Aufschiebend bedingte Renten sind in voller Höhe zu berücksichtigen
Wer ein Grundstück verschenkt und sich dafür eine lebenslange Rente zusichern lässt, darf auf eine faire Besteuerung hoffen. Doch als die Rentenzahlung erst mit dem Tod eines Dritten begann, wollte das Finanzamt den Wert der Rentenlast kürzen – mit Verweis auf den Zeitabstand zwischen Vertrag und Rentenbeginn. Das Finanzgericht München hat dem nun widersprochen: Die Rentenlast bleibt in voller Höhe abzugsfähig. Das Urteil sorgt für Klarheit bei gemischten Schenkungen und stellt sich deutlich gegen die bisherige Verwaltungspraxis.
Was ist passiert?
Im Jahr 2012 übertrug eine Frau im Rahmen einer gemischten Schenkung ein Grundstück auf ihre Schwester. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Beschenkte zu monatlichen Rentenzahlungen in Höhe von 1.000 Euro – zunächst lebenslang an einen Dritten (O), und nach dessen Tod an die Übergeberin selbst. Die Rentenlast war somit aufschiebend bedingt.
Nach dem Tod des Dritten im Jahr 2021 beantragte die Beschenkte, die nun fällige Rentenverpflichtung gegenüber ihrer Schwester steuermindernd bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigen. Das Finanzamt erkannte zwar die Rentenlast grundsätzlich an, kürzte jedoch deren Kapitalwert durch eine Abzinsung für die Zeit zwischen Vertragsabschluss und dem Bedingungseintritt (Tod des Dritten). Dadurch erhöhte sich die zu zahlende Schenkungsteuer erheblich.
Die Beschenkte legte Einspruch ein und verwies auf die BFH-Rechtsprechung, wonach eine solche Abzinsung in Fällen aufschiebend bedingter Lasten unzulässig ist. Als das Finanzamt bei seiner Kürzung blieb, erhob sie Klage – mit Erfolg.
Keine Kürzung wegen späterem Rentenbeginn
Das Finanzgericht München hat entschieden, dass die Rentenlast in voller Höhe steuermindernd zu berücksichtigen ist. Eine Abzinsung für die Zeit zwischen Vertragsabschluss und Beginn der Rentenzahlung – also für die sogenannte Schwebezeit – sei unzulässig.
Seine Entscheidung stützte das Gericht auf drei wesentliche Erwägungen:
- Keine Anwendung des § 12 Abs. 3 BewG: Die Vorschrift setzt eine fällige oder zinslos gestundete Schuld voraus. Eine aufschiebend bedingte Rentenverpflichtung ist hingegen erst mit Eintritt der Bedingung rechtlich relevant – hier also mit dem Tod des zuerst Begünstigten.
- Der Vervielfältiger nach § 14 BewG bildet den Zeitwert bereits ab: Die Bewertung lebenslanger Nutzungen erfolgt altersabhängig. Eine zusätzliche Abzinsung würde den Wert künstlich mindern und widerspräche dem gesetzlich vorgesehenen Berechnungssystem.
- Bindende BFH-Rechtsprechung (II R 26/19): Der Bundesfinanzhof hat bereits entschieden, dass bei aufschiebend bedingten Lasten keine Abzinsung vorzunehmen ist. Das Finanzgericht stellt sich ausdrücklich hinter diese Rechtsprechung – und gegen die Ländererlasse vom 4. Januar 2023.
Maßstab für den Umgang mit aufschiebend bedingten Rentenlasten
Das Urteil des FG München schafft wichtige Rechtssicherheit für Fälle der gemischten Schenkung mit aufschiebend bedingten Gegenleistungen. Steuerpflichtige können sich darauf verlassen, dass Rentenverpflichtungen, die erst nach einem bestimmten Ereignis – etwa dem Tod eines Dritten – beginnen, in voller Höhe berücksichtigt werden, ohne dass eine Abzinsung erfolgt.
Besonders relevant ist die Entscheidung für alle Gestaltungen mit vorbehaltenen oder gestaffelten Rentenlasten, wie sie in der vorweggenommenen Erbfolge häufig vorkommen. Das Gericht bestätigt damit die Linie des BFH und stellt sich ausdrücklich gegen die restriktive Verwaltungspraxis.
1. Aufschiebend bedingte Renten stets im zeitlichen Kontext bewerten
Wird die Rentenzahlung erst mit dem Tod eines Dritten fällig, ist für die steuerliche Bewertung ausschließlich der Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich. Eine vorgezogene Bewertung oder Abzinsung widerspricht geltender BFH-Rechtsprechung und kann erfolgreich angefochten werden.
2. Vervielfältiger nach § 14 BewG konsequent nutzen
Der gesetzlich vorgegebene Vervielfältiger bildet die Lebenserwartung und den Zeitwert der Rentenverpflichtung bereits vollständig ab. Eine zusätzliche Abzinsung führt zu einer rechnerischen Doppelberücksichtigung des Zeitfaktors und ist weder sachgerecht noch rechtlich zulässig.
3. Finanzamt bei Abzinsung mit BFH-Rechtsprechung konfrontieren
Hält das Finanzamt trotz aufschiebender Bedingung an einer Abzinsung fest, sollte umgehend unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 15.07.2021 (II R 26/19) sowie das FG München (4 K 680/23) Einspruch eingelegt werden – die Erfolgsaussichten sind hoch, da die Verwaltungsauffassung im Widerspruch zur höchstrichterlichen Linie steht.
Quelle: FG München Urteil v. 02.01.2025 – 4 K 680/23