Das ändert sich jetzt im Steuerstraf- und Bußgeldverfahren

Wenn die Steuerfahndung klingelt, geht es längst nicht mehr nur um Papierakten  In der Praxis des Steuerstrafrechts hat sich viel verändert - nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch. Heute reichen...

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Wenn die Steuerfahndung klingelt, geht es längst nicht mehr nur um Papierakten

 In der Praxis des Steuerstrafrechts hat sich viel verändert – nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch. Heute reichen oft wenige Klicks, um ganze Lebensrealitäten digital zu durchleuchten: E-Mails, Clouddaten, Marktplätze, verschlüsselte Chatverläufe. Die Ermittlungsinstrumente der Finanzverwaltung sind vielfältiger – und präziser – geworden.

Mit der neuen Anweisung für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV [St]) 2025, die zum 1. April 2025 in Kraft getreten ist (BStBl I 2025, 507), zieht die Verwaltung nun strukturell und rechtlich nach. Sie ersetzt die bisherige Fassung 2023/2024 und bringt eine Reihe von praxisrelevanten Änderungen, die Verteidiger, Steuerberater und Unternehmen kennen müssen.

  1. Energiepreispauschale als steuerstrafrechtlich relevanter Tatbestand

Erstmals nimmt die AStBV in Nr. 19 Ziff. 1 ausdrücklich Bezug auf Straftaten im Zusammenhang mit der Energiepreispauschale (§ 121 EStG). Anders als bei der Dezember-Soforthilfe 2022 werden entsprechende Steuerstraftaten nun ausdrücklich einbezogen.

Dass Fälle rund um die Gas- und Wärmepreisbremse weiterhin außen vor bleiben, liegt auch an der rückwirkenden Gesetzesänderung – eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der hier auf ein fehlendes Kontrollsystem verwiesen hat. Die Verwaltung folgt dieser Linie und verzichtet auf strafrechtliche Konsequenzen in diesem Bereich.

  1. Kein Akteneinsichtsrecht in Fallhefte – restriktive Linie bleibt

Die AStBV 2025 bestätigt erneut: Verteidiger erhalten keine Einsicht in Fallhefte oder Handakten der Betriebsprüfung oder Steuerfahndung (Nr. 35 Abs. 4). Begründet wird dies mit aktueller Rechtsprechung, insbesondere durch das OLG Karlsruhe.

Auch wenn einzelne Entscheidungen (z. B. OLG Rostock) eine weitergehende Einsicht zulassen, bleibt die Linie der Verwaltung klar: Verteidigung soll den Weg über das finanzgerichtliche Verfahren nach § 78 FGO nehmen. Für Beschuldigte bedeutet das: erschwerter Zugang zu potenziell entlastenden Unterlagen.

  1. Neue Belehrungspflicht bei freiwilliger Raumdurchsicht

Wer einer freiwilligen Einsichtnahme durch die Steuerfahndung zustimmt, muss nun nicht nur über sein Widerrufsrecht, sondern auch über den Zweck der Datenverarbeitung informiert werden. Diese Anpassung in Nr. 65 AStBV (St) 2025 basiert auf der Rechtsprechung zur DSGVO – und schützt die Einwilligung vor Formfehlern.

  1. Durchsuchungen der Familienwohnung – keine Rückzugsräume mehr

In Nr. 67 S. 3 stellt die AStBV 2025 klar: Ein Durchsuchungsbeschluss gegen den Beschuldigten erlaubt die Durchsuchung der gesamten Familienwohnung, sofern baulich nicht ausgeschlossen ist, dass bestimmte Räume mitgenutzt werden. Die Verwaltung stützt sich dabei auf das LG Nürnberg-Fürth.

Mitbewohnerzimmer sind damit regelmäßig nicht geschützt – auch dann nicht, wenn sie z. B. von erwachsenen Kindern genutzt werden.

  1. Cloud, Social Media & Co.: Die digitale Durchsicht wird konkretisiert

Die AStBV (St) 2025 bringt eine deutliche Ausweitung und Präzisierung der digitalen Zugriffsbefugnisse:

  • Clouddienste und Rechenzentren unterfallen der Durchsicht (§ 110 Abs. 3 StPO).
  • Auch Social-Media-Plattformen, Online-Marktplätze und passwortgeschützte Daten dürfen forensisch gesichtet werden (Nr. 69 Abs. 3 Ziff. 1–2).
  • Der Zugriff ist nicht auf das Inland beschränkt, ein Rechtshilfeersuchen ist laut Verwaltung nicht erforderlich (Ziff. 3).

Die Sichtung muss zeitnah zur Durchsuchung erfolgen – eine wesentliche Neuerung, um Beweisverwertbarkeit zu sichern (Ziff. 4).

  1. Strafzumessung: Verwerflichkeit neu sortiert

Die Neufassung in Nr. 77 Ziff. 1 Buchst. b strukturiert die verwerfliche Tatausführung systematisch neu, ohne dabei den Sanktionsrahmen zu verschärfen. Es handelt sich um eine redaktionelle, nicht um eine inhaltliche Änderung.

  1. Opportunitätsprinzip bei Bagatellbeträgen

Klar geregelt ist nun: Bußgeldverfahren unterhalb von 10.000 Euro und mit Verzögerung unter 3 Monaten sollen grundsätzlich nicht verfolgt werden – es sei denn, das Verhalten ist besonders vorwerfbar (Nr. 104 Abs. 3). Dies entlastet die Verwaltung in Bagatellfällen und schafft Handlungsspielraum.

  1. Entfall einer OWi-Zuständigkeitsregel

Da der Bußgeldtatbestand nach § 39 Abs. 9 EStG gestrichen wurde, entfällt auch die entsprechende Zuständigkeitsregel in Nr. 109 Abs. 4. In der Praxis sind kaum noch OWi-Verfahren in diesem Bereich zu erwarten.

  1. Kein Beweisverwertungsverbot bei fehlendem Pflichtverteidiger

Laut Nr. 150 Abs. 4 S. 3 begründet die unterlassene Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht automatisch ein Verwertungsverbot. Die Verwaltung folgt hier der BGH-Rechtsprechung, die betont: Beweisverwertungsverbote sind Ausnahmefälle.

Tipp:

1. Digitale Durchsuchung im Blick behalten
Die Finanzverwaltung kann nun gezielt auf Clouddienste, Onlinemarktplätze und soziale Netzwerke zugreifen – auch passwortgeschützte Daten sind nicht mehr tabu. Unternehmen und Berater sollten frühzeitig IT-sichere Strukturen schaffen und Zugriffsrechte dokumentieren.
2. Akteneinsicht bleibt eingeschränkt
Fallhefte der Betriebsprüfung und Steuerfahndung sind weiterhin von der Akteneinsicht im Strafverfahren ausgenommen. Verteidiger müssen strategisch überlegen, ob sie über das finanzgerichtliche Verfahren zusätzliche Informationen erschließen.
3. Bagatellfälle strategisch nutzen
Bei Ordnungswidrigkeiten unter 10.000 € kann die Finanzverwaltung von der Verfolgung absehen. Das bietet Spielraum – etwa bei verspäteter Steuerentrichtung ohne kriminelles Verhalten.

Quelle:

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