Testierfreiheit hat Vorrang vor berufsrechtlichem Zuwendungsverbot
Ein Patient verspricht seinem langjährigen Hausarzt die Zuwendung eines Grundstücks für den Fall seines Todes – als Gegenleistung für eine intensive medizinische Betreuung mit Hausbesuchen und ständiger Erreichbarkeit. Eine solche Vereinbarung wirft berufs- und erbrechtliche Fragen auf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil nun wichtige Klarstellungen getroffen.[1]
Berufsrechtliches Zuwendungsverbot: Kein zivilrechtlicher Nichtigkeitsgrund
Im Kern ging es um die Frage, ob ein ärztliches Berufsverbot, Geschenke oder Vorteile anzunehmen, eine erbrechtliche Zuwendung an den behandelnden Arzt unwirksam machen kann. Die Karlsruher Richterinnen und Richter verneinten dies: Selbst wenn die Vereinbarung gegen die Berufsordnung der Ärztekammer verstoßen sollte, führe das nicht automatisch zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Begründet wurde dies mit der verfassungsrechtlich geschützten Testierfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Diese dürfe nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden – berufsrechtliche Regelungen, etwa der Ärztekammer Westfalen-Lippe, genügten hierfür nicht.
OLG Hamm hielt Vereinbarung für nichtig – BGH hebt auf
Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Hamm, hatte die Zuwendung als Vermächtnis qualifiziert, dieses aber wegen Verstoßes gegen §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB für nichtig erklärt. Die Argumentation: Das Vermächtnis verstoße gegen das in der Berufsordnung enthaltene Zuwendungsverbot, das der Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen diene. Daraus leitete das OLG ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB ab.
Der BGH widersprach und stellte klar: Die ärztliche Berufsordnung dient nicht dem Schutz des Erblassers oder seiner Erben, sondern der Wahrung der ärztlichen Berufsethik. Eine zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vermächtnisses könne darauf nicht gestützt werden.
Verfahren geht zurück an das OLG – mögliche Sittenwidrigkeit zu prüfen
Abgeschlossen ist das Verfahren damit jedoch nicht. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das OLG Hamm zurückverwiesen. Nun soll geprüft werden, ob die Vereinbarung möglicherweise sittenwidrig (§ 138 BGB) ist. Insbesondere geht es um die Frage, ob das Verhältnis zwischen Arzt und Patient durch das versprochene Grundstück in unzulässiger Weise geprägt wurde.
Fazit: Rechtssichere Gestaltung von Zuwendungen im Spannungsfeld von Berufs- und Erbrecht
Das Urteil unterstreicht, dass berufsrechtliche Regelungen nicht ohne Weiteres geeignet sind, die erbrechtliche Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen zu beschränken. Gleichwohl bleibt bei Zuwendungen an Berufsgeheimnisträger – wie Ärztinnen und Ärzte – besondere Vorsicht geboten. Neben möglichen berufsrechtlichen Konsequenzen kann im Einzelfall auch die Frage der Sittenwidrigkeit relevant werden.
• Testierfreiheit beachten: Auch bei Zuwendungen an Berufsgeheimnisträger gilt die verfassungsrechtlich geschützte Testierfreiheit – berufsrechtliche Verbote allein machen ein Vermächtnis nicht automatisch unwirksam.
• Berufsrechtliche und zivilrechtliche Ebene trennen: Ein Verstoß gegen die Berufsordnung kann disziplinarrechtlich relevant sein, führt aber nicht zwingend zur Nichtigkeit nach § 134 BGB.
• Sittenwidrigkeit vermeiden: Gestaltungen mit Gegenleistungen sollten sorgfältig geprüft werden – eine unangemessene Abhängigkeit oder Beeinflussung des Erblassers kann zur Unwirksamkeit nach § 138 BGB führen.
Quellen
[1]BGH Urt. v. 02.07.2025 – IV ZR 93/24