Gerichte stoppen pauschale Vermögensabschöpfung.
Scheinrechnungen, Schwarzgeld und eine Steuerverkürzung in sechsstelliger Höhe – doch die versuchte Einziehung des angeblich erlangten Tatlohns scheitert. Der Fall aus Hamburg zeigt eindrucksvoll, wie schnell Gerichte bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung rechtsstaatliche Grenzen überschreiten können – und wann der BGH zur Korrektur schreiten muss.
Was ist passiert?
Ein Hamburger Unternehmer betrieb mehrere sogenannte Scheinfirmen, die keinerlei echte wirtschaftliche Tätigkeit entfalteten. Über diese Gesellschaften stellte er nicht leistungsunterlegte Rechnungen – sogenannte Scheinrechnungen – an befreundete Subunternehmer aus. Die Rechnungen dienten dazu, Schwarzarbeit zu verschleiern und Sozialabgaben zu umgehen. Als Gegenleistung behielt der Angeklagte von den in bar zurückfließenden Beträgen fünf Prozent Provision für sich, insgesamt rund 60.000 Euro.
Parallel dazu verwendete der Angeklagte seine Scheinfirmen, um Umsatzsteuer zu verkürzen: Er wies Steuerbeträge in den fingierten Rechnungen aus, obwohl ihm dafür kein Vorsteuerabzug zustand. In manchen Fällen unterließ er zudem die ordnungsgemäße Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen. Der Steuerschaden belief sich auf über 600.000 Euro.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe, lehnte jedoch die Einziehung des Provisionsbetrags ab. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein – mit Erfolg vor dem Landgericht. Dieses ordnete die Einziehung des vermeintlichen Tatlohns an. Doch der Angeklagte zog erneut vor Gericht.
Warum die Einziehung hier unzulässig war
Die Einziehungsanordnung hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Gericht erkannte mehrere gravierende Mängel in der Begründung des vorherigen Urteils und hob die Entscheidung zur Einziehung des Wertes von Taterträgen auf. Maßgeblich hierfür waren drei rechtliche Kernpunkte:
- Kein Vermögensvorteil "durch die Tat":
Die Provisionen, die der Angeklagte erhalten hatte, standen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Steuerhinterziehungstaten. Die Gelder wurden für die Erstellung und Übergabe von Scheinrechnungen gezahlt – nicht für die Steuerverkürzungen selbst. Damit fehlte es an der Voraussetzung des § 73 Abs. 1 StGB. - Unzulässigkeit der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB:
Eine erweiterte Einziehung kam nicht in Betracht, da die mutmaßlich zugrunde liegenden Beihilfetaten – insbesondere zu Verstößen gegen § 266a StGB – konkret genug bestimmbar gewesen wären. In solchen Fällen ist § 73a StGB nicht subsidiär anwendbar. - Keine abschöpfbaren Vorteile im Vermögen des Angeklagten: Der Angeklagte hatte durch die Steuerverkürzungen keinen realen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Insbesondere lagen weder Vorsteuerguthaben noch konkrete Steuerersparnisse vor, die als werthaltig hätten abgeschöpft werden können.
Einziehungsgrenzen bei Steuerstraftaten geschärft
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die Einziehung von Vermögenswerten bei Steuerstraftaten rechtlich klar abgegrenzt sein muss. Nicht jeder finanzielle Vorteil, der im Zusammenhang mit einer Straftat steht, darf automatisch abgeschöpft werden. Entscheidend ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem erlangten Vermögenswert und der konkreten abgeurteilten Tat besteht. Die Entscheidung begrenzt damit die Reichweite der Einziehungsregelungen in Fällen, in denen – wie hier – eine Provision für separate, nicht abgeurteilte Handlungen gezahlt wurde. Für die Strafverfolgung bedeutet das: Sorgfalt bei der Anklageerhebung und klare Feststellungen im Urteil sind essenziell, um eine Einziehung rechtssicher durchzusetzen.
1. Einziehung erfordert klare Tatzuordnung.
Ein Vermögensvorteil darf nur dann eingezogen werden, wenn er unmittelbar „durch“ oder „für“ eine konkret abgeurteilte Tat erlangt wurde. Eine bloße Verbindung zur Straftat reicht nicht aus.
2. Berufungsbeschränkungen richtig verstehen.
Wer als Staatsanwaltschaft oder Verteidigung Berufung einlegt, sollte den Umfang genau prüfen und dokumentieren. Eine wirksame Beschränkung kann die gerichtliche Überprüfung auf bestimmte Teile des Urteils begrenzen.
3. Scheinrechnungen bringen doppelte Risiken.
Wer Rechnungen ohne tatsächliche Leistung erstellt oder weitergibt, riskiert nicht nur eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, sondern auch – je nach Beweislage – eine erweiterte Einziehung. Doch nur, wenn die Tatfeststellungen dies auch rechtfertigen.
Quelle: https://www.iww.de/pstr/quellenmaterial/id/246672