Ist Rohtabak steuerpflichtig – nur weil er sich theoretisch rauchen lässt?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei entscheidende Fragen zur Tabaksteuerrichtlinie vorgelegt. Im Zentrum: Wasserpfeifentabak, der von Konsumenten zwar nicht direkt geraucht, aber mit Hausmitteln in rauchfähige Form gebracht wird. Entscheidet sich hier, ob unaromatisierter Rohtabak künftig unter die Tabaksteuer fällt?
Was ist passiert?
Ein Prokurist transportierte rund 1,2 Tonnen sogenannter „Scraps“ – zerkleinerte, nicht aromatisierte Tabakstücke – von einer EU-Auslandslieferung zu einem deutschen Unternehmen, das daraus Wasserpfeifentabak herstellen wollte. Die Zollfahndung stellte die Ware sicher. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Die Behörden meinten, der Tabak sei bereits steuerpflichtiger Rauchtabak im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Tabaksteuerrichtlinie (2011/64/EU).
Das Problem: Der Tabak war noch nicht rauchfertig. Er sollte zunächst weiterverarbeitet werden – durch Zerkleinern, Aufkochen mit Glycerin, Zucker und Aromen. Doch ist das bereits eine „industrielle Bearbeitung“ – oder ein Vorgang, den auch ein Konsument zu Hause durchführen könnte?
Die Fragen des BFH an den EuGH
Der BFH setzt das Revisionsverfahren aus und fragt den EuGH:
- Ist Tabak schon dann „zum Rauchen geeignet“, wenn er nur theoretisch und objektiv geraucht werden kann – oder kommt es auf die Verkehrsanschauung an?
- Gilt eine komplexe, aber zu Hause mögliche Verarbeitung noch als „nichtindustriell“ – oder beginnt hier bereits industrielle Bearbeitung?
Die Antworten haben enorme praktische Relevanz – für Zoll, Tabaksteuer und Strafrecht.
Rauchtabak oder Rohstoff? Die steuerliche Grauzone wird eng
Der Fall zeigt, wie unscharf die Grenzen zwischen Rohtabak und steuerpflichtigem Rauchtabak sind. Der BFH deutet bereits an, dass die bisherige Handhabung – bei der der tatsächliche Verwendungszweck durch den Endkunden kaum geprüft wurde – nicht mehr ausreicht. Die Frage ist hochbrisant: Gilt Tabak schon als steuerpflichtig, wenn Endverbraucher ihn mit YouTube-Anleitung zu Hause aufbereiten können?
Zudem geht es um die Harmonisierung der Tabakbesteuerung in der EU. Der BFH warnt ausdrücklich vor einer national uneinheitlichen Besteuerung und ruft den EuGH zur Klärung auf.
Was der EuGH jetzt entscheiden muss – und warum es alle betrifft
Die Entscheidung des EuGH wird grundlegende Weichen stellen – für die Abgrenzung von Roh- und Rauchtabak, für die Praxis der Zoll- und Steuerbehörden und für die Zukunft der Wasserpfeifen-Branche. Der Trend zur Eigenherstellung könnte künftig zur Steuerpflicht führen – es sei denn, der EuGH sieht darin keine „Raucheignung ohne industrielle Bearbeitung“.
Tipp 1: Dokumentieren Sie Verarbeitung und Verwendungszweck genau
Die Unterscheidung zwischen Rohtabak und steuerpflichtigem Rauchtabak hängt oft von Details ab. Wer Tabak importiert, verarbeitet oder vertreibt, sollte exakt dokumentieren, ob und wie der Tabak weiterbearbeitet wird – und ob eine industrielle Bearbeitung vorliegt.
Tipp 2: Beobachten Sie die EuGH-Rechtsprechung zur Tabaksteuerrichtlinie aktiv
Das Urteil wird für die gesamte Shisha-Branche, Importeure und Händler maßgeblich. Je nachdem, wie der EuGH die Begriffe „Raucheignung“ und „industrielle Bearbeitung“ auslegt, kann sich der Steuerstatus ganzer Produktgruppen ändern.
Tipp 3: Prüfen Sie Ihre Produkte auf objektive Raucheignung
Bereits entrippter, getrockneter Tabak kann – je nach Zustand – als Rauchtabak gelten, selbst wenn er erst zu Hause aufbereitet wird. Prüfen Sie daher genau, ob Ihre Produkte allein durch haushaltsübliche Mittel rauchfähig gemacht werden können. Das kann eine Steuerpflicht auslösen.
Quelle:
Bundesfinanzhof: Vorlagebeschluss vom 17.09.2024 – VII R 42/20