Steuererklärung vergessen? Wann der Verspätungszuschlag unzulässig ist

Kein Zuschlag ohne erkennbare Pflicht und klare Aufforderung Das Finanzgericht hatte über die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags zu entscheiden, der gegen ein Ehepaar festgesetzt wurde, obwohl keine ausdrückliche Aufforderung zur Abgabe...

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Kein Zuschlag ohne erkennbare Pflicht und klare Aufforderung

Das Finanzgericht hatte über die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags zu entscheiden, der gegen ein Ehepaar festgesetzt wurde, obwohl keine ausdrückliche Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung erfolgt war. Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Grenze zwischen gesetzlicher Abgabepflicht und behördlicher Informationspflicht auf. In seiner Entscheidung stellt das Gericht klar: Eine Sanktion ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung für die Betroffenen nachvollziehbar war. Das Urteil schafft Klarheit in einem bislang ungeklärten Bereich der Abgabeverpflichtung bei nicht erkennbarer Pflichtveranlagung.

Was ist passiert?

Die Kläger, ein Ehepaar ohne steuerliche Beratung, reichten für das Jahr 2019 keine Einkommensteuererklärung ein. Nach ihrer Auffassung bestand hierfür keine gesetzliche Verpflichtung: Sie bezogen lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, nutzten die Steuerklassen IV/IV und erhielten keine Lohnersatzleistungen. Anders als in den Vorjahren erhielten sie zudem keine konkrete Aufforderung des Finanzamts zur Abgabe der Erklärung.

Das Finanzamt schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen und erließ einen Einkommensteuerbescheid – verbunden mit einem Verspätungszuschlag nach § 152 Abs. 2 AO. Der Zuschlag wurde damit begründet, dass eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG vorgelegen habe, da die beim Lohnsteuerabzug pauschal berücksichtigte Vorsorgepauschale höher war als die tatsächlichen Vorsorgeaufwendungen. Die Kläger legten Einspruch ein, blieben damit jedoch erfolglos und erhoben anschließend Klage beim Finanzgericht.

Wann ein Verspätungszuschlag rechtswidrig ist

Das Finanzgericht hat den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 2019 aufgehoben und auf 0 Euro festgesetzt. Dabei stützte sich das Gericht auf drei zentrale Erwägungen, die im Zusammenspiel zeigen, dass eine Sanktion im konkreten Fall rechtswidrig war:

  1. Keine wirksame Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung
    Das Finanzamt hatte den Klägern lediglich ein allgemeines Erinnerungsschreiben übersandt, das keine klare Aufforderung zur Abgabe enthielt. Weder ein verbindlicher Hinweis noch eine rechtlich eindeutige Verpflichtung zur Erklärung ergaben sich aus dem Schreiben. Nach Auffassung des Gerichts genügt ein solches Schreiben nicht den Anforderungen an eine behördliche Mitwirkungshandlung, die Voraussetzung für die automatische Zuschlagsfestsetzung nach § 152 Abs. 2 AO ist.

  2. Pflichtveranlagung war für Laien nicht erkennbar
    Die zugrunde liegende Abgabepflicht nach § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG ergibt sich aus einer komplexen Normstruktur, die sich auf Verweise in § 39b EStG stützt. Diese Regelungen sind für steuerlich nicht beratene Personen schwer verständlich. Das Gericht stellte daher klar: Es ist unzumutbar, von einem Laien zu erwarten, dass er eine derart schwer zugängliche Norm ohne konkrete behördliche Information eigenständig erkennt.

  3. Keine Verzugszeit nach Bekanntgabe einer Frist
    Gemäß § 152 Abs. 5 AO darf ein Verspätungszuschlag nur für solche Monate berechnet werden, die nach Ablauf einer gesetzten Frist beginnen. Da den Klägern jedoch keine Frist zur Abgabe gesetzt wurde – weder vor Erlass des Steuerbescheids noch in einem rechtswirksamen Aufforderungsschreiben – lag kein relevanter Verzugszeitraum vor. Die gesetzliche Grundlage für einen Zuschlag entfiel damit vollständig.

Schutz vor automatisierter Sanktion

Das Urteil des Finanzgerichts ist von grundsätzlicher Bedeutung – nicht nur für den Einzelfall, sondern für eine Vielzahl potenziell vergleichbarer Konstellationen. Es stellt klar, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht rein formal erfolgen darf, sondern an klare verfahrensrechtliche und inhaltliche Voraussetzungen gebunden ist.

Besonders relevant ist die Entscheidung für Steuerpflichtige, die nicht steuerlich beraten sind und sich auf die Verständlichkeit von Erklärungspflichten verlassen müssen. Das Gericht betont, dass komplexe gesetzliche Regelungen, wie sie etwa in § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG in Verbindung mit § 39b EStG enthalten sind, nicht ohne Weiteres als bekannt vorausgesetzt werden dürfen.

Darüber hinaus betont das Urteil die Bedeutung einer konkreten und individualisierten Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung – eine allgemeine Erinnerung reicht dafür nicht aus. Für die Praxis der Finanzverwaltung bedeutet das: Wer sanktionieren will, muss vorher eindeutig informieren. Die Zulassung der Revision unterstreicht zudem, dass es sich um eine noch ungeklärte, aber bundesweit bedeutsame Rechtsfrage handelt.

Tipp:

1. Im Zweifel selbst aktiv werden:
Wer in einem Jahr keine Steuererklärung abgeben möchte, sollte prüfen (oder prüfen lassen), ob eine gesetzliche Pflichtveranlagung vorliegt – etwa wegen zu hoher Vorsorgepauschalen oder Nebeneinkünften. Die ELSTER-Hilfe und Steuerberater können hier Klarheit schaffen.

2. Erinnerung ist nicht gleich Aufforderung:
Ein formloses Erinnerungsschreiben reicht nicht aus, um rechtlich eine Pflicht zur Abgabe auszulösen. Wer kein konkretes Schreiben mit Fristsetzung erhält, sollte dies dokumentieren – vor allem, wenn später ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird.

3. Laien müssen Komplexität nicht durchdringen:
Das Urteil betont: Komplizierte gesetzliche Regelungen dürfen nicht stillschweigend als bekannt vorausgesetzt werden. Wer ohne Beratung handelt, kann sich in bestimmten Fällen mit Erfolg darauf berufen, die Verpflichtung nicht erkannt zu haben – vorausgesetzt, es gab keine eindeutige Aufklärung durch das Finanzamt.

 

Quelle:

Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 22.02.2024 – 2 K 628/22

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