Streit um ärztliche Schweigepflicht im Erbscheinsverfahren

Kein Zeugnisverweigerungsrecht bei postmortaler Klärung der Testierfähigkeit Wie lange gilt die ärztliche Schweigepflicht und endet sie mit dem Tod des Patienten? Mit dieser sowohl erbrechtlich als auch medizinrechtlich relevanten Frage...

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Kein Zeugnisverweigerungsrecht bei postmortaler Klärung der Testierfähigkeit

Wie lange gilt die ärztliche Schweigepflicht und endet sie mit dem Tod des Patienten? Mit dieser sowohl erbrechtlich als auch medizinrechtlich relevanten Frage musste sich das Oberlandesgericht Hamm (Beschl. v. 26.01.2023 – 10 W 63/22) im Rahmen eines Streits über die Wirksamkeit eines Testaments auseinandersetzen. Im Mittelpunkt stand ein notarielles Testament, das auf der Intensivstation errichtet wurde, sowie die Verweigerung der Einsicht in die Krankenunterlagen durch das Krankenhaus mit Hinweis auf die Schweigepflicht und eine angebliche Vorsorgevollmacht.

Was war geschehen?

Die Erblasserin hatte zunächst mit einem privatschriftlichen Testament vom 8. September 1998 ihre Schwester zur Alleinerbin eingesetzt. Während eines Krankenhausaufenthalts im Zeitraum xx.01.2017 bis xx.02.2017 im B-Hospital in H, dessen Trägerin die Beteiligte zu 5 ist, errichtete sie am 24.01.2017 ein notarielles Testament, in dem sie die Beteiligten zu 2 bis 4 zu je einem Drittel als Erben einsetzte. Die Beurkundung fand auf der Intensivstation statt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Erblasserin wegen einer akuten nekrotisierenden Pankreatitis behandelt.

Die Antragstellerin hält das notarielle Testament für unwirksam und beruft sich auf die Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Beurkundung. Sie beantragte daher auf Grundlage des Testaments von 1998 einen Alleinerbschein. Das Nachlassgericht Arnsberg wies den Antrag jedoch zurück, ohne ein Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit einzuholen.[1]

Herausgabe der Krankenunterlagen verweigert – Schweigepflicht?

In der Beschwerdeinstanz forderte der Senat das B-Hospital mit Beschluss vom 26. Januar 2023 zur Herausgabe der Krankenunterlagen auf. Die Beteiligte zu 5 verweigerte dies mit der Begründung, sie sei nicht wirksam von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden worden. Sie berief sich auf eine Patientenverfügung nebst Vorsorgevollmacht vom 24. Januar 2017 zugunsten der Beteiligten zu 3 und 4. Eine Schweigepflichtentbindung ist darin jedoch nicht enthalten. Auch die Vorlage dieser Unterlagen verweigerte sie.

Ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, das der Senat dennoch einholte, kam zu dem Ergebnis, dass für eine abschließende Beurteilung der Testierfähigkeit die vollständigen Krankenunterlagen erforderlich seien.

Postmortale Schweigepflicht – wann endet sie wirklich?

Die Beteiligte zu 5 konnte sich nicht mit Erfolg auf ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) berufen. Zwar fällt die ärztliche Schweigepflicht grundsätzlich unter diese Vorschrift. Im konkreten Fall war jedoch mit der Übersendung der Krankenunterlagen die ärztliche Schweigepflicht nicht verletzt:

  • Kein Fortbestehen nach dem Tod: Die Verfügungsbefugnis über Geheimnisse aus dem persönlichen Lebensbereich erlischt mit dem Tod des Patienten. Eine postmortale Entbindung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die Schweigepflicht ist auch als höchstpersönliches Recht nicht vererblich.[2]
  • Zweifel an der Geschäftsfähigkeit: Die behauptete Vorsorgevollmacht vom 24.1.2017 stammt vom selben Tag wie das streitige notarielle Testament. Wenn aber die Testierfähigkeit (und damit die Geschäftsfähigkeit) an diesem Tag angezweifelt wird, lässt sich daraus keine wirksame Vollmacht und somit auch keine Entbindung von der Schweigepflicht herleiten.
  • Kein entgegenstehender Wille: Der Senat sah auch keinen erklärten oder mutmaßlichen entgegenstehenden Willen der Erblasserin. Im Gegenteil sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Erblasser ein Interesse an der Aufklärung über die Wirksamkeit seines Testaments habe.

Fazit: Ärztliche Schweigepflicht endet mit dem Tod

Die Entscheidung des OLG Hamm macht deutlich, dass die ärztliche Schweigepflicht mit dem Tod des Patienten endet und keinen Schutz vor gerichtlicher Aufklärung im Interesse der Feststellung der Testierfähigkeit bietet. Vorsorgevollmachten, die zeitgleich mit dem streitigen Testament errichtet wurden, können nicht zur Verweigerung der Vorlage herangezogen werden, wenn ihre Wirksamkeit selbst im Streit steht.

Tipp:

Krankenhaus muss Auskunft geben: Ein Krankenhaus kann sich im Erbscheinsverfahren nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich der Krankenunterlagen des Erblassers berufen.

Ärztliche Schweigepflicht endet mit dem Tod: Nach dem Tod des Patienten besteht kein Schutz durch die ärztliche Schweigepflicht mehr. Krankenunterlagen können zur gerichtlichen Aufklärung herangezogen werden.

Keine Schweigepflicht gegen Testamentsaufklärung: Ein mutmaßlicher entgegenstehender Wille des Erblassers liegt nicht vor, wenn es um die Klärung der Wirksamkeit seines letzten Willens geht.

Quellen


[1] OLG Hamm, Beschluss vom 13.6.2024 – 10 W 3/23

[2] OLG Naumburg NJW 2005, 2017).

 

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