Pflichtteilsrecht und Vaterschaftsfeststellung – was Erben wissen müssen
Wer nach dem Tod eines Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend machen will, muss ein rechtlich anerkanntes Verwandtschaftsverhältnis nachweisen. Doch was passiert, wenn die Vaterschaft des Erblassers erst nach dessen Tod, also postmortal, gerichtlich festgestellt wird? Diese Konstellation wirft wichtige Fragen zur Entstehung und Verjährung von Pflichtteilsansprüchen auf.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu in einer aktuellen Entscheidung[1] klargestellt, wie sich die Verjährung in Fällen der nachträglichen Vaterschaftsfeststellung verhält – und damit für mehr Rechtssicherheit im Erbrecht gesorgt.
Fehleinschätzung des Berufungsgerichts zur Verjährung
Zuvor hatte das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden, dass die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs sowie der Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gemäß §§ 2303, 2314 BGB erst im Jahr 2022 beginne, und zwar mit der rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft. Der Klägerin stand vorher keine rechtliche Anspruchsgrundlage zur Verfügung, da sie ohne Vaterschaftsfeststellung keine Klage erheben konnte (§ 1600d Abs. 5 BGB).
Gesetzliche Verjährung der Pflichtteilsansprüche
Der Bundesgerichtshof wies die Begründung des Oberlandesgerichts Köln zurück. In seinem Urteil führte er aus, dass das Berufungsgericht die Verjährung mit der gegebenen Begründung nicht hätte verneinen dürfen.
Pflichtteilsansprüche gemäß § 2303 Abs. 1 BGB sowie Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gemäß § 2314 Abs. 1 BGB unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt diese Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1), und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (Nr. 2)
BGH: Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall
Der BGH widerspricht dieser Sichtweise deutlich. Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht der Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall – hier also mit dem Tod des Erblassers am 5. August 2017. Dass die Vaterschaft erst später gerichtlich festgestellt wurde, sei unerheblich für die Entstehung des Anspruchs.
Zwar könne der Pflichtteilsanspruch erst nach Feststellung der Vaterschaft durchgesetzt werden (§ 1600d Abs. 5 BGB), dies betreffe aber lediglich die Ausübung des Rechts, nicht jedoch dessen Entstehung. Der klare Wortlaut von § 2317 Abs. 1 BGB lasse keine andere Auslegung zu. Auch eine abweichende Auslegung aus teleologischen Gründen sei nicht gerechtfertigt.
Grobe Fahrlässigkeit als möglicher Auslöser der Verjährung
Für die Frage der Verjährung war daher nicht allein die tatsächliche Kenntnis entscheidend, sondern auch, ob der Klägerin grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Denn wenn sie durch grob fahrlässiges Unterlassen der Feststellung der Vaterschaft ihre Unkenntnis vor dem 1.1.2020 selbst verschuldet hätte, wäre die Verjährung bereits Ende 2019 angelaufen – mit der Folge, dass der 2023 erhobene Anspruch verjährt wäre.
Grobe Fahrlässigkeit liegt jedoch nicht schon bei bloßer Nachlässigkeit vor, sondern erfordert ein auch subjektiv nicht mehr nachvollziehbares Verhalten, das die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt. Zu prüfen ist daher, ob die Klägerin das Vaterschaftsfeststellungsverfahren früher hätte einleiten müssen.
• Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall – nicht erst mit der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft (§ 2317 BGB); die Rechtsausübungssperre aus § 1600d Abs. 5 BGB ändert daran nichts.
• Verjährungsbeginn erfordert Kenntnis der Vaterschaftsfeststellung – die Verjährungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der wirksamen Anerkennung oder gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft Kenntnis erlangt.
• Grobe Fahrlässigkeit steht der Kenntnis gleich – hat der Pflichtteilsberechtigte die Feststellung der Vaterschaft durch erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung verzögert, wird dies wie Kenntnis gewertet
Quellen
[1] BGH, Urt. v. 12.3.2025 – IV ZR 88/24