Steuerschulden und fehlende Zuverlässigkeit schließen eine Wiederzulassung nach § 35 GewO weiterhin aus.
Wer über Jahre Steuern nicht zahlt, gefährdet nicht nur die öffentliche Hand – sondern auch seine gewerberechtliche Existenz. Denn aus Sicht der Behörden ist die Zuverlässigkeit kein dehnbarer Begriff: Sie verlangt wirtschaftliche Ordnung und rechtstreues Verhalten.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun entschieden, dass selbst ein eröffnetes Insolvenzverfahren und die Aussicht auf Restschuldbefreiung nicht ausreichen, um einen unzuverlässigen Gewerbetreibenden wieder zuzulassen. Ein deutliches Signal an alle, die glauben, Steuerschulden ließen sich einfach hinter sich lassen.
Was ist passiert?
Dem Kläger wurde 2018 wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit – insbesondere aufgrund von Steuerrückständen – die Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit untersagt. Nachdem er 2019 ein Insolvenzverfahren einleitete, stellte er 2021 einen Antrag auf Wiedergestattung seines Gewerbes. Zum Zeitpunkt der Entscheidung beliefen sich die Steuerschulden auf über 280.000 €, weitere Forderungen standen im Raum. Zudem lag eine strafrechtliche Verurteilung wegen Nötigung vor. Die Behörde lehnte den Antrag ab, wogegen der Kläger Klage erhob.
Er argumentierte, dass die Restschuldbefreiung in Aussicht stehe und daher kein Raum mehr für die Annahme einer aktuellen Unzuverlässigkeit bestehe. Die wirtschaftliche Sanierung sei im Gange und könne durch gewerbliche Tätigkeit sogar gefördert werden.
Keine Wiedergestattung bei Unzuverlässigkeit trotz Insolvenz
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts lag weiterhin eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit im Sinne von § 35 Abs. 1 GewO vor. Der Kläger konnte keine positiven Veränderungen seiner wirtschaftlichen Situation vorweisen – im Gegenteil: Die Steuerschulden waren nicht abgebaut, sondern erheblich gestiegen.
Drei tragende Argumente des Gerichts:
- Keine positive Prognose zur Zuverlässigkeit
Für eine Wiedergestattung ist erforderlich, dass neue Tatsachen die frühere Unzuverlässigkeit entkräften. Der Kläger blieb jedoch weiterhin hoch verschuldet und im Schuldnerverzeichnis eingetragen – das allein genügte dem Gericht, um eine positive Zukunftsprognose auszuschließen. - Restschuldbefreiung allein reicht nicht aus
Die bloße Aussicht auf eine spätere Restschuldbefreiung war nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend konkret, um von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen zu können. Die gesetzliche Neuregelung seit dem 1. Juli 2014 erlaubt zudem auch nach Insolvenzeröffnung noch Versagungsanträge, sodass die Befreiung keineswegs sicher sei. - Gewerberecht und Insolvenzrecht sind getrennt zu bewerten
Das Gericht betonte, dass Insolvenzrecht keine Sonderregel für unzuverlässige Gewerbetreibende schafft. Die Obliegenheiten aus § 295 InsO verpflichten zwar zu einer Erwerbstätigkeit – aber nicht zwingend zu einer gewerblichen. Der Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs wiege schwerer als die berufliche Perspektive des Einzelnen.
Insolvenz schützt nicht vor gewerberechtlicher Bewertung
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin setzt ein deutliches Zeichen für die Praxis: Eine laufende Insolvenz oder die bloße Aussicht auf Restschuldbefreiung genügt nicht, um gewerberechtliche Unzuverlässigkeit zu beseitigen. Wer durch erhebliche Steuerschulden seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit verloren hat, muss konkrete und belegbare Fortschritte nachweisen – reine Zukunftshoffnungen reichen nicht aus.
Zudem stellt das Gericht klar, dass Insolvenzrecht und Gewerberecht strikt zu trennen sind. Selbst wenn das Insolvenzverfahren darauf abzielt, dem Schuldner eine wirtschaftliche Perspektive zu eröffnen, hebt das nicht automatisch die rechtlichen Hürden für eine Gewerbewiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO auf. Behörden dürfen weiterhin kritisch prüfen – und Gewerbeuntersagungen aufrechterhalten, solange keine substanziellen Verbesserungen ersichtlich sind.
1. Persönliche Integrität glaubhaft machen
Neben wirtschaftlicher Stabilität zählt auch das persönliche Verhalten. Wer Wiedergestattung beantragt, sollte aktiv zeigen, dass er sein Verhalten reflektiert hat – etwa durch saubere Führungszeugnisse, Schuldenregulierung und einwandfreies Auftreten gegenüber Behörden. Eine positive Gesamtprognose setzt nicht nur Zahlen, sondern auch Vertrauen voraus.
2. Steuerschulden nicht verharmlosen
Auch bei laufender Insolvenz bleiben hohe Steuerschulden ein starkes Indiz für Unzuverlässigkeit. Entscheidend ist nicht die Aussicht auf Restschuldbefreiung, sondern ob konkret erkennbar ist, dass sich die Situation nachhaltig bessert.
3. Gewerberecht und Insolvenzrecht nicht vermischen
Wer im Insolvenzverfahren steckt, sollte nicht davon ausgehen, dass das allein genügt. Die Anforderungen des § 35 GewO gelten unabhängig – und Behörden dürfen gewerbliche Tätigkeiten weiterhin versagen, wenn das Risiko für den Markt zu hoch bleibt.
Quelle: VG Berlin, 06.02.2024 - 4 K 541.22