Steuern sparen mit Aktien? Die Grenzen der Cum-Cum-Modelle
Milliarden-Geschäfte, wenige Tage Haltedauer – und riesige Steuerersparnisse.
Cum-Cum-Gestaltungen galten lange als legaler Graubereich im Steuerrecht, in dem internationale Banken und Konzerne mit geschickten Wertpapiertransaktionen Dividenden kassierten – und zugleich Millionen an Kapitalertragsteuer sparten. Doch wie weit darf man bei solchen Modellen gehen, ohne mit § 42 AO in Konflikt zu geraten? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in einem brisanten Urteil klargestellt, wann wirtschaftliches Eigentum auch bei kurzfristigem Aktienbesitz vorliegt – und wann eine scheinbar legale Transaktion zum Gestaltungsmissbrauch wird.
Die Entscheidung betrifft nicht nur Steuerexperten, sondern auch Berater, Compliance-Abteilungen und Strafverteidiger – denn sie gibt neue Maßstäbe vor, wann der Staat Cum-Cum-Modelle kippen darf.
Was ist passiert?
Im Zentrum des Falls steht eine Cum-Cum-Gestaltung mit britischen Aktien. Eine deutsche Aktiengesellschaft (AG) übernahm im Jahr 2006 festverzinsliche Wertpapiere von einer Bank und erhielt im Gegenzug britische Aktien – kurz vor dem jeweiligen Dividendenstichtag. Diese Aktien hielt sie jeweils nur wenige Tage bis maximal drei Wochen. Rechtlich war sie Inhaberin und konnte über die Aktien verfügen. Auch die Dividenden vereinnahmte sie zunächst – leitete sie aber am selben Tag in voller Höhe über sogenannte Kompensationszahlungen an die Bank weiter.
Die AG erklärte 95 % der Dividenden als steuerfrei nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG. Gleichzeitig machte sie die Kompensationszahlungen in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt sah darin eine rechtsmissbräuchliche Cum-Cum-Gestaltung, verweigerte den Betriebsausgabenabzug und erhöhte das zu versteuernde Einkommen um den Dividendenbetrag – unter Abzug des § 8b-Sperrpostens. Die AG klagte, verlor zunächst vor dem Finanzgericht München – und erhielt schließlich vor dem BFH (Urteil vom 13.11.2024 – I R 3/21) teilweise Recht.
Wirtschaftliches Eigentum trotz Kurzfristigkeit
Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und stellte klar: Die AG war im Zeitpunkt der Dividendenausschüttung wirtschaftliche Eigentümerin der britischen Aktien im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Entscheidend sei nicht, ob die Aktien tatsächlich über längere Zeit gehalten oder Rechte wie das Stimmrecht tatsächlich ausgeübt wurden – sondern, ob der Inhaber rechtlich zur Ausübung dieser Rechte befugt war.
Zentrale Argumente des BFH:
- Die AG durfte die Aktien veräußern und hatte damit die Kontrolle über ein wesentliches Vermögensrecht.
- Auch das Stimmrecht hätte rechtlich ausgeübt werden können, selbst wenn es faktisch nicht genutzt wurde.
- Die kurze Haltedauer (wenige Tage) steht der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums nicht entgegen, wenn Kurschancen und -risiken realisierbar waren.
Damit bejahte der BFH das wirtschaftliche Eigentum trotz der Tatsache, dass die Dividenden nur durchgeleitet und die Aktien faktisch nicht genutzt wurden. Ob jedoch die gesamte Struktur als missbräuchlich i. S. v. § 42 AO anzusehen ist, ließ der BFH offen und verwies die Sache ins zweite Rechtsverfahren zurück.
Gestaltungsspielraum oder Steuerfalle?
Das BFH-Urteil vom 13. November 2024 (I R 3/21) ist wegweisend für die steuerliche Einordnung von Cum-Cum-Gestaltungen. Es stellt klar: Wer rechtlich zur Ausübung von Stimmrecht und Veräußerung befugt ist, gilt als wirtschaftlicher Eigentümer – auch wenn diese Rechte faktisch nicht genutzt werden. Damit rückt die rechtliche Struktur in den Fokus, nicht die tatsächliche Ausübung.
Gleichzeitig warnt der BFH: Wirtschaftliches Eigentum schützt nicht vor § 42 AO. Fehlen außersteuerliche Gründe für die gewählte Sicherheitenstruktur – wie etwa regulatorische oder wirtschaftliche Motive – droht die Einordnung als Gestaltungsmissbrauch. Allein der steuerliche Vorteil reicht nicht.
Für Praxis und Beratung bedeutet das: Wirtschaftliches Eigentum kann nun leichter begründet werden – aber nur, wenn die Gestaltung auch außerhalb des Steuerrechts nachvollziehbar ist. Andernfalls drohen Rückabwicklung und strafrechtliche Risiken.
Tipp 1: Wirtschaftliches Eigentum dokumentieren – nicht nur vermuten
Stellen Sie sicher, dass die Verfügungsbefugnis über die Aktien vertraglich klar geregelt ist. Wer das Stimmrecht und die Veräußerung rechtlich ausüben darf, muss das belegen können – auch wenn diese Rechte faktisch nicht genutzt werden.
Tipp 2: Außersteuerliche Motive glaubhaft machen
Verträge und interne Unterlagen sollten zeigen, dass die Wahl der Sicherheiten (z. B. britische Aktien) auch aus wirtschaftlichen oder regulatorischen Gründen erfolgte – nicht nur zur Steuerersparnis. Andernfalls greift § 42 AO.
Tipp 3: Cum-Cum-Modelle regelmäßig auf Rechtsstand prüfen
Die Rechtslage ist im Wandel – weitere Urteile zu Cum-Cum- und Cum-Ex-Fällen folgen. Überprüfen Sie bestehende Strukturen regelmäßig auf neue Risiken und passen Sie Gestaltungen frühzeitig an.
Quelle: