Ein Pflichtverstoß, der strafbar machen kann
Seit dem 1. Januar 2025 gilt eine neue Regelung, die Steuerberater und ihre Mandanten dringend beachten sollten: Mit dem neuen § 153 Abs. 4 AO wurde eine zusätzliche Anzeige- und Berichtigungspflicht eingeführt, die insbesondere nach einer Außenprüfung relevant wird – und im Fall der Nichtbeachtung strafrechtliche Risiken birgt. Wer denkt, nach Bestandskraft eines Änderungsbescheids sei „Ruhe eingekehrt“, könnte sich täuschen.
Was regelt § 153 Abs. 4 AO konkret?
Die neue Vorschrift verpflichtet Steuerpflichtige dazu, auch solche Steuererklärungen zu korrigieren, die nicht Gegenstand der Außenprüfung waren, sofern dort derselbe fehlerhafte Sachverhalt vorliegt, der bereits im Rahmen der Außenprüfung festgestellt wurde – und sofern dieser bereits in einem bestandskräftigen Steuer- oder Feststellungsbescheid umgesetzt wurde.
Diese Berichtigungspflicht gilt:
- für alle Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen,
- oder für Steuern, für die ab dem 01.01.2025 eine Prüfungsanordnung (§ 196 AO) bekannt gegeben wurde.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein Mandant erhält im April 2025 eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2019 bis 2021. Die Finanzbehörde stellt fest: Der Bruttolistenpreis eines privat genutzten Dienstwagens wurde zu niedrig angesetzt. Die Bescheide für die geprüften Jahre werden bestandskräftig. Was ist nun mit den bereits eingereichten Steuererklärungen für 2022 und 2023?
Antwort: Der Mandant muss selbst prüfen (lassen), ob der fehlerhafte Bruttolistenpreis sich auch in den Folgejahren fortgesetzt hat – und dann unverzüglich anzeigen und berichtigen. Tut er das nicht, riskiert er ein Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO – allein durch Unterlassen der Anzeige.
Wann greift die neue Pflicht – und wann nicht?
Die Pflicht nach § 153 Abs. 4 AO greift nur, wenn die Feststellungen der Außenprüfung bereits unanfechtbarumgesetzt wurden. Solange ein Änderungsbescheid noch mit Einspruch angefochten werden kann (oder wurde), entsteht die Pflicht noch nicht. Hier kann der Einspruch also strategisch genutzt werden, um Zeit zu gewinnen und die weiteren Jahre rechtzeitig zu prüfen.
Auch für die Jahre vor dem Prüfungszeitraum gilt: Ist der Fehler dort ebenfalls enthalten, muss geprüft werden, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO nötig ist – insbesondere wenn die Festsetzungsfrist noch läuft.
Was passiert bei Fristversäumnis?
Wie schon § 153 Abs. 1 AO verlangt auch Abs. 4, dass die Anzeige „unverzüglich“ erfolgt – ein Begriff, der leider gesetzlich nicht präzisiert wurde. Verstreicht zu viel Zeit, kann aus einer bloßen Berichtigung schnell eine strafrechtlich relevante Selbstanzeige werden. Diese unterliegt dann den strengen Voraussetzungen des § 371 AO und muss vollständig und rechtzeitig sein, um strafbefreiend zu wirken.
Haftung und Verantwortung – auch für neue Geschäftsführer
Besonders brisant: Die neue Pflicht betrifft nicht nur den ursprünglichen Steuerpflichtigen, sondern auch:
- Gesamtrechtsnachfolger (z. B. Erben),
- neue Geschäftsführer, auch wenn sie zur Zeit der ursprünglichen Fehler gar nicht im Amt waren.
Sobald sie die Unrichtigkeit erkennen und untätig bleiben, können sie haftbar gemacht werden – sowohl steuerlich (§ 71 AO) als auch strafrechtlich.
§ 153 Abs. 4 AO hat die Spielregeln im Nachgang einer Außenprüfung deutlich verschärft. Wer die Pflicht zur nachträglichen Berichtigung ignoriert, riskiert strafrechtliche Konsequenzen – selbst bei längst abgegebenen und scheinbar „erledigten“ Erklärungen.
– Nach jeder Betriebsprüfung sollte zeitnah geprüft werden, ob weiterer Berichtigungsbedarf besteht.
– Beratung muss auch nicht geprüfte Jahre umfassen.
– Bei Unsicherheiten: besser Einspruch einlegen, um Zeit zu gewinnen.
Denn aus einer unterlassenen Berichtigung kann schnell eine Steuerstraftat werden – und damit ein ernsthaftes Haftungs- und Reputationsrisiko.
Quelle: