Steuerfreiheit nur für das Grundstück mit dem Familienheim
Steuerfrei erben klingt einfach – ist es aber nicht. Das zeigt ein aktuelles Urteil zur Steuervergünstigung für das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Eine Tochter übernimmt das Elternhaus, wohnt darin weiter und erwartet zu Recht eine Steuerbefreiung. Doch weil zum Nachlass auch ein angrenzendes, unbebautes Grundstück gehört, kommt es zum Streit: Gilt die Steuerbefreiung auch dafür? Die Antwort des Gerichts ist deutlich – und für viele Erbfälle mit Nebengrundstücken hochrelevant. Entscheidend ist nicht das Nutzungskonzept der Erben, sondern der amtliche Blick auf die sogenannte wirtschaftliche Einheit. Und genau der kann die Steuerlast drastisch verändern.
Was ist passiert?
Die Klägerin erbte von ihrer Mutter eine Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus, in dem die Mutter bis zu ihrem Tod gelebt hatte. Dieses Haus stand auf einem bebauten Grundstück, das zur Hälfte der Erblasserin gehörte. Direkt daneben lag ein zweites, unbebautes Grundstück, das sich vollständig in ihrem Eigentum befand. Beide Flächen lagen unmittelbar nebeneinander und gingen durch Erbfolge auf die Tochter über.
In der Erbschaftsteuererklärung fasste die Erbin beide Grundstücke zu einem Gesamtwert zusammen und beantragte für die gesamte Fläche die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für das sogenannte Familienheim. Zunächst folgte das Finanzamt dieser Einschätzung.
Doch dann stellte das zuständige Belegenheitsfinanzamt im Rahmen der gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte klar: Es handelt sich um zwei getrennte wirtschaftliche Einheiten. In der Folge wurde der Erbschaftsteuerbescheid geändert – die Steuerbefreiung wurde nur noch für das bebaute Grundstück gewährt. Das unbebaute Grundstück blieb steuerpflichtig. Die Klägerin legte Einspruch ein, scheiterte jedoch vor dem Finanzgericht und später auch vor dem Bundesfinanzhof.
Steuerfrei bleibt nur das Familienheim, nicht das Nachbargrundstück
Der Bundesfinanzhof hat die Klage abgewiesen und bestätigt: Die Steuerbefreiung für das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG gilt ausschließlich für das bebaute Grundstück, auf dem sich die Wohnung befindet, die vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Das unbebaute Nachbargrundstück bleibt steuerpflichtig – auch wenn es räumlich direkt angrenzt. Maßgeblich sei nicht die subjektive Betrachtung der Erbin, sondern die bewertungsrechtliche Einordnung durch den Feststellungsbescheid.
- Bindungswirkung des Feststellungsbescheids:
Das Belegenheitsfinanzamt hatte die beiden Grundstücke in getrennten Wertfeststellungsbescheiden als zwei wirtschaftliche Einheiten im Sinne des Bewertungsgesetzes festgestellt. Diese Feststellung ist für das Erbschaftsteuerverfahren verbindlich (§ 179 AO) und kann nur im eigenen Anfechtungsverfahren, nicht im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung überprüft werden.
- Keine Steuerbefreiung für das Nachbargrundstück:
Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bezieht sich allein auf das Grundstück, das mit dem Familienheim bebaut ist. Das unbebaute, wenn auch angrenzende Flurstück, das keine Wohnnutzung aufweist, fällt nicht unter den Begünstigungstatbestand.
- Grundstücksbegriff richtet sich nach bewertungsrechtlichen Maßstäben:
Auch wenn das Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich zivilrechtlich geprägt ist, verweist § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ausdrücklich auf bebaute Grundstücke im Sinne des Bewertungsgesetzes (§ 181 Abs. 1 BewG). Damit ist für die Auslegung entscheidend, was bewertungsrechtlich als wirtschaftliche Einheit gilt – und nicht, was aus Sicht der Erben „zusammengehört“.
Nur festgestellte Einheit ist steuerbegünstigt
Die Entscheidung macht deutlich: Die Steuerbefreiung für das Familienheim gilt nur für das Grundstück, das als wirtschaftliche Einheit mit dem Wohnhaus erfasst ist. Angrenzende Flächen, auch wenn sie zusammen genutzt werden, sind nicht automatisch begünstigt.
Für die Erbschaftsteuer ist ausschlaggebend, was das Belegenheitsfinanzamt als wirtschaftliche Einheit feststellt.Diese Einordnung ist bindend – wird sie nicht rechtzeitig angefochten, kann sie später nicht mehr im Steuerbescheid korrigiert werden.
Erben sollten daher genau prüfen, welche Grundstücke separat bewertet werden und ob eine Einordnung als einheitliche wirtschaftliche Einheit möglich oder sinnvoll ist – am besten noch vor Abgabe der Steuererklärung.
1. Grundstücksstruktur vorab analysieren:
Klären Sie vor Abgabe der Steuererklärung, ob mehrere Flurstücke getrennt geführt werden – das kann die Steuerbefreiung begrenzen.
2. Feststellungsbescheide ernst nehmen:
Wird ein Grundstück als eigene wirtschaftliche Einheit festgestellt, muss ein Einspruch gegen diesen Bescheid erfolgen – sonst wird die Trennung steuerlich bindend.
3. Steuerbefreiung gezielt beantragen:
Beantragen Sie die Familienheim-Befreiung nur für das Flurstück, auf dem sich das Wohnhaus befindet – nicht pauschal für angrenzende Flächen.
Quelle:
BFH-Urteil vom 23. Februar 2021, II R 29/19