Was wir aus dem Familienstreit bei Veltins lernen können
Der aktuelle Erbstreit in der Familie Veltins zeigt eindrucksvoll, wie emotional aufgeladen und juristisch komplex das Thema Erbverzicht sein kann – besonders in Familienunternehmen. Obwohl viele Regelungen schon zu Lebzeiten getroffen werden, können Meinungsverschiedenheiten im Nachhinein eskalieren. Dabei steht eine Entscheidung besonders im Mittelpunkt: der Erbverzicht.
Weitere Informationen zum Erbstreit der Familie Veltins finden Sie hier.
Was ist ein Erbverzicht und warum ist er so wichtig?
Der Erbverzicht spielt in der Nachlassplanung eine zentrale Rolle. Besonders in Familienunternehmen, komplexen Familiensituationen oder bei größeren Vermögenswerten kann er helfen, klare Verhältnisse zu schaffen und spätere Erbstreitigkeiten zu vermeiden. Doch der Verzicht auf ein gesetzliches Erb- oder Pflichtteilsrecht sollte gut überlegt sein, denn er ist rechtlich bindend. Der Erbverzicht kann aber auch angefochten werden.
Was ist ein Erbverzicht? – Definition und rechtliche Grundlage
Ein Erbverzicht ist ein notariell beurkundeter Vertrag, in dem ein gesetzlicher Erbe (z. B. Kind oder Ehegatte) mit dem Erblasser vereinbart, auf sein gesetzliches Erbrecht – und gegebenenfalls auch auf den Pflichtteil – zu verzichten. Die rechtliche Grundlage dafür bildet § 2346 BGB. Anders als eine Erbausschlagung, die erst nach dem Todesfall erfolgt, wirkt der Erbverzicht bereits zu Lebzeiten. Er ist rechtlich bindend, kann aber in bestimmten Fällen auch angefochten werden.
Besonders relevant ist der Erbverzicht in komplexen Vermögensverhältnissen oder bei Familienunternehmen, wenn Streitigkeiten unter den Erben vermieden und klare Strukturen geschaffen werden sollen.
Wichtig: Der Erbverzicht ist zu unterscheiden von der Erbausschlagung, die erst nach dem Erbfall erfolgt.
Inhalt und Reichweite des Erbverzichts
Die Beteiligten müssen dabei nicht gleichzeitig anwesend sein; eine Aufteilung in Angebot und Annahme ist möglich – solange die Annahme vor dem Tod des Erblassers erfolgt. Der Verzicht muss eindeutig erklärt oder aus dem Vertragstext klar ersichtlich sein. Unter bestimmten Umständen kann ein stillschweigender Verzicht vorliegen, etwa bei gemeinschaftlichen Testamenten.
Wird vollständig auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet, entfällt automatisch auch das Pflichtteilsrecht – es sei denn, der Verzicht wird ausdrücklich darauf beschränkt. Nicht zulässig ist ein Verzicht auf einzelne Gegenstände des Nachlasses, da dies der Gesamtrechtsnachfolge widersprechen würde. Möglich sind jedoch Verzichtserklärungen auf einen ideellen Anteil oder unter bestimmten Bedingungen bzw. Befristungen.[1]
Pflichtteilsverzicht individuell gestalten
Ein auf das Pflichtteilsrecht beschränkter Verzicht gemäß § 2346 Abs. 2 BGB entspricht häufig dem Wunsch des Erblassers – insbesondere dann, wenn die Erbquoten der übrigen Erben nicht verändert werden sollen, wie es bei einem vollständigen Erbverzicht (§ 1935 BGB) der Fall wäre. Wird diese Unterscheidung durch den Notar nicht erkannt oder unzureichend erklärt, liegt eine Amtspflichtverletzung vor.[2]
Ein Pflichtteilsverzicht kann flexibel ausgestaltet werden: Zulässig ist ein gegenständlich beschränkter Verzicht. Beispielsweise kann die Pflichtteilsquote reduziert oder die Berechnung des pflichtteilsrelevanten Nachlasses gezielt modifiziert werden – etwa durch die Festlegung bestimmter Bewertungsmethoden (z. B. Buchwerte), die Vereinbarung eines Höchst- oder Festbetrags oder den Ausschluss einzelner Nachlassgegenstände aus der Berechnung.[3]
Auch inhaltlich kann der Verzicht auf bestimmte Ansprüche beschränkt werden – etwa auf den Zusatzpflichtteil bei Enterbung (§ 2305 BGB) oder auf Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325 ff. BGB).
• Erbverzicht frühzeitig und klar regeln: Nutzen Sie den Erbverzicht in der Nachlassplanung, um klare Verhältnisse zu schaffen und spätere Erbstreitigkeiten, wie bei der Familie Veltins, zu vermeiden.
• Notarielle Beurkundung und klare Formulierung: Der Erbverzicht muss notariell beurkundet und eindeutig erklärt werden; eine Aufteilung in Angebot und Annahme ist möglich, solange die Annahme vor dem Tod des Erblassers erfolgt.
• Pflichtteilsverzicht individuell gestalten: Verzichtserklärungen können flexibel ausgestaltet werden – wie ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht – um die Erbquoten der übrigen Erben zu schützen und individuelle Wünsche zu berücksichtigen.
Quellen
[1] Burandt/Rojahn/Große-Boymann BGB § 2346 Rn. 6-8
[2] BGH, Urteil vom 4. 4. 1990 - IV ZR 344/88
[3] Burandt/Rojahn/Große-Boymann BGB § 2346 Rn. 9