Nur Bezugsberechtigte sind für die Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 ErbStG entscheidend – nicht Anfallsberechtigte
Die Errichtung einer Familienstiftung ist ein beliebtes Instrument zur langfristigen Vermögenssicherung. Doch steuerlich lauern dabei Stolperfallen – besonders bei der Erstausstattung. Wer gilt als „entferntest Berechtigter“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG? Das aktuelle Urteil bringt Licht in eine Frage, die für die Höhe des Freibetrags entscheidend ist – und möglicherweise über eine Steuer von 0 oder 1.500 Euro entscheidet.
Was ist passiert?
Ein Stifter übertrug 25.000 € als Grundstockvermögen auf eine neu errichtete Familienstiftung, die laut Satzung seine Ehefrau, Tochter und deren leibliche Abkömmlinge finanziell unterstützen sollte. In einem späteren Absatz der Satzung war jedoch zusätzlich eine familienfremde Person als Anfallsberechtigte im Falle der Stiftungsauflösung vorgesehen.
Das Finanzamt sah hierin den „entferntest Berechtigten“ nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG – und wandte deshalb die ungünstige Steuerklasse III an. Die Folge: Nur ein Freibetrag von 20.000 € wurde berücksichtigt – und es wurden 1.500 € Schenkungsteuer festgesetzt.
Die Stiftung wehrte sich und argumentierte, dass ausschließlich die Bezugsberechtigten für die steuerliche Einordnung relevant seien. Die Anfallsberechtigung greife nur im hypothetischen Fall einer Auflösung – und sei daher für die Erstausstattung unbeachtlich. Das Finanzgericht gab der Stiftung recht.
Nur Bezugsberechtigte zählen
Das Finanzgericht hat der Klage der Familienstiftung stattgegeben und den Schenkungsteuerbescheid aufgehoben. Es stellte klar, dass das Finanzamt bei der Bestimmung der Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG fälschlicherweise auch die Anfallsberechtigten einbezogen hatte. Für die erstmalige Vermögensausstattung einer Familienstiftung sei jedoch allein auf die Bezugsberechtigten abzustellen – also auf die Personen, die bereits während des Bestehens der Stiftung Zuwendungen erhalten können.
Die drei zentralen Entscheidungsgründe:
- Systematische Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG:
Das Gericht betonte, dass diese Vorschrift ausdrücklich nur auf die erstmalige Ausstattung einer Stiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) abzielt. Für den Fall der Stiftungsauflösung und der Vermögensverteilung an Anfallsberechtigte existiert mit § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG eine gesonderte Regelung – eine Gleichbehandlung beider Konstellationen widerspreche dem Gesetzessystem. - Historische Auslegung:
Der Gesetzgeber wollte mit der Privilegierung des „entferntest Berechtigten“ nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht die Anfallsberechtigung, sondern die Bezugsberechtigung steuerlich fördern. Dies ergibt sich deutlich aus den Gesetzesmaterialien und der Entwicklung der Norm seit dem ErbStG 1974. - Teleologische Auslegung:
Der Zweck der Norm ist es, familiennahe Stiftungsmodelle steuerlich zu begünstigen, wenn sie primär der Versorgung naher Angehöriger dienen. Wenn selbst entfernteste Familienmitglieder nur als Bezugsberechtigte berücksichtigt werden, wird der Gedanke der Familienförderung bewahrt – während die Einbeziehung rein theoretischer Anfallsberechtigter zu einer systemwidrigen Schlechterstellung führen würde.
Steuerklasse richtet sich nur nach Bezugsberechtigten
Das Urteil des Finanzgerichts bringt wichtige Rechtssicherheit für Stifter und Berater: Es grenzt die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG klar auf die Bezugsberechtigten ein und schiebt einer übermäßigen Ausweitung auf hypothetische Anfallsberechtigte einen Riegel vor.
Besonders relevant ist die Entscheidung für Stifter, die bewusst enge Familienmitglieder begünstigen, aber in der Satzung auch entfernte oder familienfremde Personen als mögliche Anfallsberechtigte vorgesehen haben. Die Höhe des anzuwendenden Freibetrags bei der Erstausstattung der Stiftung hängt somit allein vom Kreis der aktiven Destinatäre ab – nicht von künftigen Vermögensnachfolgern im Auflösungsfall.
Die Revision ist zwar anhängig (BFH: II R 35/24), doch der Argumentationsaufbau des FG zeigt bereits jetzt, wie stark systematische und teleologische Erwägungen die steuerliche Privilegierung von Familienstiftungen stützen können.
1. Bezugsberechtigte klar benennen:
In der Stiftungssatzung sollte eindeutig geregelt sein, wer während des Bestehens der Stiftung begünstigt ist. Nur diese Bezugsberechtigten sind für die Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG relevant. Anfallsberechtigte im Falle einer späteren Auflösung sind bei der Erstausstattung unbeachtlich.
2. Anfallsregelungen sorgfältig, aber steuerlich gelassen gestalten:
Auch wenn entfernte oder familienfremde Personen als Anfallsberechtigte vorgesehen sind, wirkt sich das nicht auf die Steuerklasse bei der Errichtung der Stiftung aus. Solche Regelungen sollten aber bewusst gestaltet und im Gesamtzusammenhang geprüft werden.
Satzungsänderungen rechtzeitig und formal korrekt umsetzen:
Änderungen bei den Destinatären – ob Bezugs- oder Anfallsberechtigte – müssen vor dem steuerlich relevanten Stichtag erfolgen und durch die Stiftungsbehörde
Quelle: FG Rheinland-Pfalz Urteil v. 17.10.2024 – 4 K 1042/23