantwortung nicht pauschal auf Mitarbeiter ausgedehnt werden darf: Eine Täterstellung setzt stets eigene Anmeldepflicht und Vorsatz voraus. Für die Praxis bedeutet das: Schulungen und klare Zuständigkeitsregelungen sind essenziell, um strafrechtliche Risiken für Mitarbeiter und Unternehmen zu minimieren.
1. Anmeldepflichten im Unternehmen klar regeln:
Arbeitgeber sollten eindeutig dokumentieren, wer für die Anmeldung von Energiesteuer zuständig ist, um strafrechtliche Risiken für Angestellte zu vermeiden.
2. Mitarbeiter sensibilisieren und schulen:
Fahrer und sonstige Mitarbeiter, die mit Energieerzeugnissen umgehen, sollten regelmäßig über steuerliche Pflichten und strafbare Risiken (z. B. bei der Abgabe von Gemischen) informiert werden.
3. Individuelle Verantwortlichkeit im Blick behalten:
Jeder, der Energieerzeugnisse selbst abgibt, kann Steuerschuldner nach § 21 EnergieStG sein – selbst auf Anweisung des Chefs. Daher sollten Mitarbeitende stets prüfen, ob sie persönlich meldepflichtig sind.
Quelle:
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.09.2024 – 1 StR 304/24

