Was gilt bei eigenhändigen Verfügungen?
Der Widerruf eines Testaments ist ein zentraler Aspekt des Erbrechts, denn der Erblasser soll bis zu seinem Tod die Möglichkeit haben, seine letztwillige Verfügung zu ändern oder aufzuheben. Eine der einfachsten Formen des Widerrufs ist die vorsätzliche Vernichtung, insbesondere das Zerreißen der Testamentsurkunde. Nach § 2255 BGB kann ein eigenhändiges Testament widerrufen werden, wenn es vom Erblasser mit dem Willen, es aufzuheben, vernichtet wird. Entscheidend ist, ob die Vernichtung mit Aufhebungswillen erfolgt ist. Ein starkes Indiz für eine solche Widerrufshandlung kann das tatsächliche Fehlen des Originals bei den Nachlassakten sein, insbesondere wenn der Erblasser die alleinige Zugriffsmöglichkeit auf die Urkunde hatte.
Aufbewahrung zerrissener Testamente: OLG Frankfurt Urteil
Das OLG Frankfurt hat über die Wirksamkeit eines Testaments entschieden, das zerrissen und anschließend in ein Schließfach gelegt wurde.
Nach dem Tod eines kinderlosen Mannes wurde seiner Ehefrau und seiner Mutter ein gemeinschaftlicher Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt. Etwa zwei Monate später fanden sie in einem Bankschließfach des Verstorbenen ein eigenhändiges Testament, in dem eine dritte Person als Alleinerbe eingesetzt war. Die Testamentsurkunde war jedoch in der Mitte zerrissen. Der im Testament Bedachte beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins - allerdings ohne Erfolg.[1]
Wann ist ein Testament wirksam widerrufen?
Für einen wirksamen Widerruf durch Vernichtung nach § 2255 BGB ist entscheidend, dass der Erblasser tatsächlich auf die Originalurkunde einwirkt. Bei eigenhändigen Testamenten genügt es daher nicht, eine nicht unterschriebene Kopie zu vernichten, vielmehr muss das eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament im Original vernichtet oder verändert werden.
Sind mehrere gleichlautende Urkunden vorhanden, von denen keine ausdrücklich als Abschrift bezeichnet ist, so genügt die Vernichtung oder Veränderung auch nur eines Exemplars, um das Testament wirksam zu widerrufen. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung insgesamt aufheben wollte.[2]
Auch eine zufällige Vernichtung (z.B. durch Hochwasser, Brand) erfüllt den Tatbestand nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Erblasser die Einwirkung nachträglich billigend zur Kenntnis nimmt.[3]
Lesen Sie mehr über den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments hier.
Widerrufsabsicht und Testierfähigkeit
Wie bei der Errichtung eines eigenhändigen Testaments muss der Erblasser auch im Zeitpunkt der Vernichtung oder Veränderung testierfähig im Sinne von § 2229 BGB sein. Auch muss der Erblasser zum Zeitpunkt der Vernichtung oder Veränderung dies Wissen und Darüber hinaus muss der Erblasser im Zeitpunkt der Vernichtung oder Veränderung wissen und wollen, dass das Testament vernichtet oder verändert wird. Dieser Aufhebungswille wird grundsätzlich widerlegbar vermutet nach § 2255 S. 2 BGB vermutet.
Diese gesetzliche Vermutung ist jedoch nicht ohne weiteres zu widerlegen. Die bloße Aufbewahrung eines zerrissenen Testaments, etwa in einem Bankschließfach, reicht hierfür nicht aus.
Fazit: Testament wirksam widerrufen durch Zerreißen
So hat das OLG Frankfurt klargestellt, dass auch eine ungewöhnliche Aufbewahrung - wie das Einlegen eines zerrissenen Schriftstücks in ein Bankschließfach - die Widerrufsvermutung nicht entkräftet, wenn keine Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen ersichtlich sind. Entscheidend sind die objektiven Umstände: Ist das Papier ohne Fremdeinwirkung oder Zugriff Dritter - etwa weil nur der Erblasser Zugang zum Schließfach hatte - unregelmäßig und mittig zerrissen, spricht dies eindeutig für eine eigenhändige Vernichtung durch den Erblasser selbst. Auch die nachweislich mehrfache Nutzung des Schließfachs durch den Erblasser spricht gegen die Annahme, das Testament sei versehentlich oder ohne Bedeutung dort zurückgelassen worden.
In der Gesamtschau ergibt sich, dass ein Erblasser ein Testament durch eigenhändiges Zerreißen wirksam widerrufen kann, sofern er testierfähig ist und keine konkreten Anhaltspunkte gegen seinen Widerrufswillen sprechen.
• Widerruf des Testaments: Zerreißen mit Widerrufswillen genügt – aber nur bei Testierfähigkeit, Wissen und Wollen
• Original erforderlich: Nur das eigenhändig unterschriebene Original des Testaments kann wirksam vernichtet werden – Kopien zählen nicht.
• Aufbewahrung bei Widerruf: Widerrufswille wird grundsätzlich vermutet und muss widerlegt werden.
Quellen
[1] OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 29.04.2025 - 21 W 26/25
[2] BeckOK BGB/Litzenburger BGB § 2255 Rn. 1
[3] LG Duisburg, Beschluss vom 29. 3. 2005 - 7 T 49/05