Warum der BFH in der Bedarfsabfindung keine freigebige Zuwendung sieht
Was eigentlich als sauber durchdachter Ehevertrag begann, endete in einem Streit um Schenkungsteuer: Muss ein Ex-Partner, der bei der Scheidung eine vertraglich festgelegte Zahlung erhält, diese wirklich wie eine Schenkung versteuern?
Der Bundesfinanzhof hat nun ein deutliches Signal gesendet – und entschieden: Nicht jede Zahlung nach der Scheidung ist eine freigebige Zuwendung. Wer klug vorsorgt und im Ehevertrag klare Regelungen trifft, schützt sich auch steuerlich.
Ein Urteil mit Signalwirkung für Familienrecht, Steuerrecht – und alle, die vorausschauend planen.
Was ist passiert?
Eine Frau hatte mit ihrem damaligen Ehemann einen notariellen Ehevertrag abgeschlossen. Darin vereinbarten sie nicht nur Gütertrennung und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, sondern auch eine sogenannte Bedarfsabfindung: Falls es zur Scheidung kommt, sollte die Frau eine bestimmte Geldsumme erhalten – abhängig von der Dauer der Ehe. Nach der Scheidung im Jahr 2014 zahlte der Mann wie vereinbart. Das Finanzamt bewertete die Zahlung jedoch als freigebige Zuwendung – und verlangte Schenkungsteuer. Die Frau klagte – und zog bis vor den Bundesfinanzhof.
Keine freigebige Zuwendung bei vertraglicher „Bedarfsabfindung“
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied zugunsten der Klägerin und hob das Urteil des Finanzgerichts sowie den Schenkungsteuerbescheid auf. Nach Auffassung des Gerichts lag keine Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.
Maßgeblich für die Entscheidung waren drei wesentliche Gründe:
- Keine unentgeltliche Zuwendung
Die Zahlung war Teil eines umfassenden Ehevertrags, der sämtliche Scheidungsfolgen regelte. Damit lag eine Gegenleistung vor, wenn auch nicht im klassischen Sinne. Es handelte sich nicht um eine Schenkung ohne rechtlichen Zusammenhang, sondern um eine Abgeltung ehevertraglich vereinbarter Regelungen. - Aufschiebend bedingter Anspruch statt Pauschalabfindung
Die Zahlung wurde nicht sofort, sondern ausschließlich für den Fall der Scheidung vereinbart. Dadurch war sie rechtlich bedingt und trat erst mit Eintritt der Scheidung in Kraft. Im Gegensatz zu einer klassischen Pauschalabfindung war der Anspruch nicht ungewiss, sondern vertraglich präzise geregelt. - Kein subjektiver Wille zur Freigebigkeit
Der Ex-Ehemann wollte keine freiwillige Schenkung machen, sondern durch die Vereinbarung sein eigenes Vermögen absichern. Die Zahlung diente der finanziellen Planbarkeit im Scheidungsfall und beruhte damit auf einem wirtschaftlichen Zweck, nicht auf freiem Willen zur Bereicherung der Klägerin.
Abgrenzung zwischen Abfindung und Schenkung
Mit seiner Entscheidung setzt der Bundesfinanzhof ein klares Signal: Nicht jede Zahlung zwischen Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung unterliegt automatisch der Schenkungsteuer. Entscheidend ist, ob die Zahlung vertraglich im Vorfeld vereinbart wurde, an eine konkrete Bedingung wie die Scheidung geknüpft ist und im Rahmen einer umfassenden Regelung der ehelichen Verhältnisse steht. Eheverträge, die – wie im entschiedenen Fall – eine sogenannte „Bedarfsabfindung“ enthalten, können nun rechtssicher gestaltet werden, ohne dass im Scheidungsfall eine überraschende steuerliche Belastung droht. Das Urteil stärkt damit sowohl die Vertragsfreiheit künftiger Ehepartner als auch die Planungssicherheit bei der Vermögensauseinandersetzung. Für die Praxis bedeutet das: Solche Regelungen sind kein steuerlicher Sonderfall, sondern Ausdruck einer zulässigen privaten Gestaltungsfreiheit.
Tipp 1: Abfindung klar an Scheidung knüpfen
Wer Zahlungen im Ehevertrag vereinbart, sollte sie nicht pauschal bei Eheschließung, sondern ausdrücklich für den Fall der Scheidung vorsehen. Nur dann liegt eine aufschiebend bedingte Verpflichtung vor – keine steuerpflichtige Schenkung.
Tipp 2: Gesamtpaket im Vertrag erkennbar machen
Einzelne Leistungen wie die Bedarfsabfindung dürfen nicht isoliert erscheinen, sondern müssen Teil eines umfassenden Regelungskonzepts sein, das verschiedene Scheidungsfolgen (z. B. Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich) gesamtvertraglich regelt.
Tipp 3: Steuerliche Risiken bei Gestaltung im Blick behalten
Auch bei ehevertraglichen Regelungen lohnt sich die Einbindung steuerlicher Expertise. So lässt sich vermeiden, dass später – etwa bei Betriebsprüfungen – aus gut gemeinten Regelungen steuerpflichtige Zuwendungen konstruiert werden.
Quelle:
Urteil vom 01. September 2021, II R 40/19

